Musicus
Mit Michael Stipe um die Sonne und gegen George Bush
23. September 2004
Zusammen mit Bruce Springsteen gehören REM zu den Headlinern der Vote for Change Kampagne, unpassend dazu das neue Album Around The Sun, welches trotz des Protestes extrem still ist.
Bewertung * * *

REM sind für den Autor immer gleichbedeutend mit unglücklicher Liebe. Waren es seit dem 92er Album Automatic For The People immer Frauen, die zum Zeitpunkt des Erscheinen der neuen REM-Scheibe unereichbar gewesen waren, so sind es bei Around The Sun die alten REM. Diejenigen, deren Melodien süchtig machen, deren Songs einen – wenn auch melancholisch – nicht mehr loslassen. Around The Sun ist leise, bedächtig. Und oberflächlich, obwohl die Lyrics etwas ganz anderes aussagen.

Vorbei sind die Tage von Monster, auf welchem die Gitarren krachten, aber auch von Up, dessen
Melodien nicht mehr loslassen. Und das überrascht, Schliesslich ist Michael Stipe unlängst der Kragen geplatzt und er tourt mit Bruce Springsteen gegen George Bush und für John Kerry. Wenn einem der Kragen platzt, geht das laut vor sich. Und doch, vielleicht ist die leise und besonnene Form des Protestes die bessere als wenn Around The Sun ein wuterfülltes Gitarrenalbum geworden wäre. Konsequent wurden die rockigen Songs nicht aufs Album genommen - diese sollen nächstes Jahr erscheinen.

Unerschrocken gegen Bush anlaufend

In den USA des George W. Bushs ist Protest nicht erwünscht. Nachdem Präsident Al Gore durch einen legalen Staatsstreich entmachtet worden war – die Nachzählungen in Florida wurden schlichtwegs gestoppt, der oberste Gerichtshof entschied für Bush, auch wenn dieser, wie nachträglich herauskam, weniger Stimmen hatte als Gore – und den September-Attentaten 2001 musste die amerikanische Linke zwei Schocks verdauen. Erst nach dem volkerrechtswidrigen Einmarsch im Irak begann sich leiser Protest zu verbreiten. Noch fand Michael Moore keinen Verleih für Fahrenheid 9/11 und die Dixie Chicks wurden beinahe gelyncht. Lou Reed bezeichnete Bushauf seiner Website als Arschloch des Jahres, REM veröffentlichten aus Protest den Song Final Straw (letzter Strohhalm) auf ihrer Homepage, worin sich die Band eine bessere Regierung wünscht.

Final Straw drückte noch Stipes Ohnmacht und Wut aus, beinhaltete aber auch schon die Kampfansage: «Wenn die Welt bloss mit Leuten wie Ihnen gefüllt wäre, würde ich kämpfen.» Den Kampf hat er aufgenommen. Zusammen mit Bruce Springsteen führen REM die Vote for Change Tour an. Die Vote for Change Tour» wäre ein Weckruf, liess sich Peter Buck im Rolling Stone zitieren. Denn diesemal würde es tatsächlich um Leben und Tod gehen. Genau so wie John Kerry wisse, wie die Welt funktioniere, verstehe es George Bush nicht. Als Bush das erste Mal an die Macht gekommen war, hätte er etwas realisiert: «I want my president to be smartet than I am.» Mehr würde Peter Buck nicht verlangen, nur dass sein Präsident schlauer als er wäre.

Deutlicher wird Stipe auf Make It All Okay, worin er Bush vorwirft, die Vergangenheit neu geschrieben zu haben. Er (Bush) habe ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er unnütz wäre und ihn nun trotzdem brauchen würde. Und dass er (Stipe) nicht mit sich Spassen liesse. Es wäre ein langer Weg gewesen, aber selbst wenn er ihm eine Welt offerieren würde, würde er nicht bleiben wollen. Und wenn er ihm den Himmel verspräche, würde er sich abwenden. Es ist nicht beim Song geblieben, Stipe hat sich abgewandt. Unerschrocken singt er mit Springsteen gegen Bush an.

Musikalisches Mittelmass
Inhaltlich war Around The Sun notwendig. Endlich einmal Amerikaner, die Klartext sprechen und die nach dem 11. September geschockten und gelähmten Amerikanern aufzuwecken versucht. Im Gegensatz zu Michael Moore, den man nicht unzensiert geniessen darf, sprechen REM für den urbanen Mittelstand, der unter Wirtschftspolitik der Regierung leidet und sich ernsthafte Sorgen um das Ansehend er USA in der Welt machen. Und sie repräsentieren die Leute, welche nicht andauernd von der Regierung verhöhnt lassen wollen, wenn sie Ihre eigene Meinung äussern.

Dennoch fällt Around The Sun nicht wirklich auf. Leaving New York, die erste Single ist zwar ein radiotauglicher Song, dennoch überzeugt er nicht wirklich. Erschreckend: Michael Stipe, dessen Stimme sonst zu den besseren der Szene gehört, klingt wie Phil Collins. Aber auch die anderen Songs sind zu perfekt abgemischt, das Album hört sich oberflächlich an wie eines von Elton John. Andy Warhol hatte Michael Stipe einmal gesagt, er wäre nichts weiter als ein Pop Star. Eine Bemerkung, die Stipe verletzt hatte, doch mit dem neuen Album scheint Warhol Recht zu kriegen. REM als Popband braucht die Welt nicht. Der letzte Strohhalm: ein weiteres Album im nächsten Jahr, worauf die rockigen Songs zu finden sind ohne dass REM gegen ihren Präsidenten protestieren müssen.

Er greift nach den Sternen und möchte die Sonne vom Himmel runterholen - Michael Stipe während einer Liveperformance von Walk Unafraid im Jahr 2003 - Foto: REMHQ.com

Tracklisting:

Leaving New York
Electron Blue
The Outsiders - feat. Q-Tip
Make It All Okay
Final Straw
I Wanted To Be Wrong
Wanderlust
Boy In The Well
Aftermath
High Speed Train
The Worst Joke Ever
The Ascent Of Man
Aorund The Sun

 

REM
Around The Sun
Warner Music 9342-48911-2

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
www.remhq.com

Weitere Berichte über REM:

Eine Erleuchtung: (Reveal, 2001)