Musicus
Gorillaz im Nebel
19. Mai 2005
Die Gorillaz – Damon Albarns Nebenprojekt, erste virtuelle Band und der globale Hype des Jahres 2001 – sind mit einem vermeintlich entspannten Album zurück. Nicht bloss die Musik hat sich verändert, auch die Zeiten sind nicht mehr dieselben. Weshalb sich der Hype kaum wiederholen wird. Bewertung * * *1/2

Es war ungewöhnlich, was sich dieses Frühjahr abgespielt hatte: Die Ankündigung von EMI Records, dass sich die neuen Alben von Coldplay und den Gorillaz verzögern und nicht mehr im alten Finanzjahr (welches Ende März endete) veröffentlicht werden würden, liess den Ak-tienwert des einst grössten Plattenlabels der Welt um 16% einstürzen. 337 000 000 £ wurden von irrationalen Börsianern aufgrund einer Gewinnwarnung vernichtet. Die Raubtier-Kapita-listen scheinen nun auch im knallharten Musikbusiness Fuss gefasst zu haben. Dass Damon Albarn, zumindest in nackten Zahlen ausgedrückt, nun zu den berüchtigsten Musikern gehört, mag erstaunen. Doch passt die Geschichte zum unglaublichen Hype, der vor vier Jahren um die Gorillaz aufgebaut worden war. Ein Hype, der noch immer in den Köpfen (nicht bloss der Börsianer) nachlebt. Doch es würde einem nicht wundern, wenn EMI Records erneut gezwungen sein wird, eine Gewinnwarnung auszusprechen, weil sich Demon Days, wie das neue Album der Gorillaz heisst, ordentlich, aber eben unter den Erwartungen verkaufte.

Déjà-Vues, Ironie und Langeweile
«Jede grosse Band wird durch ihren Erfolg zerstört, Cartoonbands bilden keine Ausnahme», lässt sich die Comicfigur und Band-Gitarristin Noodle (anno 2001 10-jährig) im Gorillaz-Heft Fire Coming Out Of The Monkeys Head zitieren. Ein ironisches Zitat zwar, das auf das Album zutrifft, denn Gorillas sind Raubtiere und diese rauben sich ihre Beute zusammen, auch wenn Sampling in gewissen musikalischen Kreisen zum guten Ton gehört. Die Single Feel Good Inc. erinnert erschreckend an den Mittelteil von Staring At The Sun von U2. Zudem ist der Song nach dem gleichen Strickmuster gestrickt, wie seinerzeit Clint Eastwood: poppiger Refrain und belangloser Rap, der vergessen geht. Diesmal ist es De La Soul, der schon auf letztem REM-Album eher für gepflegte Langeweile gesorgt hatte. Der Song Dirty Harry erinnert nicht bloss im Titel augenzwinkernd an der Megaseller der Gorillaz von 2001, im Refrain hat sich Damon Albarn selbst abgekupfert: Text und Melodie sind identisch mit Need A Gun ab seinem letzt-jährigen Soloalbum DemoCrazy. Zu gute halten kann man Albarn, dass er sein Album mit Demoversionen unveröffentlichter Songs, die er während der Think Tank Tour von Blur im Sommer 2003 in den Hotelzimmern aufgezeichnet hatte, bloss in 5000 Stück veröffentlicht hatte. Need A Gun, auf DemoCrazy eines der wenigen in Erinnerung bleibenden Fragmente, wurde für Dirty Harry mit einem Kinderchor und Kinderlachen ergänzt. Kein schwarzer Humor, sondern bitterer Ernst und Abbild der Realität, wie sich Albarn in den zurzeit raren Interviews zitieren lässt.

Im Gespräch mit dem Musikexpress bezeichnete Damon Albarn die Gorillaz als seinen persönlichen Think Tank. Ironischerweise hiess das letzte Album von Blur genau gleich. Mit dem Blur-Album hatte Damon Albarn an das Debutalbum der Gorillaz angeschlossen. Je länger Think Tank dauerte, desto mehr wurden die Songs in ihre Einzelteile zerlegt, man hatte das Gefühl, dass die Teile nacheinander statt übereinander abgemischt waren. Mit Demon Days schliesst Damon Albarn den Bogen zum Blur-Album wieder, eigentliche Songs im klassischen Muster gibt es nicht mehr. Demon Days ist ein weiterer Einblick in Damon Albarns musikalisches Skizzenbuch. Hits wie Clint Eastwood, Rock Da House oder Tomorrow Never Comes fehlen auf Demon Days. Dem Konzept mit den Comicfiguren Russel, Murdoc, 2D und Noodle als Bandmusiker und berühmten Gastsängern blieben die Gorillaz aber treu: Anstelle von Ibrahim Ferrer sind es nun Neneh Cherry, Denis Hopper und De La Soul.

Weshalb der Hype ausbleiben wird
Der Gorillazhype von 2001, bei dem von der Frauenzeitschift über das Automagazin zur Wirtschaftzeitung alle Medien über die Band schrieben, wird 2005 aller Voraussicht nach ausbleiben. Was vor vier Jahren noch neu war, reisst heute niemanden mehr vom Hocker. Damals hatten Werber und Journalisten während Jahren behauptet gehabt, dass sich das Feierabendbier im Kühlschrank über das Internet temperieren lasse. Das Gorillaz-Konzept funktionierte nach diesem Strickmuster. Unterdessen ist die IT-Börsenblase geplatzt, zu viele, die zu schnell reich geworden waren, sind über Nacht wieder verarmt. Wohl überlebten die Feel Good Band Gorillaz den globalen Schock nach den Septemberattentaten in den USA. Doch um zeitkritische Inhalte zu transportieren, wie das Damon Albarn mit Demon Days wollte, sind die Cartoonfiguren von Zeichner Jamie Hewitt das falsche Vehikel. Zeitkritisch kann Albarn mit Blur sein. Oder mit seinem weiteren Soloprojekt Mali Music, von dem im nächsten Jahr das zweite Album erscheinen sollte. Wiederum eingespielt mit Musikern aus Mali. In der Zwischenzeit, so geht das Gerücht, wollen die Gorillaz die Leinwand mit einem Zeichentrickfilm erobern. Wer weiss, vielleicht ist Demon Days das Soundtrack-Album dazu, denn streckenweise klingt es danach.

Die Gorillaz von hinten: 2-D, Noodle, Murdoc und Russel. Weshalb erinnert das Cover (oben links) so an Let it Be von den Beatles?

Tracklisting:

Intro
Last Living Souls
Kids With Guns
O Green World
Dirty Harry
Feel Good Inc.
El Manana
Every Planet We Reach Is Dead
November Has Come
All Alone
White Light
Dare
Fire Coming Out Of A Monkeys Head
Don't Get Lost In Heaven
Demon Days

 

Gorillaz
Demon Days
Parlophone

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
www.gorillaz.com
www.blur.com

Weitere Artikel von Yves Baer zu Damon Albarn:

Damon, der Gorilla (Gorillaz, Gorillaz, 2001)
Vernebelte Gorillas (Blur, Think Tank, 2003)
DemoCrazy (Damon Albarn, Demo Crazy, 2004)

und in Kürze:
Porträt über Damon Albarn als Special