Spätestens
seit der Al-Aqsa-Intifada und den Anschlägen des 11.
Septembers 2001 prägt das Schreckgespenst Islam die Berichterstattung
in den Medien. Selbst in weltoffenen, toleranten und liberalen
Kreisen ist man nicht gefeit davor, alle Muslime in den Topf
des Fundamentalismus und Terrorismus zu werfen. Ein Mittel,
um solche Vorurteile abzubauen, ist die direkte Begegnung
und der Dialog. Diese Überlegungen standen im Vordergrund,
die Monatsversammlung der SP für eine Begegnung mit den
in Zürich lebenden Moslems zu nutzen. Mit Freude begrüsste
Abu Mussaf, der Quästor der Stiftung Islamische Gemeinschaft
Zürich, die SP als erste politische Partei überhaupt
in den Räumen des islamischen Zentrums. Eine besonders
erfreuliche Tatsache, da laut Abu Mussaf die Werte der Sozialdemokratie
den Grundwerten des Islams am nächsten kommen. Zudem
ist die SP die verlässliche politische Partnerin, z.B.
bei der Realisierung des Muslimfriedhofs.
Das Gebet
Noch während den einleitenden Worten klang das melodische
und auch für westliche Ohren nicht unbekannte Rufen des
Muezzins durch das Haus. Bis zum Beginn des Gebetes haben
die Gläubigen nun noch acht bis zehn Minuten Zeit für
die rituelle Waschung. Männer und Frauen verrichten das
Gebet in voneinander getrennten Räumen. Der Imam, im
Zentrum an der Rötelstrasse ist dies Scheich Ibram, singt
das Gebet vor. Die Gläubigen beten abwechslungsweise
stehend und kniend. Die Litanei des Imams wird einzig durch
Allah-hu-aqbar-Rufe (=Gott ist gross) unterbrochen. Beim Freitagsgebet
und während des Fastenmonats Ramadan ist das islamische
Zentrum mit 600 700 Gläubigen jeweils zum bersten
voll, so dass die Betenden ihr Gebet nicht mehr auf dem Boden,
sondern auf dem Rücken ihres Vordermannes verrichten
müssen.
Das Zentrum an der Rötelstrasse
Die Mahmud Moschee beim Balgrist gehört einer nicht anerkannten
islamischen Sekte. In der Schweiz gibt es keine Moschee, da
der Islam nicht als Landeskirche anerkannt ist, auch wenn
gemäss der Volkszählung im Jahr 2000 rund 350 000
Muslime in der Schweiz leben, 10% davon im Kanton Zürich,
viele haben den Schweizer Pass. Die Stiftung Islamische Gemeinschaft
Zürich wurde 1975 mit dem Ziel gegründet, eine ethnisch
unabhängige Begegnungsstätte für Seelsorge
und Unterricht zu gründen. In der Tat ist kommen im islamischen
Zentrum Gläubige aus der ganzen islamischen Welt zusammen.
Die Stiftung geniesst im Haus an der Rötelstrasse, das
den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört, Gastrecht.
Doch missgünstige Nachbarn versuchen den Auszug gerichtlich
zu erwirken. Das Zentrum ist nicht nur Gebets- und Begegnungsstätte,
es nimmt auch integrative Aufgaben wahr: Der Koran wird in
deutsch unterrichtet und der Inhalt der Suren auf den Alltag
in der westlich säkularen Gesellschaft gedeutet.
Für eine Moschee und staatliche Anerkennung
Nach einem reichhaltigen Buffet in der Tradition bester orientalischer
Gastfreundschaft skizzierte Dr. Ismail Amin, Präsident
der Stiftung Islamische Gemeinschaft Zürich, in seinem
Referat die Wünsche und Probleme im Alltag. Mit beharrlichem
Einsatz und nach zähem Ringen wird im Lauf des nächsten
Jahres der islamische Friedhof eröffnet. Bis dahin werden
die Verstorbenen in ihre Heimat überführt. Die Hauptanliegen
der Stiftung sind die Errichtung einer Moschee und die staatliche
Anerkennung als Glaubensgemeinschaft. Beides Massnahmen, die
für das interkulturelle Verständnis von Vorteil
wären. Eine Moschee in der Stadt Zürich würde
als Beweis für das weltoffene Image Zürichs betrachtet
und sich als Standortvorteil auswirken. Die Moschee übernähme
die Funktionen des aktuellen Zentrums als Kirche,
Begegnungs- und Unterrichtsstätte. Einhergehend mit der
staatlichen Anerkennung würde der Unterricht aus den
Hinterhöfen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.
Die Auswahl der Lehrkräfte wäre staatlich kontrolliert.
Neue Realitäten akzeptieren
Auch wenn der fundamentalistische Islam ein anderes Bild prägt,
gehört die Lehre des Islam zu den tolerantesten. So erhebt
er ausserhalb seiner angestammten Gebiete keine Machtansprüche.
Im Gegenteil, Muslime sind gehalten, sich den lokalen Gegebenheiten
unterzuordnen. Das Wissen über die andere Religion ist
eine Bereicherung. Manche Massnahme, wie der Bau einer Moschee,
erfordern den Mut, neue Realitäten anzuerkennen und einen
echten Dialog zu beginnen. Dieser kommt in Gang, wenn die
Vergagenheit mit Polemik und gegenseitiger Diffamierung überwunden
wird.
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Der
Gebetsstuhl des Imams - Scheich Ibram - im islamischen Zentrum
an der Rötelstrasse.
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