yb:
Esther Maurer, stell Dich kurz Deinen Wählerinnen
und Wählern vor.
em: Ich bin 40 Jahre alt. Ich unterrichte Französisch
und Spanisch und bin Prorektorin an der Kantonsschule Zürich
Oberland. Seit 1986 bin ich Gemeinderätin für den
Kreis 5. Im Gemeinderat habe ich in fast allen wichtigen Kommissionen
mitgearbeitet, meine politischen Schwerpunkte sind in die
Stadtentwicklung, die Finanzpolitik sowie die Gesundheits-
und Sozialpolitik. Zusätzlich bin ich Vizepräsidentin
der Pro Juventute Zürich. Über mein Privatleben
rede ich so wenig wie möglich: Man braucht einige Winkel
fernab der Presse und Öffentlichkeit.
yb: Es wird immer wieder von der Gefahr der Ghettoisierung
gesprochen, auch im Kreis 5. Ist dies wirklich eine Gefahr
oder ist es nur ein weiteres SVP-Schreckgespenst?
em: Es ist eine Gefahr. In der Zeit nach der Platzspitzschliessung
haben wir eine solche Ghettoisierung im Kreis 5 erlebt. Ich
bin überzeugt, dass man im Kreis 2 oder 7 nicht so lange
zugewartet hätte mit Handeln. Aber im Kreis 5 verlor
man ja nicht ein entscheidendes Wählerpotenzialdurch
diese unhaltbare Situation, also hat man viel zu lange zugeschaut.
Um der Ghettoisierung zu begegnen gibt es nur ein Rezept:
Die Bevölkerung zu durchmischen: alle Altersstufen, alle
Rassen, aber auch konventionelle Familien mit Singles und
so weiter.
yb: Du hast immer betont, dass Du keine Quotenfrau
bist. Bist Du zufrieden mit der Nomination der Stadtratskandidatin
und den -kandidaten?
em: Ich bin stolz darauf, dass ich als nicht Quotenfrau
bei der Nominierung auf Anhieb gleichviele Stimmen erhielt
wie Elmar Ledergerber. Allerdings bin ich mir bewusst, dass
ein solches Resultat bei den Wahlen kaum zu wiederholen wäre.
Ich würde es natürlich sehr bedauern, wenn die SP
nach den Stadtratswahlen ausschliesslich mit drei Männern
vertreten wäre, aber deswegen eine Frauenquote einzuführen
ginge mir gegen den Strich. Die Quotenfrage darf nicht dazu
benützt werden, dass man als Frau seine eigene Position
verbessern kann, ohne die entsprechenden Vorleistungen zu
bringen.
yb: Ist der Frauenbonus 1998 noch aktuell, oder
sind die Nachwehen der Bundesrätinnenwahl von 1993 überstanden?
em: Ich weiss nicht, wie es am 1. März sein wird.
In parteipolitisch ungebundenen Kreisen ist der Frauenbonus
noch stärker als in der SP. Neu ist auch, dass es in
der SP noch nie eine Frauenwahl ohne ein eigentliches Frauenkommitee
gegeben hat. In diesem Zusammenhang muss ich mir schon einige
Fragen stellen!
yb: Welches Amt würde Dich reizen?
em: Dies ist die häufigste Frage im Wahlkampf.
Ich antworte jeweils immer , dass mein Wunschdepartement zum
Glück frei wird: das Gesundheits- und Umweltdepartement.
Hier vereinen sich unternehmerische und betriebswirtschaftliche
Überlegungen mit dem sozialen Aspekt, was mich fasziniert.
yb: Was ist Dein Anliegen als Stadträtin?
em: Es gibt verschiedene Aufgaben, die eine Agentur
übernehmen kann, wie zum Beispiel für den inhaltlichen
Teil, wie die Referate oder die Frage- und Antwortrunde. Dies
gilt auch für den ganzen Präsentationsteil, wie
man die Botschaften vermittelt. Je grösser die Anzahl
der Teilnehmer, je grösser eine Firma ist, desto öfter
werden Simultanübersetzungen gebraucht, Telefon- oder
Videokonferenzen werden in alle Welt geschaltet, oder die
Medienkonferenz wird ins Internet geladen, was alles klassische
Agenturaufgaben sind. Beim ganzen technischen und logistischen
Apparat mag es sinnvoll sein, einen Spezialisten beizuziehen.
Bei allen drei genannten Bereichen kommt es darauf an, welche
Lust die Firmen aufbringen, dies in eigener Regie durchzuführen.
Es gibt Grossfirmen, bei denen die oberen Kader dies aus dem
Stehgreif können. Dort ist der Beizug einer Agentur höchstens
im Sinne eines Coachings sinnvoll. Angestellte des unteren
und mittleren Kaders, aber auch die höheren Kaderleute,
die weniger geübt sind, können diese Leistungen
einkaufen.
ybr: Allenfalls auch ein Medientraining?
mmp: Genau. Das ist in der Vorbereitung, besonders
zum Fragen- und Antwortkatalog, wichtig. In Medientrainings
übt man den Ernstfall, der glücklicherweise selten
eintrifft.
ybr: Als Aussenstehender habe ich manchmal das Gefühl,
und ich habe es schon so erlebt, dass es für viele Unternehmen
oder Institutionen, wie z.B.das Kinderdorf Pestalozzi, immer
einen enormen Aufwand bedeutet, Journalisten zur Teilnahme
bei einer Medienkonferenz zu bewegen. Täuscht der Eindruck,
dass sich Wirtschaftsjournalisten neben den klassischen Unternehmen
wie eine UBS lieber auf trendy Branchen wie die Biotech-Branche
konzentrieren? Wenn ja, woran liegt das?
mmp: Das Kinderdorf Pestalozzi hat bei vielen Journalisten
Sympathien. Ich glaube, dass sie sich die Frage stellen: «Was
interessiert unsere Leser?» In der Schweiz besitzt rund
ein Drittel der Bevölkerung Aktien und interessiert sich
somit auch dafür, was eine Crédit Suisse oder
eine Novartis für Erfolge und Misserfolge an der Börse
ausweisen. Darum schreiben die Journalisten eher über
solche Unternehmen. Beim Kinderdorf Pestalozzi ist es ähnlich
wie bei einem Small Cap, eine Firma also, die ausser dem Spezialistentum,
meine ich, eher unbekannt ist und in der breiten Bevölkerung
kein Reizwort darstellt. Ich glaube nicht, dass es einen Graben
zwischen Wirtschaft und «Kultur» mit sozialem
Engagement gibt.
ybr: Herrscht eine Übersättigung an Konferenzangeboten?
mmp: Das ist so. Man sieht auch, dass viele Medien
mit der Flut von Unternehmensinformationen überfordert
sind. Das sind nicht nur Pressekonferenzen, vieles kommt heute
in schriftlicher Form. Die regelmässige Berichterstattung
hat dramatisch zugenommen, was ein Erfordernis vieler Börsenplätze
ist. Auch die Schweizer Börse hat vor einem Jahr von
der jährlichen zur halbjährlichen Berichterstattung
gewechselt, was das Informationsvolumen de fakto verdoppelte.
Im New Market ist gar eine Quartalsberichterstattung verlangt,
was eine Vervierfachung bedeutet. Das zwang die Medien, ihre
klassische Unternehmensberichterstattung neu zu überdenken.
Ein Beispiel ist Cash, das heute überhaupt keine
Unternehmensberichterstattung, dafür einen anderen journalistischen
Stil hat. Spezialisierte Wirtschaftstitel haben aufgehört,
den Puls jeder Medienkonferenz zu fühlen. Für die
Firmen heisst das, dass sie neue Wege finden müssen,
um ihre Botschaften an den Mann und an die Frau zu bringen
etwa mittels Finanzanzeigen.
Ein Beispiel, das noch weiter geht, ist in Deutschland. Mit
der Schwemme von Unternehmen, die sich am Neuen Markt kotieren
lassen, haben verschiedene Redaktionen beschlossen, über
diese Firmen überhaupt nicht mehr zu berichten, weil
sie keinen Überblick mehr haben und deshalb nicht mehr
verlässlich aufzeigen können, welche Unternehmen
gut und welche schlecht dastehen. Sie haben quasi eine Informationsverweigerung
gemacht.
ybr: Gibt es für Dich einen absoluten Albtraum
in Bezug auf Pressekonferenzen?
mmp: Es gibt viele Albträume und sie werden immer
auch wieder einmal wahr. Die häufigsten sind technische
Unzulänglichkeiten. Aber es kommt auch vor, dass man
das Gefühl hat, auf ein falsches Datum eingeladen zu
haben oder die Referenten erscheinen nicht. Es zahlt sich
sicher aus, ein Team von erfahrenen Eventorganisatoren dabeizuhaben,
die auch die kleinen Details im Griff haben. Auf diese kommt
es ebenso darauf an wie auf die strategisch klugen Botschaften.
ybr:
Martin, ich danke Dir für das interessante Gespräch.
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Nachbetrachtung
des Artikels
Die SVP zog 1997/98 u.a. mit Emil Grabherr in den Stadtratswahlkampf.
Emil Grabherr gehörte zu denjenigen Politikern der SVP,
welche die destruktive Politik der SVP durch ihre oft sinnlosen
Vorstösse wehement mittrug. Grabherr, der in der Nähe
des Friedhofs in Altstetten wohnte, brachte eine teilweise
Öffnung für die Moslems der Stadt Zürich auf
diesem Friedhof, zu Fall. Eine Umfrage unter den Schülern
von Emil Grabherr hatte ergeben, dass er ein mässiger
aber unbeliebter Lehrer war.
Die einzige
Art, auf das anbiedernde Porträt, welches im Höngger
erschienen war -in welchem Emil Grabherr als armer Politiker
dargestellt wurde, der nur das Beste für die Gesellschaft
möchte und von den Linken und den Medien zu unrecht als
Unmensch geschildert wird - die gehörige Portion Sarkasmus
und Zynismus vor der obenstehender Artikel strotzt.
Der Autor
hatte noch mit Emil Grabherr eine Begengnung der dritten Art:
Am Sylvester 1997 spazierte er per Zufall an Grabherrs Haus
vorbei (Unfälle geschehen halt von Zeit zu Zeit). EG
wartete in seinem Reiheneinfamilienhäuschen hinter der
Türe und passte den Spaziergängern und Friedhofsbesuchern
ab. Jedes Mal, wenn er jemand entdeckt hatte, eilte er an
den Gartenzaun und wünschte überfreundlich einen
guten Tag. Ein Unmensch, wer dabei böses denkt.
Emil Grabherr
verpasste die Wahl in den Stadtrat deutlich. Als im Jahr darauf
an seiner Strasse, wo er nur etwa zwei bis drei Autos sein
Eigen nannte, die Parkplätze in blaue Zone umgewandelt
wurden, zügelte er fort.
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