Musicus - Archiv 1995
Nekrophile Sounds
Dezember 1995
Sein Letzter Wille war es, dass das Album noch erscheinen werde, die Gesangsspuren nahm er noch während den Innuendo-Sessions auf. Die Rest-Queen vervollständigte es nun: Made In Heaven heisst es nun. Ausserdem: Beatlemania frei wie ein Vogel: Anthologien von Velvet Underground und Beatles Anthology Vol 1.
Bewertung: siehe unten

1. Der letzte Wille
Frühjahr 1991, Mountain Studios in Montreux, alleine und im Rollstuhl zusammengesunken sitzt er da, umgeben von einer Batterie Mikrophonen, die Kräfte haben ihn wieder verlassen. Freddie Mercury ist im Endstadium seiner Aids-Erkrankung. Im Kontrollraum warten die übrigen Queen-Mitglieder John Deacon, Roger Taylor und Brian May, bis sich der Sänger wieder erholt hat. Die Aufnahmen, so Merucurys Wunsch, sollen auf einem letzten Album veröffentlicht werden. Obschon die Band schon lange vom Schicksal ihres charismatischen Sängers wusste, wurde die Öffentlichkeit erst eine Woche vor seinem Tod davon informiert. Hinweise dagegen gaben sie schon früh: 1985 sang Mercury Who Wants To Live Forever, 1989 beschwor er The Miracle und das letzte Album hiess Innuendo (Andeutung), mit den Songs These Were The Days Of Our Lives und The Show Must Go On.

Mit den Bändern gingen dieses Jahr die drei überlebenden Mitglieder ins Studio und spielten zu Freddies Stimme. Die Botschaft vieler Songs ist lebensbejahend, wie zum Beispiel It's A Beautiful Day. Mercurys letzter geschriebener Song, A Winter's Tale und die neun weiteren Songs bilden eine nicht immer gelungene Synthese zwischen Grüssen aus dem Jenseits und einem Tribut der restlichen Bandmitglieder. Das Album endet nach einer rockrigen Reprise von It's A Beautiful Day in einem Ambient-Requiem: Stöhnen, hallende Synthesizer, einsame Klaviere, Gitarren und ein wiederkehrender Akkord tönen 23 Minuten lang vor sich hin und dann herrscht plötzlich Stille.

Made In Heaven, so der sinnige Titel des Albums, verkauft sich nicht seiner Musik, sondern des Bandnamens wegens. Freddie Mercurys letzter Wunsche wurde erfüllt, weitere Platten werden nicht mehr folgen, so lautet eine Abmachung der Band. Ganz ehrlich, was wäre Queen auch mit einem anderem Sänger, George Michael zum Beispiel?

2. Helter Skelter
Der Keller des EMI Records Geböudde an der Abbey Road in London ist fast so gut gesichert wie Fort Knox, nur lagern hier nicht die Goldreserven des vereinigten Königreiches, sondern über vierhundert Stunden unveröffentlichter Beatlesmusik. Die Aufnahmen lagern hiner einer Stahltür, zu der es nur einen Schlüssel gibt, welcher wiederum in einem Safe ruht, und nur mit dem einstimmingen Einverständnis von fünf Personen darf dieser geöfnet werden. Es sind dies: Lennonwitwe Yoko Ono, George Harrison, Paul McCartney, Ringo Starr und der Direktor der EMI Records. Trotzdem - oder gerade deswegen - erscheinen nun bis in den Sommer hinein acht Stunden davon auf je einer Doppel CD Anthology Vol 1 - 3. Auf Anthology werden Live-Aufnahmen, Demo-Versionen von Songs wie Strawberry Fields, Beatlesversionen von Songs, die sie anderen Künstlern verkauften und dieverse Songs sein, die auf unzähligen Raubpressungen erhältlich sein. Doch wirklich neues Material wird im Keller ruhen. Ausser der Single Free As A Bird: John Lennon nahm den Song 1980, nur mit einem Klavier begleitet auf. Fünfzehn Jahre später überreichte Yoko Ono Paul McCartney eine Kassette mit vier weiteren unveröffentlichten Lennon Songs. Paul reunierte die Band und sie spielten ein Arrangement. Spötter sprechen von der ersten nekrophilen Plattenaufnahme der Musikgeschichte. Die voraussichtliche B-Seite der Single - Real Love - wurde in gleicher Manier bearbeitet, nur ist die Urfassung bereits 1988 auf Imagine - John Lennon, dem Filmportät über den Beatle, erschienen.

3. Bis an die Extemitäten.
Velvet Underground, nach dem gleichnamigen Sadomaso Groschenroman benannt, quälten Ende der 60er Jahre ihre Instrumente und das Gehör ihrer Fans. 1965 wurden sie zu Andy Wahrhols Privatband und traten in seiner Multimediashow The Exploading Lastic Inevitable auf. Lou Reed, Gitarrist und Sänger und John Cale, Violine und Gesang, waren die Stars der Gruppe, trotzdem stetzte ihnen Wahrhold für ihre erste Platte Velvet Underground & Nico die Sängerin Nico vor die Nase und gestaltete das Plattencover mit der abziehbaren Bananenschale. Nicht nur die Musik, auch die Texte gingen ins Extreme. Lou Reed erzählte die Geschichte von einem Mann, der seine Freundin überraschen will und sich in ein Päcken einpackt. Der Pöstler überbringt es ihr. Sie öffnet das Paket so ungeschickt, dass sie ihn dabei Köpft. Weitere Schocker waren damals Venus In Furs, Heroin oder White Light - White Heat, die unverblümt von Drogenexzessen, bisexuellen und sadomaso Sex Orgien in der New Yorker Szene berichteten.

Die Anthologie über Velvet Underground spielt ohne jeden Hintergedanken die Bandgeschichte noch einmal durch. Die Fünf-CD-Box enthält die vier Alben und, diverse Live-Mitschnitte und unveröffentlichtes Material, auch Demotapes, welche die Songentwicklung zeigen. Ein achtundachtzig seitiges Booklet enthält unbekanntes Fotomaterial und Hinweise zu jedem Song.

Nach der Trennung der Band spielten alle Mitglieder solo weiter, Lou Reed und John Cale erfolgreicher als Moe Tucker und Sterling Morrison. Lou Reed zählt zu den wichtigsten Rockstars, seine spezielle Art zu musizieren beeinflusst Bands wie Pearl Jam, Züri West oder U2. Letztere spielten in ihrer Zoo-TV Show mit einem Video- Lou Reed dessen Song Sattelite Of Love, Züri West übersetzten Walk On The Wild Side in Berndeutsche. Mit dem Tod von Sterling Morrison Mitte Oktober wurde der Schlusspunkt, zeitgleich mit der Veröffentlichung der CD-Box gesetzt, und Lou Reed wird weitere Platten aufnehmen.


Tracklisting * * * * *
It's A Beautiful Day
Made In Heaven
Let Me Live
Mother Love
My Life Has Been Saved
I Was Born To Love You
Heaven For Everyone

Too Much Love Will Kill You
You Don't Fool Me
A Winter's Tale
It's A Beautiful Day Reprise

The Beatles Anthology 1
Tracklisting: Auswahl
Free As A Bird
In Spite Of All The Danger
You'll Be Mine
My Bonnie
One After 909
She Loves You
Can't Buy Me Love
And I Love Her
I Wanna Be Your Man
No Reply (Demo)
Eight Days A Week (Sequence)
Eight Days A Week (Complete)

Velvet Underground
Anthologie * * * *
Tracklisting Auswahl
Sunday Morning
Venus In Furs
I'm Waiting For My Man
Heroin
White Light, White Heat
All Tomorrow's Parites
The GIft

 

Queen
Made In Heaven
Parlophone 4 83554 2

The Beatles
Anthology 1
Parlophone/Apple 8 34445 2

Velvet Underground

Downtown Records
CD 9208

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk


 

Nachbetrachtung des Artikels
Der Autor fasste den Auftrag, einen totalen Veriss von Markus Heusser zu schreiben. Als er dem nicht Folge leistete, gabs einen Zusammenschiss der Chefredaktorin (Kackemanze). Warum weigerte er sich. Erstens war Heussers CD wirklich ein Schreck, aber schon damals folgte Yves Baer der Annahme, dass ein Künstler durch einen kompletten Veriss nicht belehrt wird, und schon damals bezeichnete sich Yves Baer als Künstler und eine gewisse Solidarität für das Werk des Andren war vorhanden. Nur weil einer gläubig ist und in seinen Liedern vom lieben Gott singt, ist das noch lange keinen Grund für einen Veriss. Auch wenn dies an einer evangelischen Schule sicher cool war. Noch cooler war aber, dass Yves Baer einige Monate zuvor am Talentwettbewerb an der selben Schule seine Kurzgeschichte Jesus' Zwillingsbruder vorgelesen hatte, welche in der Tat einige Leute sehr, sehr verärgert hatte. Für den Artikel über Joe Turner und Coci Bosetto kamen die Anregungen gar aus der Leherschaft, etwas zu schreiben. Das war so zu sagen der erste Pflichtartikel, den Yves Baer verfasst hatte.