«Jesus never let me down
You know Jesus used to show me the score.
Then they put Jesus in show business
Now it's hard to get in the door.»
U2 «If God Will Send His Angels, 1997»
Die Sinnsuche in der zeitgenössischen Musik erlebte Mitte
der 60er-Jahre einen ersten Höhepunkt, als die Beatles,
Donovan und Rolling Stones beim Maharishi Mahesh Yogi und
seiner transzendentalen Meditation Erfüllung suchten.
Im Februar 1968 reisten die Fab Four ins Zentrum des Maharishis
in Rishikesh am Fuss des Himalajas. Während Ringo Starr
und Paul McCartney nach kurzer Zeit wieder abreisten, hielten
es John Lennon und George Harrison zwei Monate aus, bis bekannt
wurde, dass der Maharishi sich an den Kursteilnehmerinnen
sexuell vergehen wollte. Lennon liess seinem Zorn in Sexy
Sady auf dem Weissen Album freien Lauf, der Song trug
den Arbeitstitel Who The Fuck You Think You Are.
Während damals die Sinnsuche dem Zeitgeist entsprach,
werden heute gläubige Musiker oft von den Medien nicht
ganz ernst genommen. So versuchten sie Musicstar Carmen Fenk
bei einer Sünde zu erwischen. Liess sie sich aber nicht
und moderiert nach einem singenden Ausflug in die Schweizer
Charts die Hitparade beim evangelischen Radio Life Channel.
Gölä verzichtete auf einen Werbevertrag mit Diax,
weil die Telefonnummer die Zahl 666 enthielt, was bekanntlich
The Number Of The Beast ist. Auch Jeanette Macchi Meiers Wandel
von der Sängerin bei E-Rotic zur Moderatorin beim Fenster
zum Sonntag wurde oft belächelt.
Modedroge Kabbala
Dass bei Mick Jagger Religion eine Rolle spielen könnte,
überrascht auf den ersten Blick. Im August 2000 erklärte
ein Londoner Gericht Jaggers Ehe mit Jerry Hall, die er auf
Bali geschlossen hatte, für ungültig. Bei der Eheschliessung
war Jagger wohl noch Buddhist gewesen. Doch schon während
seiner Ehe mit Jerry Hall begann er sich für die jüdische
Geheimlehre des Kabbala zu interessieren. Richtig hipp wurde
Kabbala bzw. sein 1969 gegründeter Ableger Kabbala Center
erst, als sich Madonna dazu bekannte, dich sich nun Ester
nennt. Ihre neue Überzeugung fliesst in ihre Songs ein.
Dennoch scheint sie nicht angekommen zu sein, sonst müsste
sie sich in ihren Shows nicht so dämlich ans Kreuz nageln
lassen. Was bei ihr aber kalte Berechnung ist, ist bei ihren
Jüngerinnen wie Brittney Spears bloss naives Getue, so
fiel Brittney mit falsch tätowiertem herbräischem
Kauderwelsch auf.
Karrierehemmer Glaube
Oft aber bedeutete der Gang in die Spiritualität einen
Karriereknick wenn nicht sogar das Ende. Mitte der 60er-Jahre
konvertierte George Harrison zum Hinduismus. Die Spiritualität
zieht sich denn auch als roter Faden von My Sweet Lord
bis hin zum Song Brainwashed (2002) durch sein Solowerk.
Harrisons temporärer Rückzug aus dem Showbusiness
kam zwar von seiner Abneigung demselbigen gegenüber,
doch wirkten sich seine spirituellen Songs in den 70er-Jahren
hemmend auf seinen musikalischen Erfolg aus. Einzig mit My
Sweet Lord hatte er gleich zweimal Erfolg: 1970 und 2001,
nach Harrisons Tod, stand die Anbetungshymne an der Spitze
der britischen Charts.
Ähnlich wie bei George Harrison verhält es sich
bei Cat Stevens, der nach eigenen Angaben immer schon ein
suchender Charakter war. So begeisterte er sich in den 60er-Jahren
für den Buddhismus. Sein Bruder schenkte ihm in den 70er-Jahren
einen Koran. Nachdem Stevens fast ertrunken wäre, konvertierte
er zum Islam und nennt sich seither Yusuf Islam, machte fortan
islamische Musik und engagierte sich karitativ. Obwohl er
9/11 verurteilte, verdächtigen ihn die Behörden
als Terrorist. Heute steht er zu seiner Vergangenheit und
legt auf seiner Webseite www.yusufislam.com Zeugnis ab.
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The
Edge von U2, für manche der ganz religiösen Zeilen
verantwortlich, wie beispielsweise Jesus, Jesus help me,
I'm Alone In This World, And A Fucked Up World It Is Too
von Wake Up Dead Man.
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Nicht
ganz so weit wie Cat Stevens ging Leonard Cohen. Bereits auf
Recent Songs (1979), deutlicher aber auf seinem 1984
erschienenen Album Various Positions, wurden seine Songs
spiritueller: Das Gebet If it will be you will bezeichnete
er einmal als seinen besten Song. 1993 zog sich Cohen für
sieben Jahre in ein buddhistisches Kloster zurück und übte
sich in der Zen-Mediation und kochte für seinen Meister.
1996 wurde er zum Mönch ernannt. Nach seiner Rückkehr
veröffentlichte er zwei Alben, die beide nicht mehr überzeugten.
Und siehe, es funktioniert doch
U2s Frontmann Bono wird oft als Rockmessias betitelt, da sich
er sich in seinen Texten auch mit dem Glauben auseinander setzt.
Und wie er in If God Will Send His Angels schrieb, schadete
das Showbusiness dem Glauben mehr. Das Beispiel U2 zeigt aber,
dass sich Glaube und Erfolg nicht ausschliessen. Dreiviertel
der Band sind Christen, einzig von Bassist Adam Clayton weiss
man nicht genau, wo er steht. Nach der Veröffentlichung
ihres Debutalbums Boy bedingte sich The Edge ein Timeout
aus, um darüber zu sinnieren und beten, ob sich das Leben
als Rockstar mit dem Glauben vereinbaren lasse. Nach wenigen
Tagen kehrte er zur Band zurück. Das Resultat war das spirituelle
zweite Album October. Dass U2 zu dem geworden sind, was
sie heute sind, liegt nicht nur an ihren vieldeutigen Texten,
die oft auch Selbstzweifel ausdrücken, sondern auch daran,
dass sie stets glaubwürdig geblieben sind. Und so hat ihnen
das Publikum den Ausflug in den Profanismus während der
Popmart-Tour (1997) längst vergeben. Auf die 1981er-Zeit
zurückblickend stellt Bono heute aber klar, dass ein Ausstieg
von Edge das Ende der Band bedeutet hätte. |
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