Actu
Vom Pissen und Polizisten
22. Januar 2006
Bezahlt man Steuern, um in einem Züri WC in eine Personenkontrolle zu kommen? Eine kleine Staatskundelektion.  

Stellen Sie sich vor, Sie pinkeln in aller Ruhe in einer öffentlichen WC-Anlage. In Zürich sind das die so genannten Züri Wcs, allesamt Closomaten, Rollstuhlgängig und behindern Fixer wegen des blauen Lichtes bei ihrer Tätigkeit. Was die Hi-Tech Klos sonst noch können, lässt sich unter zueriwc.ch nachlesen. Also, wie schon einmal erwähnt, stellen Sie sich nun vor, dass Sie nach 22.00 Uhr im Züri WC in der Bäckeranlage ein Geschäft erledigen, als es an der Türe klopft und jemand Polizei ruft. Und schon wird die Türe von aussen aufgeschlossen und vier Uniformierte drängen sich zu Ihnen die enge Kabine. Was wie ein Märchen der Gebrüder Grimm klingt, ist im harten Zürcher Polizeialltag Routine. Das Erlebnis der dritten Art mit seinen Freunden und Helfern hatte der Autor nach der Januar-Redaktionssitzung des RockStar Magazines.

Eine Frage der Verhältnismässigkeit
Nun wollen wir mal nicht so sein und lassen Sie nicht nächtens alleine mit vier Polizisten auf dem Klo. Deshalb stellen Sie sich nun vor, dass Sie weder Pilot der Swissair noch George Michael sind. Und Sie sehen weder balkanisch noch negroid aus. Dass Sie auch keinen FCB-Schal tragen, versteht sich von selbst. Sie stellen sich nun vor, dass Sie gerade noch Zeit haben, Ihr bestes Stück zu versorgen, sonst wären Sie frei nach AC/DC caught with your pants down. Sie drehen sich nun um und halten dem Blick des Einsatzleiters stand. Dieser sagt «ist gut» und sie verlassen mit einer Polizeieskorte das Züri WC. Normalerweise haben dies nur noch Vito Corleone, Kofi Annann oder George W. Bush. Sie dürfen sich also geehrt fühlen, für einen Moment eine wirklich wichtige Person gewesen zu sein und können das Gedankenexperiment abbrechen - nicht aber die Lektüre des Artikels.

Und so gingen dem Autor als verunsicherter Bürger und neugieriger Journalist sogleich ein paar wichtige Fragen durch den Kopf. Weshalb er sich anderentags vertrauensvoll an den aus Radio und Fernsehen bekannten Pressesprecher der Stapo, Marco Cortesi wandte, der ihm dann nach ein paar Tagen auch zurück rief. Die erste Frage an Herrn Cortesi war, ob die Polizeibeamten befugt sind, eine verschlossene Toilette zu öffnen. Herr Cortesi bestätigte diesen Sachverhalt und entschuldigte sich im Namen Stadtpolizei beim Autoren. Nächste Frage, war das Anklopfen und sofortige Aufschliessen nicht eine Überreaktion? Haben die Beamten einmal mehr die Verhältnismässigkeit aus den Augen verloren? Pressesprecher Cortesi war hier mit dem Autor einverstanden, dass Polizisten nach dem anklopfen einen Moment hätten warten müssen. Dass man die Frage nach der Verhältnismässigkeit aber auch anders beantworten kann, unterstrich Herr Cortesi mit seinem nächsten Satz. Er habe mit dem Einsatzleiter über den Vorfall gesprochen. Und der Herr Einsatzleiter bestreitet, überreagiert zu haben. Und er habe sich entschuldigt.

./.


Das Logo der sichersten WCs der Welt.

 



Das Corpus Toiletti :-)


 Das Züri WC in der Bäckeranlage

 Züri WC ist nicht gleich Züri WC
Nach neuer Rechtschreibung geht zwar die Aussage „ist gut“ nicht als Entschuldigung durch, aber auf einem Detail rumzureiten lohnt sich nicht, wenn es wichtige Fragen zu klären gilt, schliesslich steht nun Aussage Einsatzleiter gegen Aussage Pressesprecher. Die Stapo spricht sozusagen mit gespaltener Zunge. Da sich aber ein Pressesprecher hinter sein Unternehmen zu stellen hat, erläuterte Marco Cortesi die Sichtweise des Einsatzleiters. Da die Bäckeranlage im Langstrassenquartier liegt, ist sie ein beliebter Rückzugsort für Junkies und Dealer. Dies bedeutet erstens, dass die Züri Wcs dort stündlich kontroliert werden und zweitens, würden die Polizisten einen Moment warten, bevor sie die Tür aufschliessen, wäre genügend Zeit vorhanden, die Drogen hinunter zu spülen. Deshalb schliesst die Polizei bei sämtlichen Züri Wcs im Langstrassenquartier sofort die Tür auf. Da einem als Zürcher die Stadt mit der besten Lebensqualität weltweit lieber ist als der Needlepark vor einem Jahrzehnt, leuchtet einem diese Argumentation noch ein.

Da aber Nachfragen erlaubt ist, ging die Rückfrage an Marco Cortesi, ob man das nun richtig verstanden hat, dass beim Züri WC am Meierhofplatz andere Einsatzmassstäbe gelten als bei der Bäckeranlage. Ein Sachverhalt, den Herr Cortesi bestätigte. Die Gefahr, von der Polizei mit herunter gelassener Hose kontrolliert zu werden, variiert also von Züri WC zu Züri WC. Bleibt also zuletzt noch die Frage nach der Rechtsmittelbelehrung, die Marco Cortesi mit dem Hinweis der Beschwerdemöglichkeit beantwortete.

Selbstverständlich unterlassen wir die Beschwerde, denn der unfreiwillige Selbstversuch zeigt auf, dass man in Zürich selbst auf dem stillen Örtchen von der Polizei vor Fixern, Dealern, islamischen Terroristen und dänischen Karikaturisten beschützt wird. Und das ist gut so. Die Forderung der SVP nach mehr Polizei hingegen nicht, denn wo soll Polizei denn noch überall kontrollieren, wenn sie bereits im Stundentakt die Klos inspiziert?
 

 Links:

www.zueriwc.ch