Traum
«Hi Sting, you owe me a bottle of wine»
werden die ersten Worte sein, die ich Sting gegenüber
sagen werde. Denn wegen Sting habe ich eine Wette verloren.
Die Wette ging folgendermassen: Wenn beim Jazzfestival Montreux
am Freitagabend zuerst Jeff Beck und nach ihm Sting auftreten
werden, (zumal sting.com das Gerücht protiert hatte,
dass die beiden zusammen auftäten) absolut nichts dagegen
spräche, dass Jeff Beck am Sonntag in Zürich bei
Sting als Überraschungsgast auf die Bühne kommen
würde. Ausserdem sollte Jeff Beck noch ein Konzert bei
Live at Sunset geben. Weit gefehlt, Sting spielte mit seiner
Band solo und die Flasche Wein ging verloren.
Den Traum
aber hatte ich im Frühjahr 2001, bevor etwas von Stings
Sommertour bekannt war. Ich träumte von einem Konzert
von Sting in einem Kreuzgewölbekeller. In der Mitte diseses
Kellers war eine Drehbühne, so dass man jeden Musiker
einmal sehen konnte. Der Soundtrack des Traumes war das Konzert
im Hallenstadion vom vergangen Jahr. Der Eingang in den Kreuzgewölbekeller
war, zumindest am Anfang, in Zürich Höngg, bevor
er dann plötzlich irgendwo im Flimser Bergsturz war .
Träume halt eben.
Sting.com
hatte auch darüber informiert, dass Herr Stachel in seinem
Haus in der Toskana am 11. September 2001 ein Konzert geben
würde, bei dem er viele seine Songs neu arrangiert einspielen
würde. Umso gespannter war man bei seiner Sommertour
- die Sting ausser ans Jazzfestival Montreux an Orte wie das
Live at Sunset Openair im Hof des Landesmuseums in Zürich
oder in den Dresdner Zwinger führte - ob er etwas vom
neuen Album druchblicken lasse. Hatte Sting nicht. Zwar hatte
er in Montreux Big Lie Small World gespielt, bei Live
at Sunset dafür I'm So Happy I Can't Stop Crying.
Aber eine Idee, wie das Album klingen würde, kriegte
man nicht. Und so durfte man weiter Träumen.
Wirklichkeit
Die Wirklichkeit aber war traurig. Sting verbrachte den September
in seinem Haus in der Toskana, wo er für das exklusive
Konzert vom 11. September, das er vor 200 geladenen Gästen
geben wollte, probte. So war die Band beim nachmittäglichen
Soundcheck, als die ersten Nachrichten aus den USA eintrafen.
Sting und seine Band verfolgten wie der Rest der Welt die
Ereignisse. Die Musiker setzen sich zusammen und beratschlagten,
ob sie das Konzert verschieben wollten. Stings amerikanische
Bandmitglieder antworteten ihm, dass die Telefonleitungen
in die USA sowieso zusammengebrochen wären, und sie mit
der Musik ihre Sorgen um die Angehörigen zumindest für
den Moment vergässen. Sting stellte es aber jedem einzelnen
frei, zu spielen. Cheb Mami, der algerische Rai-Sänger,
mochte nicht mehr auftreten, Desert Rose fiel aus dem
Programm, ebenso Englishman in New York.
Am Abend trat Sting vor das Publikum und erklärte, dass
er angesichts der schrecklichen Ereignisse des Tages das Set
umgestellt hatte. Er begann mit Fragile, welches er
allen Opfern dieses Tages gewidmet hatte. Sichtlich bewegt
eröffnete er das Konzert mit seiner sonst üblichen
Schlussnummer. Die Musiker sind alles Profis, von den Ereignissen
des Tages zeugt nur die zumeist unterkühlte Stimmung.
Die so genannten All New Versions sind so neu gar nicht. Mit
Freude nimmt man zur Kenntnis, dass Sting endlich, endlich
wieder jazziger wurde. Etwas, was man sich bei seiner Brand
New Day Tour und der Sommer Tour dieses Jahres schon gewünscht,
sich aber auch angekündigt hatte. So spielte Sting bei
beiden Zürcher Konzerten (2000/resp. 2001) Bring On
The Night wie es auf dem gleichnamigen Livealbum von 1986
zu hören war, mit einer groovigen Jazzimprovisation.
Perfect Love Gone Wrong, All This Time und Brand New
Day erhielten ein Jazzarrangement, während Mad
About You, Moon Over Burbon Street ihre Jazzphrasierungen
behielten. Dienda, ein Instrumentalstück des kürzlich
verstorbenen Kenny Kirkland, welcher Sting so oft begleitet
hatte, erhielt vom Maestro Summner einen Text verpasst.
Das seltsamste Stück auf All This Time ist und
bleibt Fragile. Klammert man den tragischen Hintergrund
von 9/11 aus, so hat man ein langsames Stück mit viel
Keyboardfanfaren, das im Mittelteil in ein verklemmtes Latinstück
übergeht. Für einmal ist Sting der Stilmix gründlich
misslungen. Ebenfalls nichts auf dem Album zu suchen hätte
The Hounds Of Winter, das live gleich schwach ist wie
auf Mercury Falling. I'm So Happy I Can't Stop Crying
oder Let Your Soul Be Your Pilot wären aber angesichts
der eben durch Flugzeuge zum Einsturz gebrachten Zwillingstürme
zynisch gewesen.
Sich die
Aufnahmen des Konzertes anzusehen, sei es das TV Special oder
als Video, lohnt sich. Die Band spielt auf einer kleinen Bühne.
Die Beleuchtung kommt von farbigen Glühbirnen. Das ganze
ist filmisch sehr schön aufgenommen. Veröffentlicht
wird All This Time als CD sowie DVD und Video und wurde
als TV Special ausgestrahlt. Promotet wird das Album mit Your
Favourite Sting & The Police Tracks, die alle neu
eingespielt wurden. Woher zum Geier will Vivendi Universal
meine liebsten Sting & The Police Songs kennen, wenn
Desert Rose, Sister Moon oder I Miss You Kate fehlen?
Aber das ist eine andere Geschichte.
Sting
bei Live At Sunset im Hof des Zürcher Landesmuesums am
22. Juli 2001, Foto: sting.com
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Tracklisting
Fragile
A Thousand Years
Perfect Love...Gone Wrong
All This Time
The Hounds Of Winter
Mad About You
Don't Stand So Close To Me
When We Dance
D ienda
Roxanne
If You Love Somebody (Set Them Free)
Brand New Day
Fields Of Gold
Moon Over Bourbon Street
If I Ever Lose My Faith In You
Every Breath You Take
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