Musicus
Nichts ist real
21. November 2006
George Harrison und Cirque du Soleil Gründer Guy Laliberté teilten die Begeisterung für die Formel 1. So entstand die Idee, aus der Musik der Beatles eine Show des Cirque du Soleils zu kreieren. Der Soundtrack dazu mischten Beatles Produzent George Martin und sein Sohn Gilles von den Originalbändern. Eine Collage, die nicht nur zu überzeugen weiss. Bewertung * * * *1/2

Tritt eine Showgrösse in Las Vegas auf, ist sie in der Regel im Spätnovember ihrer Karriere, wie weiland Elvis Presley belegte. Etwas anders verhält es sich mit den Beatles, die zwar seit dreieinhalb Jahrzehnten getrennt sind, aber dennoch ihr erstes neues Album seit der Anthology 1995/96 veröffentlichen. Es handelt sich nun um den Soundtrack der neuen Cirque du Soleil Show Love, die von den Beatles und ihrer Musik und den Figuren darin inspiriert wurde. Die Show mit der überarbeiteten Musik feierte im Juni in Las Vegas Première. Die nicht ganz alltägliche Zusammenarbeit des kanadischen Zirkus mit den Beatles begann fernab jeglichen Showbusiness. George Harrison und Guy Laliberté, der Gründer des Cirque du Soleil, waren beide begeisterte Motorsportfans. Ihre Leidenschaft für schnelle Autos führte zu einer tiefen Freundschaft. Als dann die Idee einer Kollaboration auftauchte, wurde ziemlich bald Beatlesproduzent George Martin angefragt, einen rund anderthalb stündigen Soundteppich zur Show zusammenzustellen. Dabei durfte er sämtliche Mehrspuraufnahmen, welche die Beatles je aufgenommen hatten, verwenden. Ein Angebot, das er kaum abschlagen konnte. Und so kriegten die Beatles ihr Remixalbum, sieht man von der Let It Be Naked-Veröffentlichung ab.

Für den harten Kern der Beatlesfans war schon die digitale Remasterung der Originalbänder für die CD anno 1987 ein Sakrileg. Und selbst wenn man weit weniger fundamentalistisch eingestellt ist und die Veröffentlichungen wie die Anthology-Serie oder den Yellow Submarine-Songtrack genoss, weil sie klanglich neue Meilensteine gesetzt hatten, steht man dieser Veröffentlichung kritisch entgegen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob man das überhaupt darf, denn die Show hätte auch mit dem bereits veröffentlichten Material bestens funktioniert. Viel mehr geht es um die Problematik des Remixes. Normaleweise sind Remixe eine brachiale Variante, einen guten Song zu ruinieren um ihn für die Tanzflächen der Welt zurecht zu biegen, weshalb oft ein fetter Beat und irgendwelche Technorhythmen darüber gemischt werden. Mit dem achtzigjährigen George Martin hat man die Gewähr, dass die Songs nicht vergewaltigt werden. Auf der anderen Seite produzierte Martin vor vier Jahrzehnten die Musik und es ist fraglich, ob er genug radikal ans Werk geht, um etwas Spannendes entstehen zu lassen.

Die Beatlesretrospektive für 20 Minutenleser

Die Songs wurden denn auch von George Martin und seinem Sohn Gilles nicht remixed, sondern ganz in klassischer Beatlesmanier in ihre Einzelteile zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. So erhält Drive My Car das Gitarrensolo von Taxman, Yesterday kriegte das Gitarrenspiel von Blackbird voran gestellt oder das Streicherarrangement von Eleanor Rigby kommt mit sämtlichen Elementen, in anderer Reihenfolge wieder daher und setzt im Song neue Akzente an ungewohnten Stellen. Während man sich bei Help! fragt, was überhaupt geändert wurde, ausser dass einem der Song in nie gehörter Reinheit, als 5.1 Souroundabmischung aus den Boxen entgegenschallt und man sich mitten im Aufnahmestudio wähnt. Einzig die Streicherbegleitung, die George Martin zur Akkustikversion von While My Guitar Gently Weeps in diesem Frühjahr komponiert hat, stammt nicht aus dem Fundus der 60er-Jahre.

Man würde George Martin unrecht tun, ihm vorzuwerfen, nicht radikal genug zuwerke gegangen zu sein. Bei der ersten Hörprobe des fertigen Soundtracks startete er mit Hey Jude, worüber er einen Reaggerhythmus gemischt hatte. Paul McCartney war ziemlich schockiert gewesen und hatte zuerst nicht realisert, dass sich Martin einen Scherz mit ihm erlaubt hatte. An manchen Stellen vermisst man dann aber genau diese Radikalität in den Remixes. Doch war es wohl auf das Ganze gesehen sogar gut, dass sich Martin selber auf die bis 1996 mit der Beatles-Anthology veröffentlichten Versionen der Songs beschränkt hatte. Gerade die auf Gitarre und eine Streicherstimme reduzierte Anthologyversion von Strawberry Fields Forever, in dessen Ausklang Elemente von Penny Lane, Sgt. Pepper, Piggies, In My Life, und Hello Goodbye hinein gemischt wurden, zeugt davon, dass man mit dem Bestehendem ein sehr stimmungsvolles Bild erzeugen kann. Und man kann dabei John Lennons Vorwurf aus den 70er-Jahren, Paul McCartney und George Martin hätten mit ihren psychodelischen Spielereien seinen zarten Song ruiniert, bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Doch nicht immer haben Vater und Sohn Martin ein glückliches Händchen gehabt, sonst hätten sie nämlich davon abgelassen, Goodnight, mit der unfertigen Fassung von Octopus’s Garden zu mischen. Aber eben, auf jede Beatlesplatte gehört halt ein Song, der von Ringo Starr gesungen wird.

Über die gesamte Länge des Albums hin, muss man George und Gilles Martin zugestehen, dass sie einen guten Job gemacht haben. Man wird Stunden damit verbringen, herauszufinden, aus welchen Songs überall die Soundfetzen stammen. Den Zwiespalt dem Album gegenüber wird man dennoch bis zum Schluss aus zwei Gründen nicht los. Da es sich um eine CD oder um eine Audio-DVD in 5.1. Sourroundabmischung handelt, sieht man zum einen die Artisten nicht, welche die ganze Collage mit ihren visuellen Darbietungen zu einem Gesamtkunstwerk verweben. Und zweitens machen einem die in der modernsten Technik abgemischten Songs giggerig darauf, den gesamten Beatleskatalog in 5.1 Sourround zu hören. Doch die gesamte klangliche Überarbeitung wurde 1987 veröffentlicht. Und so klaffen nun Beatleskatalog hörbare Qualitätsunterschiede. Aber als Schnellbleiche einer Beatlesretrospektive für 20 Minutenleser eignet sich Love allemal, da neben den unsterblichen Hits auch ein paar unbekanntere Melodien zu finden sind.



Ein Kostümentwurf des Cirque du Soleil. Foto: thebeatles.com

Tracklisting

Because
Get Back
Glass Onion
Julia (Transition)
I Am The Walrus
I Want To Hold Your Hand
Drive My Car/The Word/What You'Re Doing
Gnik Nus
Something
Blue Jay Way (Transition)
Being For The Benefit Of Mr. Kite/ I Want You/Helter Skelter
Help!
Blackbird/Yesterday
Strawberry Fields Forever
Within You Without You/Tomorrow Never Knows
Lucy In The Sky With Diamonds
Octopus's Garden
Lady Madonna
Here Comes The Sun
The Inner Light (Transition)
Come Together/Dear Prudence/Cry Baby Cry (Transition)
Revolution
Back In The U.S.S.R
While My Guitar Gently Weeps
A Day In The Life
Hey Jude
Sgt Peppers Reprise
All You Need Is Love

 

 

 

 

   
The Beatles
Love

Parlophone 3 79808 2
   

Links:

wwwthebeatles.com

 Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk
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