Es war ungewöhnlich,
was sich dieses Frühjahr abgespielt hatte: Die Ankündigung
von EMI Records, dass sich die neuen Alben von Coldplay und
den Gorillaz verzögern und nicht mehr im alten Finanzjahr
(welches Ende März endete) veröffentlicht werden
würden, liess den Ak-tienwert des einst grössten
Plattenlabels der Welt um 16% einstürzen. 337 000 000
£ wurden von irrationalen Börsianern aufgrund einer
Gewinnwarnung vernichtet. Die Raubtier-Kapita-listen scheinen
nun auch im knallharten Musikbusiness Fuss gefasst zu haben.
Dass Damon Albarn, zumindest in nackten Zahlen ausgedrückt,
nun zu den berüchtigsten Musikern gehört, mag erstaunen.
Doch passt die Geschichte zum unglaublichen Hype, der vor
vier Jahren um die Gorillaz aufgebaut worden war. Ein Hype,
der noch immer in den Köpfen (nicht bloss der Börsianer)
nachlebt. Doch es würde einem nicht wundern, wenn EMI
Records erneut gezwungen sein wird, eine Gewinnwarnung auszusprechen,
weil sich Demon Days, wie das neue Album der Gorillaz
heisst, ordentlich, aber eben unter den Erwartungen verkaufte.
Déjà-Vues, Ironie und Langeweile
«Jede grosse Band wird durch ihren Erfolg zerstört,
Cartoonbands bilden keine Ausnahme», lässt sich
die Comicfigur und Band-Gitarristin Noodle (anno 2001 10-jährig)
im Gorillaz-Heft Fire Coming Out Of The Monkeys Head
zitieren. Ein ironisches Zitat zwar, das auf das Album zutrifft,
denn Gorillas sind Raubtiere und diese rauben sich ihre Beute
zusammen, auch wenn Sampling in gewissen musikalischen Kreisen
zum guten Ton gehört. Die Single Feel Good Inc.
erinnert erschreckend an den Mittelteil von Staring At
The Sun von U2. Zudem ist der Song nach dem gleichen Strickmuster
gestrickt, wie seinerzeit Clint Eastwood: poppiger
Refrain und belangloser Rap, der vergessen geht. Diesmal ist
es De La Soul, der schon auf letztem REM-Album eher für
gepflegte Langeweile gesorgt hatte. Der Song Dirty Harry
erinnert nicht bloss im Titel augenzwinkernd an der Megaseller
der Gorillaz von 2001, im Refrain hat sich Damon Albarn selbst
abgekupfert: Text und Melodie sind identisch mit Need A
Gun ab seinem letzt-jährigen Soloalbum DemoCrazy.
Zu gute halten kann man Albarn, dass er sein Album mit Demoversionen
unveröffentlichter Songs, die er während der Think
Tank Tour von Blur im Sommer 2003 in den Hotelzimmern
aufgezeichnet hatte, bloss in 5000 Stück veröffentlicht
hatte. Need A Gun, auf DemoCrazy eines der wenigen
in Erinnerung bleibenden Fragmente, wurde für Dirty
Harry mit einem Kinderchor und Kinderlachen ergänzt.
Kein schwarzer Humor, sondern bitterer Ernst und Abbild der
Realität, wie sich Albarn in den zurzeit raren Interviews
zitieren lässt.
Im Gespräch mit dem Musikexpress bezeichnete Damon Albarn
die Gorillaz als seinen persönlichen Think Tank. Ironischerweise
hiess das letzte Album von Blur genau gleich. Mit dem Blur-Album
hatte Damon Albarn an das Debutalbum der Gorillaz angeschlossen.
Je länger Think Tank dauerte, desto mehr wurden
die Songs in ihre Einzelteile zerlegt, man hatte das Gefühl,
dass die Teile nacheinander statt übereinander abgemischt
waren. Mit Demon Days schliesst Damon Albarn den Bogen
zum Blur-Album wieder, eigentliche Songs im klassischen Muster
gibt es nicht mehr. Demon Days ist ein weiterer Einblick
in Damon Albarns musikalisches Skizzenbuch. Hits wie Clint
Eastwood, Rock Da House oder Tomorrow Never Comes
fehlen auf Demon Days. Dem Konzept mit den Comicfiguren
Russel, Murdoc, 2D und Noodle als Bandmusiker und berühmten
Gastsängern blieben die Gorillaz aber treu: Anstelle
von Ibrahim Ferrer sind es nun Neneh Cherry, Denis Hopper
und De La Soul.
Weshalb der Hype ausbleiben wird
Der Gorillazhype von 2001, bei dem von der Frauenzeitschift
über das Automagazin zur Wirtschaftzeitung alle Medien
über die Band schrieben, wird 2005 aller Voraussicht
nach ausbleiben. Was vor vier Jahren noch neu war, reisst
heute niemanden mehr vom Hocker. Damals hatten Werber und
Journalisten während Jahren behauptet gehabt, dass sich
das Feierabendbier im Kühlschrank über das Internet
temperieren lasse. Das Gorillaz-Konzept funktionierte nach
diesem Strickmuster. Unterdessen ist die IT-Börsenblase
geplatzt, zu viele, die zu schnell reich geworden waren, sind
über Nacht wieder verarmt. Wohl überlebten die Feel
Good Band Gorillaz den globalen Schock nach den Septemberattentaten
in den USA. Doch um zeitkritische Inhalte zu transportieren,
wie das Damon Albarn mit Demon Days wollte, sind die
Cartoonfiguren von Zeichner Jamie Hewitt das falsche Vehikel.
Zeitkritisch kann Albarn mit Blur sein. Oder mit seinem weiteren
Soloprojekt Mali Music, von dem im nächsten Jahr
das zweite Album erscheinen sollte. Wiederum eingespielt mit
Musikern aus Mali. In der Zwischenzeit, so geht das Gerücht,
wollen die Gorillaz die Leinwand mit einem Zeichentrickfilm
erobern. Wer weiss, vielleicht ist Demon Days das Soundtrack-Album
dazu, denn streckenweise klingt es danach.
Die Gorillaz
von hinten: 2-D, Noodle, Murdoc und Russel. Weshalb erinnert
das Cover (oben links) so an Let it Be von den Beatles?
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Tracklisting:
Intro
Last Living Souls
Kids With Guns
O Green World
Dirty Harry
Feel Good Inc.
El Manana
Every Planet We Reach Is Dead
November Has Come
All Alone
White Light
Dare
Fire Coming Out Of A Monkeys Head
Don't Get Lost In Heaven
Demon Days
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