Musicus
Von Bienen und Bären
16.Februar 2005
Ihre Autobiographie bezeichnet sie als Backstagepass zu ihrem Prozess. Für Tori Amos sind Songs ebenso Personen wir ihr Klavier, das Bösendorfer, das sich in die Hammond-Orgel verliebt hat. Ihr Album unterteilte sie in sechs Gärten. Das RockStar Magazin empfing sie im darauf enthaltenen Greenhouse Garten.

Das RockStar Magazine gibt es seit einem Jahr. Für mich ist der Journalismus mein Hobby.
Ehrlich? Das gibt es bei vielen jungen Zeitschriften so. Aber es ist ein grossartiges Magazin. Ihr macht einen guten Job.

Danke. Ich kenne die Medienbranche, weil ich als PR-Berater arbeite und die Zeitungen füttere. Magst du die Schweiz?
Ich liebe es in alten Städten zu sein. Ich erinnere mich wie ich in den frühen 90er-Jahren durch die Zürcher Altstadt spaziert bin. Wieder hier zu sein, wenn es schneit, versetzt mich in eine andere Zeit, es kann vor zweihundert Jahren gewesen sein, es kann morgen sein. Wenn ich in der Zürcher Altstadt bin, scheint die Zeit still zu stehen.

Einige spezielle Erinnerungen an die Schweiz?
Spielen. Ich gab ein paar Konzerte. Hier war es ein Konzertsaal, worin sonst klassische Musik gespielt wird.
Wohl das Kongresshaus.
Ich erinnere mich, dass es sehr sakral war. Ich empfand die Ambiance wie in einer Kirche. Ich erinnere mich an Genf und an das Jazz Festival Montreux. Es gibt spezielle Momente in diesen Konzerten die du ins Herz schreiben kannst.

Ich habe gelesen, dass du nur mit deinem Klavier auf Tournee gehst...
Und die Orgel!
... und die Orgel...
Wir drei.
Die neue Liebe des Boesendorfer…
Ja, er lässt sie nicht gehen.

Du bist sehr wenig mit der Band unterwegs. Weshalb? Fühlst du dich durch die Band eingeengt?
Nein. (überlegt). Nein, ich bin ziemlich an die Jungs gebunden. Wir haben über die Jahre eine gemeinsame musikalische Sprache entwickelt. Aber wir müssen nicht die ganze Zeit zusammen sein um bessere Instrumentalisten zu werden. Wir hören danach einander besser zu. Im Moment hat jeder andere Projekte. Es tut uns gut, denn wenn wir wieder zusammen sind, ist es... wie unser Hobby. (lächelt)

Kannst du mir mehr über die Tour erzählen?
Wir starten in den Staaten am 1. April.
Das ist mein Geburtstag.
Ehrlich? (Lacht). Herzliche Gratulation. Wir starten am 1. April in kleinen Hallen. Es ist intimer. So können die Leute die Songs hören, wie sie ursprünglich konzipiert waren, für das Klavier, die Orgel und die Beziehung. Anfang Juli kommen wir für wenige Wochen nach Europa, bevor es über den Sommer in die Staaten zurück geht. Ich werde dann wieder mit den Jungs spielen. Dann sind wir vollbepackt für 6 Wochen. Ich liebe es draussen zu spielen... Ich liebe es zu touren. Die intimen Touren sind wie eine Liebesbeziehungen, ich bin von ihnen angezogen. Mit der Band ist es jeweils eine grosse Produktion. Dann geht um Power. Aber wenn es nur du und das Publikum ist, dann ist die Konversation zwischen dir und dem Publikum wie eine Liebesaffäre.

Das beste am Touren ist?
Die Planung. Weil es wie ein Elixier wirkt. Nichts, was ich zuvor getrunken oder gegessen habe, gab mir das Gefühl, eins mit dem Universum zu sein näher. Es ist unglaublich... (überlegt) es macht mich vollkommen.

Was ist Tori Amos Piece by Piece?
Es ist eine Art Backstage-Pass zum Tori Prozess. Es zeigt auf, wie Songs komponiert werden, wie der Tourneezirkus und das Musikbusiness funktionieren. Und es zeigt auf, wie ich zwischen dem Mutter- und Musikerin sein jongliere. Ann ist eine Freundin von mir. Sie ist Journalistin. Es ist unser Gespräch, wenn du so willst, das über zwei Jahre dauerte. Wir führten dieses Gespräch über zwei Jahre (lacht kurz).

Du hast dein Album in sechs Gärten aufgeteilt. Welches ist dein Lieblingsgarten.
Das ist eine sehr gute Frage! Du bringst mich in Verlegenheit. Jeder Garten ist ein Individuum. Das ist wie wenn du von mir verlangen würdest, ein Paar Schuhe auszuwählen. Ich hatte eine schwierige Zeit. Ich kann die Gärten nicht in Favoriten unterteilen. Es sind meine Lieblingsgärten.

Auf dem Album mischt du afrokubanische Musik mit Gospel zusammen, du vermischst die Stile. Wurdest du von Sting inspiriert?
Lacht schallend - You're so funny! Ich bestäube! Komm schon Yves, was glaubst du, was Bienen tun? Sie gehen in den Garten. Sie sitzen nicht den ganzen Tag auf dem Lavendel, sie bewegen sich, klar?
Ja.
Sie bewegen sich, So ist das bei den Bienen. Speziell wenn man als Ministrantentochter erzogen wurde und bestäuben Sünde und böse war, wenigstens bis man verheiratet ist. Und dein Mann entscheidet, dass es Zeit und ist… Grundsätzlich geht es darum in meinem Buch. Gute christliche Mädchen geben ihren Körper ihrem Gatten und die Seele Gott. So sagte ich zu meiner Grossmutter, die eine Ministrantin war: «Warte mal: was ist für mich übrig?» Und sie sagte: «Wie kannst du so eine Frage stellen? Es ist ein Privileg deinen Körper deinem Mann und die Seele Gott zu geben.» Und ich schaute sie an und sagte, «Grossmutter, du hättest Maria Magdalena lebendigen Leibes verbrannt. Ihr wärt Feinde gewesen!» Das Album geht auf das zurück, was meine Grossmutter gepredigt hat. Die Texte, die wahrscheinlich über 2000 Jahre alt sind. So ist die Tradition von Bienen und Honig. Und Honigjägern.

Natürlich brauchte ich eine taubenartige Göttin, ein Zitat des Weiblichen, um mich mystisch zurück zu bringen, weil ich auch biblisch durch Christentum, Judaismus und Islam gehe. Gerade jetzt, wo der Krieg am Horizont aufzieht. Sind wir ehrlich, wir sind mitten im dritten Weltkrieg. Ich brauchte etwas, was neutral was. Was nicht von den dreien geschändet worden war. Als Frau, als Arbeitsbiene hat man Zugang zu allen Gärten, christlich, jüdisch, islamisch. Wenn du nicht die weibliche Arbeitsbiene hast, die auf dieses Organ der Blume geht, ohne die Erlaubnis irgend eines Mannes, dann hast du nichts zu essen. Dieser weibliche Archetyp ist komplett mit der Sexualität der Natur und ihrer Spiritualität innerhalb des Universums verbunden. Die Zeit war reif für ein solches Album in einer Welt, in der Religion zu einem Mittel geworden ist, um die Massen zu kontrollieren und manipulieren. Es ist kaum zu glauben wie die Aussagen von Jesus, also von jemand dem es um Mitgefühl, Liebe und Frieden ging, so verdreht werden, dass unschuldige Frauen und Kinder bombardiert werden können. Das ist böse. Da sagt die Ministrantinnentochter in mir: «haltet für einen Moment inne, Jungs, das ist gefährlich!»

Ein Song heisst Mother Revolution. Glaubst du, USA brauch eine Revolution, vielleicht eine Revolution der Mütter?
Absolut. Das ist der einzige Weg der funktioniert. Ich sage dir warum: Die Leute unterschätzen die Mütter. Und diese Administration hat die Macht der Mütter am meisten unterschätzt. Wenn die Mütter sich einmal verstärkt haben, dann realisieren sie, dass ihre Verantwortung ihrem Kind gegenüber ist. Verantwortung heisst nicht, sich der Gier derjenigen, die sich selbst Landesväter nennen, zu unterwerfen. Sobald die Mütter realisiert haben, dass diese Väter ihre Babys für eine Sache, die nicht die ihre war, töten, dann sind sie selbstverständlich nicht mehr bereit, ihre Söhne und Töchter dafür sterben zu lassen. Das wird ändern.

Ist Irland ein geheimer Traum von dir?
Mh, (überlegt) Vielleicht ist es eine tiefe Erinnerung aus weit entfernter Zeit. Verstehst du, was ich meine? Warst du schon dort?
Nein, aber ich kann meine keltischen Wurzeln spüren.
Das ist gut. Du musst unbedingt nach Irland fahren! Es ruft mich immer zurück. Und es zwingt mich auch. Weil ich nicht dort aufgewachsen bin, wurde ich nicht durch Irland beschädigt, wie ein paar meiner Freunde, aber die wurden auch im Katholizismus erzogen. So kann ich jederzeit zurückkommen. Ich konnte Irland als Gast geniessen. Ich bin nicht daran gebunden. So kann ich es lieben ohne die Schäden. Verstehst du?

Aber wenn ich nach Amerika gehe, das sind die Wurzeln meiner Mutter. Ihr Volk lebte schon Jahrtausende dort. Ich bin sehr gebunden an dieses Land. Und deshalb bin ich gezwungen, die Verwalterin einer echten Mutter zu sein. Das begann auf Scarletts Walk, wo ich die Beziehung der Seele dieser Stimme, die Amerika genannt wird, zuzuhören, beschreibe.

Der Albumtitel ist Beekeeper, die Musik ist süss wie Honig, die Lyrics stechen wie eine Biene. Bist du der Honig oder die Biene, kannst du dich beschreiben?
Du kannst den Honig nicht von der Biene trennen. Weil es ohne Bienen keinen Honig gibt, das ist das Paradox.

 

Tracklisting:

Parasol
Sweet The Sting
The Power Of Orange Knickers
Jamaica Inn
Barons Of Suburbia
Sleeps With Butterflies
General Joy
Mother Revoultion
Ribbons Undone
Cars & Guitars
Witness
Original Sinsuality
Ireland
The Beekeper
Martha's Foolish Ginger
Hoochie Woman
Goodbye Pisces
Marys Of The Sea
Toast


Tori Amos - Piece by Piece
Tori Amos & Ann Powers
A Portrait of The Artist, her thoughts, her conversations

Tori Amos

Teil 2, Off The Record

So, wann hast du genau Geburtstag?
Am ersten April.
Dann ist mir alles klar! Du bist Widder. Ich bin umgeben von ihnen: Mein Mann, mein Drummer, mein Roadmanager, du...
Dann passen Widder zu dir.
Ja, Feuerzeichen passen zusammen. Ich bin auch ein Feuerzeichen. Wenn du Geduld hast, musst du sie nicht töten, um an den Honig zu kommen. Du musst sie wertschätzen, wie ein Imker. Er kriegt den Honig. Und das ist das Problem: Wenn man das Album hört, lernt man, dass es eine grosse Verantwortung ist, ein guter Imker zu sein.

Ein alter Song von dir heisst Gott. Glaubst du noch immer, dass er eine Frau an seiner Seite braucht?
(Seufzt). Er braucht eine. In den Schriften verlangt es ihm danach. Es scheint mir fast so, als ob er seine Mutter in einem tiefen Sinn vermisst.

Du und ich, in welchem Garten befinden wir uns?
Wir sind im Greenhouse wo sich unsere Geister treffen. Wir schauen aus dem Fenster und denken über unsere Beziehung zur Erde? Unser Platz im Garten? Es ist ein Synonym für das Universum, also eine wichtige Frage.

Du hast Beatles, Stones, Nirvana und Slayer interpretiert. Mit wem - wenn du wählen könntest - würdest du gerne zusammenspielen. Was ist dein Traum?
Ich habe viele Träume. (Überlegt kurz). Ich würde so gerne Jimmy Hendrix live erleben. Und fügt bedauernd an «I never did».

Doofe Frage, glaubst du an Gott?
Gewiss. Aber nicht an diesen alttestamentarischen Gott der Auge um Auge, Zahn um Zahn fordert, sondern an den neutestamentlichen Gott.

Irgendwie kriege ich den Song Orange Knickers noch nicht ganz auf die Reihe. Kannst du mir einen Tipp geben?
Es geht um das Wort Terrorist.
Das habe ich angenommen. Schliesslich ist es in den Lyrics fett gedruckt.
(Verärgert) Wie ist es? Wer hat das getan?
Ich weiss es nicht. Vielleicht die Girls draussen vom Label.
Vielleicht... Vielleicht hat auch ein rechtskonservativer Christ, der das Wort fett gedruckt!
Zu viele Leute haben diesen Ausdruck verwendet um eine Reaktion zu erhalten. Der Krieg musste geführt werden. Man brauchte Bilder, um dagegen sprechen zu können. Dabei bedeutet es für jeden etwas anderes: Für meine vierjährige Tochter ist es der grobe Kerl im Sandkasten, für jemand anders ein Soldat. Im Song geht es darum, dass du erkennst, was dein eigenes Bild des Wortes Terrorist ist. Wenn ich meine eigenen Ängste erkenne, kann ich nicht mehr durch die Leute manipuliert werden, die das Wort unbewusst benutzen. Oder fett drucken!

Letzte Frage: Wie entwickelt sich Rainn?
(Erfreut über die Frage). Sehr stark. Die schlechte Neuigkeit ist, dass es so viele sexuelle Gewalt gibt. Die gute Nachricht ist, es gibt spezialisierte Hilfe von Leuten, die für die Opfer da sind, wenn Freunde versagen.

 
   

Tori Amos
The Beekeper
Epic

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
www.toriamos.com
www.rockstar.ch