Ein Treffen
mit den Mitgliedern von Franz Ferdinand ist als ob man ein
paar gute Kumpels trifft und viel lacht. Zwar wäre man
mit Mastermind Paul Kapranos und Bassist Robert Hardy verabredet
gewesen. Besonderer Umstände wegen setzen sich dann Gitarrist
und Keyboarder Nick McCarthy und Drummer Paul Thomson an den
Tisch. Sofort ist man mit Nick McCarthy in ein angeregtes
Gespräch verwickelt, während Paul Thomson das ganze
Interview hindurch interessiert das RockStar Magazin studiert und dann doch den Hauptpart des Gesprächs mit
seinem breiten nordenglischen Akzent bestreitet. Von Grössenwahn
ist bei Franz Ferdinand (noch) keine Spur zu spüren,
die Jungs sind nach fast zwei Jahren Franzmania noch sich
selbst geblieben. Als Nick am Ende des Gesprächs das
CD Cover ihres Debütalbums mit seinem Autogramm verschönert
hat, steht er auf und legt sie Paul und Bob beim Nachbartisch
zum signieren hin unbesehen, dass diese gerade selbst
ein Inti geben. Man merkt es ihnen an, sie haben noch immer
Spass an der Sache.
Seit wenigen Minuten ist es ruhig im Backstagebereich des
Paleéofestivals, die Grande Scène wird für
Starsailor umgebaut, bevor dann um Mitternacht Franz die Menge
begeistern wird. Ob das vorhin Rammstein gewesen wären,
erkundigt sich Paul. Während man ihm erklärt, dass
das Luke gewesen waren, schaut er die Fotos des jüngsten
Gerichts an. Über Nummer 10 muss er lachen und schiebt
Nick das Heft hin.
yb: Ja, das ist Master Luke, unser Chef.
Nick: Haariger Typ, dein Chef! (lacht) Ich mag Chewbacca.
Schade, dass ihr unser Star Wars Special verpasst habt...
Paul: Aber nachher spielen Rammstein? Die möchte
ich unbedingt sehen.
Nein, danach spielen Starsailor. Rammstein kommen morgen.
Paul: Schade. Rammstein sind eine heisse Band.
Franz und die Schweiz
Ganz zu Beginn des Gepräches, in der Bewaffnungsphase
mit Mikrofon positionieren und Soundcheck der Minidisc, befindet
es Nick es für cool, dass ihr Debütalbum in der
ersten Ausgabe des RockStar Magazine besprochen worden
war und Paul lässt sich begeistert vernehmen: «Hey,
thats an Eisbär on the cover.» Etwas ratlos
studiert er ein im Heft abgebildetes Cover.
Paul: Aber das ist nicht das richtige Cover. Oder doch?
Meines sieht nicht so aus.
Nick: Welches Cover?
Paul: Dasjenige von Eisbär.
Nick: Hier hat es doch einen Eisbär drauf.
Paul: Nicht dieses hier. Meines.
Du meinst den Song Eisbär?
Paul: Ja, ein absolut cooler Song, so von Ende der
70er-Jahre. Ich habe ihn kürzlich entdeckt. Wie hiess
die Band nochmals?
Grauzone
Paul: Ja, Grauzone. Ich liebe diesen Song!
Das ist ein Schweizer Song. Stephan Eicher singt ihn noch
heute an seinen Konzerten. Hörst du noch weitere Schweizer
Bands?
Paul: Ja. Neben Grauzone fahre ich auf Lilliput und
Kleenex ab. Kennst du die?
Ja, die wurden vor ein paar Jahren neu aufgelegt.
Nick: Aber das ist nicht das Cover von Eisbär?
Paul: Nein, auf diesem Cover ist ein Eisbär zu
sehen.
Nick: Was liest du denn da?
Paul: Die 100 schlechtesten Schweizer Bands. Ja, das
Cover mit dem Eisbär ist wirklich hässlich.
Testen wir dich doch gleich: worum geht es in Eisbär?
Paul: Ich möchte ein Eisbär sein, am Polar.
Weil ein Eisbär keinen Schmerz kennt.
Sehr gut
Paul wendet sich Nick zu.
Paul: Ich spreche immer von Eisbär, weil
ich das englische Wort dafür vergessen habe. Welches
ist der englische Ausdruck für Eisbär?
Nick: (überrascht) Den englischen Ausdruck für Eisbär? Du meinst Polarbear?
Paul: Ja, polarbear! Das war es.
Nicks Verblüffung ist verständlich, denn eigentlich
ist er derjenige, der in München aufgewachsen ist und
nicht Paul. Während sich Paul darüber wundert, dass
er den Ausdruck Polar Bear vergessen hat, fragt Nick in der
Hoffnung, dass der Autor nichts davon mitkriegt hat, völlig
belanglos, woher er denn käme.
Aus Zürich.
Nick: Das ist eine sehr schöne Stadt!
Ihr habt letztes Jahr in Zürich gespielt. Habt ihr
noch irgendwelche Erinnerungen daran?
Nick: Ja, es war ein ziemlich cooler Club (Das Abart,
ed).
Paul: Ja, die Ambiance des Clubs war speziell. Vor
allem das Ding, das die Fans immer gemacht haben.
Er streckt die Arme aus und imitiert eine La-Ola-Welle.
Nick: Ja, das war lustig!
Paul: So was habe ich zuvor noch nie gesehen.
Nick: Und die Mädchen. Die waren auch cool. (lacht)
Franz und das Geschäft
Ihr seid oft Auf Achse.
Nick: (lacht) Oh ja!
Ist es mehr Stress oder Spass für Euch? Habt ihr Zeit
für Sightseeing oder ist es bloss business as usual?
Nick: Es ist oft business as usual. Wir versuchen aber
immer, einen Spaziergang durch die Städte zu machen.
Der interessante Teil am Touren ist es, während eines
Spaziergang die Vibes einer Stadt zu spüren. Hier (in
Nyon) ist die Landschaft unglaublich, wir waren vorhin im
See schwimmen.
Was ist das beste am Touren?
Paul: Das wichtigste sind die Konzerte. Und ich denke,
das können wir am besten neben Platten aufzunehmen.
Die Welt sehen und interessante Leute zu treffen ist das Zweitbeste.
Nick: Und jeden Abend eine Party schmeissen. (lacht)
Ihr seid innert kürze sehr gross geworden. War es
ein Vorteil für Euch, alle guten und schlechten Momente
gemeinsam als Team und nicht als Einzelmaske zu erleben?
Nick: Gute Frage
Paul: Ja, es ist gut, dass wir als Band erfolgreich
wurden. So können wir uns gegenseitig auf dem Boden behalten.
Wir konnten mit jemandem unsere Erfahrungen austauschen.
Nick: Es war aber auch gut zu feiern! Als Gruppe kannst
du bei jedem Erfolg gleich eine kleine Party veranstalten.
Aber es funktionierte auch umgekehrt. Ich kann mir nicht vorstellen,
alleine zu sein. Ich wäre verrückt geworden.
Wie wichtig sind Singles für Euch?
Nick: Sehr wichtig.
Ihr verkauft also Euer Album klassisch über die Single.
Dabei werden in den USA keine Singles mehr verkauft.
Nick: Stimmt, die Amis kümmern sich nicht um Singles.
Aber ich glaube, wir hatten dennoch zwei drüben. In den
60er- und 70er- Jahren war das ganze Geschäft auf Singles
aufgebaut. Und heute sind es Albums. Aber ich glaube, mit
dem Musikdownloads kommen sie wieder zurück. Denn du
lädst bloss den Song runter, der dir gefällt. Wenn
dir alle Songs gefallen, lädst du das Album runter. Jeder
unserer Songs ist eigentlich eine Single. Das ist ein Teil
unseres Erfolgs.
Ich kaufe die Singles wegen den B-Seiten.
Nick: Ja! Und unsere Singles haben welche!
Paul: Ich bin auch ein B-Seiten-Enthusiast. Es ist
auch praktisch. Die B-Seiten erlauben dir als Band auch, eine
Coverversion oder etwas anderes wie die deutsche Version von
Tell Her Tonight aufzunehmen. Manche unsere Songs entwicklen
sich als B-Seite, weil es verlängerte Jamsessions sind.
Better In Hoboken oder die akkustische Version von
40 sind tolle B-Seiten.
Nick: Wir lieben akkustische Gitarren sehr, so in der
Art wie sie David Bowie gespielt hat. Akkustische Instrumente
sind so rhytmisch! Wenn du sie genug verstärkst. (Lacht)
Franz und das Album
Die ganze Welt brennt auf euer nächstes Album. Man
sagt immer, dass das zweite Album das schwierigste ist. Habt
ihr etwas von dieser Erwartungshaltung gespürt. Wurde
der Druck weitergegeben? Oder seid ihr einfach ins Studio
gegangen und habt ein paar gute Songs aufgenommen?
Paul: Wir standen bei der ersten Platten viel mehr
unter Druck. Die Leute haben dich noch nie gehört. Du
weisst nicht, ob sie deine Musik mögen. Wir haben Glück
gehabt, unsere Platte wollten viele Leute hören. Viele
Leute, welche die erste Platte gekauft haben, werden auch
die zweite kaufen. Ich glaube, wir haben eine bessere Platte
aufgenommen.
Nick: Ich habe es genossen, wieder im Studio zu sein
und neue Songs zu schreiben. Es war ein Nachhausekommen. Und
am Ende, als wir die Aufnahmen hörten, realisierten wir,
dass wir das Songwriting noch immer drauf haben.
Erzählt mir mehr darüber Songwriting: Was ist
zuerst: Die Musik oder die Lyrics? Wie entsteht ein Franz
Ferdinand Song?
Paul: Das ist verschieden.
Nick: Wenn wir zusammen spielen, entwickeln sich daraus
die Melodielinien. Paul und ich singen dann meistens Silben
dazu.
Paul: Es kommt auch vor, dass Paul die Songs komplett
auf seiner akkustischen Gitarre schreibt. Walk Away beispielsweise
hat er über Nacht geschrieben. Aber auch The Fallen. Es kommt auch vor, dass wir über eine Akkordfolge jammen.
Vorhin war die erste Listening Session...
Nick: Yeah, hast du das Album gehört? Ich wäre
gerne dabei gewesen.
Paul: Ja.
Bis auf den zweiten Track Turn It On haben wir das
gesamte Album gehört. Hand aufs Herz. Worum geht es in
diesem Song, dass wir Journis ihn nicht hören dürfen?
Nick: Ihr durftet ihn nicht hören? Warum?
Paul: Der Song ist noch nicht ganz fertig. Wir sind
noch nicht ganz sicher mit ihm. Aber die anderen haben wir
frei gegeben.
Nick: (senkt die Stimme) In Wirklichkeit geht es um
Radios. (lacht)
Vorhin habe ich das Album gehört und in ein paar Wochen
werde ich hoffentlich die Promo haben, um das Album besprechen
zu können. Ihr habt nun die einmalige Möglichkeit,
Euren Schweizer Fans mitzuteilen, welche Message ihr auf dem
Album verbreitet.
Paul: Die Message ist in der Musik.
Nick: Sehr direkt...
Paul: Ja, wir haben über viele Themen geschrieben,
manche tauchen in drei oder vier Songs auf. Aber das Album
hat kein Kernthema.
Nick: Hat dir das Album gefallen?
Ja, sehr sogar. Ich denke dass ihr ein weiteres Nummer
1 Album aufgenommen habt.
Nick: Ehrlich? Glaubst du das?
Paul: Wirklich? Bloss hatten wir noch nie eine Nummer
1.
Echt?
Nick: Nicht in England.
Umso besser, dann habt Ihr die eure erste Nummer 1 aufgenommen.
Nick: Wer weiss... Ich mag es auf jeden Fall und hoffe,
es gefällt den Leuten. Aber der Vorgänger war schon
verdammt gut.
Paul: Wie es auch rauskommt, wir messen die Qualität
eines Songs nicht an seinem Erfolg. Wir sind zu gute Musiker
dafür. |
Guck mal,
welcher Rock Star mit Franz Ferdinand posiert. Büne
Huber mit der September-Ausgabe ders RockStar Magazines,
worin das Interview die Titelstory ist.
|
Franz
und die Covers
Im Internet habe ich gelesen, dass Ihrs wie Led Zeppelin
macht und Euren Alben keinen Titel gebt. Nick lacht anerkennend.
Stimmt das? Nicht mal Franz Ferdinand 2?
Paul: Es ist schwierig, irgend eine Zeile aus dem Album
zu nehmen. Auch 2 passt nicht über alles. Nein,
die Alben unterscheiden sich bloss durchs Artwork.
Das neue hat eine Frau drauf.
Paul: Ja, die Frau und die Farben machen den Unterschied.
Also nennen wir es das Girlalbum.
Nick: Das ist gut.
Paul: Eigentlich musst du es das Neue nennen!
Ich möchte auf Nummer sicher gehen. Sie haben das
Cover vorhin verteilt. So wird es in die Läden kommen?
Nick: Ja, das ist das definitive Artwork. Es gibt kein
Zurück mehr.
Paul schnappt sich das Blatt und die CD ihres ersten Albums
aus dem Dossier des Autors, legt sie nebeneinander und studiert
sie eingehend. Wüsste man es nicht besser, könnte
man glauben, dass man einen Fan vor sich hat.
Paul: Das ist interessant. Das ist das erste Mal, dass
ich die beiden Covers nebeneinander sehe.
Nick: Ich auch. Man kann eine Entwicklung sehen. Die
Farben haben sich leicht geändert, dazu kommt die Frau.
Aber es ist derselbe Schriftzug.
Ich liebe Euer Artwork. Es erinnert mich ans Bauhaus.
Nick: Cool, du magst das? Wir lieben Bauhaus. Aber
auch der russische Konstruktivismus ist eine grosse Inspiration
für uns. Bloss drei Farben und eine Schrift, dafür
unendlich viele Möglichkeiten in der Formensprache.
Paul beginnt unterdessen die Notizen aus der Listening Session
zu lesen und fragt, ob das neben Outsiders Paint
It Black heisst.
Ja. Outsiders erinnerte mich an Paint It Black,
das mit Ennio Moricone gekreuzt wurde.
Paul: Gut, zuerst fragte ich mich, was Police It
Black bedeuten soll.
Nick singt unterdessen das Riff von Paint It Black.
Aber du siehst, ich habe daneben noch Meisterwerk geschrieben.
Paul: Die Morricone-Refernzen führen auf Pablo
(ein Sessionmusiker) zurück, der wollte so ein Reaggemeldoica
Ding spielen. Du bist nicht der erste, der mit Ennio Morricone
kommt.
Nick: Dafür aber mit Paint It Black.
Ferdinands Gerüchteküche
Ihr habt im neuen Harry Potter Film gespielt?
Beide: Nein.
Paul: Wir wurden angefragt, Musik beizusteuern. Aber
zu diesem Zeitpunkt waren wir auf Tour. Wir schoben es auch
auf die lange Bank, weil uns noch nicht alle Leute live gesehen
haben, die möchten.
Habt Ihr Filmprojekte geplant?
Paul: Nein. Noch nicht.
Nick: Wir haben zu viel zu tun.
Richtig. Ihr sammelt ja das Filmmaterial Eurer Fans, um
es auf einer DVD zu veröffentlichen.
Nick: Ja genau.
Paul: Unser Job ist Platten zu machen und Konzerte
zu geben. Ein Film machen wir vielleicht in einem ruhigen
Moment.
Also vorderhand kein Spiceworld oder Hard Days
Night?
Nick: Das wäre cool.
Paul: Hast du den Film über Madness gesehen. Die
Band spielt darin, wie sie sich gefunden haben. Dabei sind
sie grottenschlechte Schauspieler. Das hat mir gefallen. So
was würde ich auch gerne machen.
Ihr habt in Glasgow bei Live8 gespielt?
Nick: Nein, auch nicht wahr. Wir wurden von Bob Geldof
angefragt. Aber unser Bob wurde an dem Tag krank. Es hat nicht
sollen sein.
Wie wichtig ist Tanzmusik für Euch?
Paul: Sehr wichtig. Techno oder tanzbare Musik wie
sie die B52 spielten, brachte uns zum tanzen. Und so kamen
wir mit der Musik in Berührung.
Die nächste Frage ist eine doofe Journalistenfrage:
Nick: Mach nur.
Ich möchte die Wahrheit über Michael wissen.
Ist er bloss ein zielgruppengerechter Song für euer Hauptpublikum,
die Girls oder die nächste Hymne der Gay Community?
Nick lacht, Paul antwortet.: Es ist ein Song über
eine Kollegin von Alex, die sich wie beschrieben in einer
Disco aufgeführt hat. Alex hat danach einen Song über
sie geschrieben.
Nick: Lies einfach daraus, was du möchtest. Wieso
nicht eine Ballade über Michael?
Und zum Schluss, gebt mir einen Tipp. Welches ist der beste
Singlemalt?
Paul: Oh! Also, da ist Lagavullin und Lafroid.
Nick: Ja Lafroid.
Paul. Du musst Lafroid kaufen. Aber direkt beim Distiller.
So weisst du, wie der Geschmack zustande kommt.
Nick: Und alle irischen Whiskeys natürlich.
Cool, dann schlage ich vor, dass wir uns nach dem nächsten
Zürcher Konzert auf einen Lafroid treffen.
Nick: Oh yeah, das machen wir!
Nick McCarthy
(links) und Paul Thomson rechts, bei der Lektüre des
RockStar Magazines, für welches Yves Baer sie interviewt
hat. |
Das besprochene
Album Cover. Die Rezension des Albums folgt separat in Musicus. |