ybr:
Sind Pressekonferenzen Events?
mmp: Ja, das sind sie ganz sicher. Sie sind sogar einer
der wenigen Unternehmensanlässe, bei dem sich eine Firma
auf höchster Ebene institutionalisiert mit wichtigen
Anspruchsgruppen trifft, seien dies Medienvertreter oder so
genannte Analystenkonferenzen, was oft gekoppelt wird. Beide
Zielgruppen sind wichtige Multiplikatoren, welche die Leistungen
des Managements bewerten.
Pressekonferenzen sind auch deshalb zentrale Events, weil
die Kommunikationsleistung per se einen immer wichtigeren
Faktor in der Beurteilung von Unternehmen und Managern darstellt.
An Pressekonferenzen zeigt sich, wie geübt und kunstfertig
ein Management die zentralen Botschaften der Firma kommunizieren
kann.
ybr: Wie sieht der Ablauf einer «normalen»
Bilanzpressekonferenz aus?
mmp: Möglichst kurz sollte er aussehen. Die zu
vermittelnde Botschaft sollte kompakt verpackt werden. Man
muss sich die Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppen
vor Augen halten. Die Journalisten, die an einem Anlass teilnehmen,
absolvieren jeweils ein Mammutprogramm. Im Frühjahr nehmen
sie an etwa 300 bis 400 Medienkonferenzen teil. Es gibt 300
kotierte Firmen in der Schweiz, wobei noch weitere Unternehmen
Bilanzpressekonferenzen geben. Die Journalisten wollen darum
ganz kurz und kompakt die wichtigsten Informationen vermittelt
bekommen. Wenige Referenten, die in geraffter Form rapportieren,
was geschehen ist. Besonders wichtig ist eine klare Aussage
über die weitere «Reise» zu machen und eine
Standortbestimmung in der quantitativen und qualitativen Zielerreichung
vorzunehmen.
ybr: Was ist die durchschnittliche Anzahl von Journalisten
an Bilanzpressekonferenzen?
mmp: Es gibt drei Gruppen von Konferenzen. Erstens
diejenigen der grossen Multis wie Novartis, Nestlé
oder die UBS, die sicher eine Anzahl von 50 Journalisten ausweisen.
Hinzukommen eine Anzahl von interessanten Wachstumsgesellschaften
wie Phonak oder Jomed, die es vielleicht auf 15 bis 25 Journalisten,
vielleicht gar etwas mehr, schaffen. Zuletzt kommen die vielen
kleinen Gesellschaften, die sogenannten Small Caps, die ohne
spektakuläre Resultate ihr Leben fristen, bei denen sich
Null bis zehn Journalisten an die Medienkonferenz verirren.
Deshalb ist es schwierig, einen Durchschnittswert zu nennen.
ybr: Welche Erwartungen stellen die Medien an die
Unternehmen und was bedeutet dies für uns auf Agenturseite?
mmp: Das Wichtigste ist das Bedürfnis nach geraffter
Information, aber auch der Wunsch nach gleichzeitiger Information
darf nicht vernachlässigt werden. Mit der grossen Anzahl
von Informationen, welche für Börsenkurse relevant
sein können, kann man nicht mehr wie früher die
Journalisten, die an eine Medienkonferenz kommen, bevorzugt
behandeln und denen, die nicht teilgenommen haben, die Dokumentation
im Nachhinein per Fax oder Kurier zukommen lassen. Heute ist
es so, dass man vor Beginn einer Medienkonferenz gleichzeitig
allen Medien die wichtigsten Informationen, zukommen lassen
muss. Dies ist insbesondere ein Bedürfnis der Nachrichtenagenturen,
die in einem harten Konkurrenzkampf stehen. Nur so kann man
gewollte oder ungewollte Bevorzugungen vermeiden. Dies gilt
auch für Vertrauensjournalisten, die gerne gewisse Informationen
vorab hätten. Unsere Politik ist die Gleichbehandlung,
um allen gleichlange Spiesse zur Verfügung zu stellen.
ybr: Was ist das häufigste «Do»
und «Dont» bei Bilanzmedienkonferenzen?
mmp: Das häufigste «Dont» das
mir begegnet ist, dass man zu viel möchte: zu viel Informationen,
zu viele Referenten und in der Masse geht die wichtige Botschaft
unter. Ein wichtiges «Do» ist, dass man sich speziell
auf den Fragenteil vorbereitet. Je kürzer man die Präsentation
hält, desto wichtiger wird die Diskussion danach. Viele
Fragen können nicht durch die erste Präsentation
beantwortet werden. Ein kompakter Fragenteil ist wichtiger
als ein glänzendes Referat. Mit einer guten Vorbereitung
dieses Teiles holt man sich viele Punkte. Dies bedeutet, dass
man sich die kritischen Fragen nicht nur semantisch, sondern
auch mit Zahlenmaterial vorbereitet. Vielleicht produziert
man für die zehn, zwanzig wichtigsten Fragen Folien.
Und man sollte sich im Management absprechen, wer zu welchen
Fragen spricht.
Noch eine Seitenbemerkung: Mir hat einmal ein Analyst gesagt,
dass er bei Konferenzen vor allem auf das Verhältnis
des CEOs und des CFOs während des Fragen- und Antwortteils
achtet. Ein kompakter Eindruck sei ein Indiz dafür, dass
das Unternehmen gut geführt würde.
ybr: Wann ist der Beizug einer Agentur sinnvoll?
Gibt es Unterschiede von Kleinunternehmen zu Grossfirmen à
la UBS?
mmp: Es gibt verschiedene Aufgaben, die eine Agentur
übernehmen kann, wie zum Beispiel für den inhaltlichen
Teil, wie die Referate oder die Frage- und Antwortrunde. Dies
gilt auch für den ganzen Präsentationsteil, wie
man die Botschaften vermittelt. Je grösser die Anzahl
der Teilnehmer, je grösser eine Firma ist, desto öfter
werden Simultanübersetzungen gebraucht, Telefon- oder
Videokonferenzen werden in alle Welt geschaltet, oder die
Medienkonferenz wird ins Internet geladen, was alles klassische
Agenturaufgaben sind. Beim ganzen technischen und logistischen
Apparat mag es sinnvoll sein, einen Spezialisten beizuziehen.
Bei allen drei genannten Bereichen kommt es darauf an, welche
Lust die Firmen aufbringen, dies in eigener Regie durchzuführen.
Es gibt Grossfirmen, bei denen die oberen Kader dies aus dem
Stehgreif können. Dort ist der Beizug einer Agentur höchstens
im Sinne eines Coachings sinnvoll. Angestellte des unteren
und mittleren Kaders, aber auch die höheren Kaderleute,
die weniger geübt sind, können diese Leistungen
einkaufen.
ybr: Allenfalls auch ein Medientraining?
mmp: Genau. Das ist in der Vorbereitung, besonders
zum Fragen- und Antwortkatalog, wichtig. In Medientrainings
übt man den Ernstfall, der glücklicherweise selten
eintrifft.
ybr: Als Aussenstehender habe ich manchmal das Gefühl,
und ich habe es schon so erlebt, dass es für viele Unternehmen
oder Institutionen, wie z.B.das Kinderdorf Pestalozzi, immer
einen enormen Aufwand bedeutet, Journalisten zur Teilnahme
bei einer Medienkonferenz zu bewegen. Täuscht der Eindruck,
dass sich Wirtschaftsjournalisten neben den klassischen Unternehmen
wie eine UBS lieber auf trendy Branchen wie die Biotech-Branche
konzentrieren? Wenn ja, woran liegt das?
mmp: Das Kinderdorf Pestalozzi hat bei vielen Journalisten
Sympathien. Ich glaube, dass sie sich die Frage stellen: «Was
interessiert unsere Leser?» In der Schweiz besitzt rund
ein Drittel der Bevölkerung Aktien und interessiert sich
somit auch dafür, was eine Crédit Suisse oder
eine Novartis für Erfolge und Misserfolge an der Börse
ausweisen. Darum schreiben die Journalisten eher über
solche Unternehmen. Beim Kinderdorf Pestalozzi ist es ähnlich
wie bei einem Small Cap, eine Firma also, die ausser dem Spezialistentum,
meine ich, eher unbekannt ist und in der breiten Bevölkerung
kein Reizwort darstellt. Ich glaube nicht, dass es einen Graben
zwischen Wirtschaft und «Kultur» mit sozialem
Engagement gibt.
ybr: Herrscht eine Übersättigung an Konferenzangeboten?
mmp: Das ist so. Man sieht auch, dass viele Medien
mit der Flut von Unternehmensinformationen überfordert
sind. Das sind nicht nur Pressekonferenzen, vieles kommt heute
in schriftlicher Form. Die regelmässige Berichterstattung
hat dramatisch zugenommen, was ein Erfordernis vieler Börsenplätze
ist. Auch die Schweizer Börse hat vor einem Jahr von
der jährlichen zur halbjährlichen Berichterstattung
gewechselt, was das Informationsvolumen de fakto verdoppelte.
Im New Market ist gar eine Quartalsberichterstattung verlangt,
was eine Vervierfachung bedeutet. Das zwang die Medien, ihre
klassische Unternehmensberichterstattung neu zu überdenken.
Ein Beispiel ist Cash, das heute überhaupt keine
Unternehmensberichterstattung, dafür einen anderen journalistischen
Stil hat. Spezialisierte Wirtschaftstitel haben aufgehört,
den Puls jeder Medienkonferenz zu fühlen. Für die
Firmen heisst das, dass sie neue Wege finden müssen,
um ihre Botschaften an den Mann und an die Frau zu bringen
etwa mittels Finanzanzeigen.
Ein Beispiel, das noch weiter geht, ist in Deutschland. Mit
der Schwemme von Unternehmen, die sich am Neuen Markt kotieren
lassen, haben verschiedene Redaktionen beschlossen, über
diese Firmen überhaupt nicht mehr zu berichten, weil
sie keinen Überblick mehr haben und deshalb nicht mehr
verlässlich aufzeigen können, welche Unternehmen
gut und welche schlecht dastehen. Sie haben quasi eine Informationsverweigerung
gemacht.
ybr: Gibt es für Dich einen absoluten Albtraum
in Bezug auf Pressekonferenzen?
mmp: Es gibt viele Albträume und sie werden immer
auch wieder einmal wahr. Die häufigsten sind technische
Unzulänglichkeiten. Aber es kommt auch vor, dass man
das Gefühl hat, auf ein falsches Datum eingeladen zu
haben oder die Referenten erscheinen nicht. Es zahlt sich
sicher aus, ein Team von erfahrenen Eventorganisatoren dabeizuhaben,
die auch die kleinen Details im Griff haben. Auf diese kommt
es ebenso darauf an wie auf die strategisch klugen Botschaften.
ybr:
Martin, ich danke Dir für das interessante Gespräch.
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Martin Meier-Pfister
Er
schloss 1992 sein Studium in Volkswirtschaftslehre und Soziologie
an der Universität St. Gallen ab. Er sammelte erste
Erfahrungen als Redaktor bei einem Schweizer Wirtschaftsmagazin
und als Junior-Berater bei einer Zürcher Public Relations-Agentur.
1994 wechselte er zur Wirz-Gruppe in Zürich, wo er
als Berater vorab in der Finanzkommunikation tätig
war. Martin Meier-Pfister wurde Anfang Januar 2000 Geschäftsführender
Partner von Wirz Investor Relations AG. Nebenstehendes Gesrpräch
führte Yves Baer mit Martin Meier-Pfister Ende 2000
im Rahmen des Online Dossiers Events , welches auf der Website
der Wirz-Gruppe abrufbar ist.
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