Bubi
Rufener, auf der ersten Platte von Boob findet sich TripHop
und Elektropop. Auf der neuen, den «Ono Sessions»,
wird gerockt. Woran liegt dieser Stilwechsel?
Ich bin ein alter Punkrocker, mit Bishop's Daughter spielte
ich Punk. Gegen Ende der 90er-Jahre hatte ich die krachenden
Gitarren satt. Mit Küse Fehlmann von Züri West fand
ich damals einen Produzenten, der grosses Interesse hatte,
diese Soundrichtungen zu erforschen. Als die Platte erschien,
erhielt sie geteilte Kritiken. Die härtesten Vorwürfe
bekam ich von meinen alten Freunden zu hören. Doch live
funktionierte der Sound nicht so gut. Heute spiele ich wieder
Gitarre, was meine Freunde mit «Welcome back In The
Rock'n'Roll-World» kommentierten. Insofern ist es kein
Stilwechsel, sondern ein Nachhausekommen
Ein
Grossteil der Songs ist live im Studio eingespielt. Bist du
beim live einspielen spontaner als wenn du wochenlang Tonspur
über Tonspur mischst?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich versuche jeweils Augenblicke
festzuhalten. Mich interessieren diese Momentaufnahmen. Die
«Ono Sessions» sind eine Sammlung von solchen
Momentaufnahmen, bei denen vier Musiker gemeinsam Rockmusik
einspielen. Es gibt da diesen siebenminütigen Song «On
Your Own», da spielten wir im Studio und hatten die
Fenster offen. Plötzlich tauchten Baurarbeiter auf und
setzten eine Trennscheibe ein, was man am Schluss des Songs
als kreischendes Geräusch hört. Jeder Produzent
hätte das rausgeschnitten. Ich liess es drauf, weil es
zur Momentaufnahme des Songs passt.
Wie arbeitest du lieber? Live wie bei den «Ono
Sessions» oder tüftelnd wie beim letzten Album?
Eindeutig live. Wobei ich lieber live im Studio die Songs
einspiele als live vor Leuten zu spielen. Wenn man live spielt,
gibt es auch unfertige Stücke. Wenn ich genügend
Geld hätte, würde ganz gerne im Studio solche unfertigen
Momente einsammeln und ein Album damit machen.
Der Titel des Albums heisst «Ono Sessions».
Was fasziniert dich an Yoko Ono?
Sie ist eine grossartige Künstlerin. Ich fand schon immer
ihre Filme spannend und sie eine faszinierende Frau. Ich bin
ein grosser Beatlesfan und fand die Argumentation, dass Yoko
die Beatles ausseinander gebracht hätte, schon immer
Schwachsinn. Yoko Ono kann nicht singen, dennoch finde ich
Stücke wie «Walking On Thin Ice» grossartig.
Dann gibt es noch die zweite Geschichte. Als Züri West,
um ihr Album «Aloha From Züri West» zu promoten,
ein Konzert auf dem Hausdach ihres Labels gaben, bat mich
Kuno Lauener, mit dem ich befreundet bin, ein paar Verstärker
hinauf zu schleppen. Was ich mit Freuden tat. Oben meinte
Kuno, es würde noch eine Yoko fehlen. Also kaufte ich
eine schwarze Perrücke, bastelte aus einem T-Shirt einen
Minirock und kasperte während des Konzertes neben der
Band rum und winkte. Diejenigen, die mich von der Strasse
gesehen hatten, fragten sich wohl, was das für eine Verrückte
wäre. Es hat Spass gemacht und seither nennen mich alle
bloss noch Bubi Ono.
Ono ist auch ein Wortspiel, bedeutet auf Berndeutsch auch
noch.
Deine Version von John Lennons «Cold Turkey»
wird in Bernhard Gigers Dokumentarfilm «Fixerorte»
verwendet. Reizt dich die Arbeit am Film?
So habe ich mir das noch nie überlegt. Mein Brotjob ist
halbtags in einem Fixerraum zu arbeiten. Ich brauche Jobs,
die Sinn machen, und dieser macht Sinn. Als Bernhard Giger
seinen Film drehte, sagte ich ihm, ich würde für
meine Platte «Cold Turkey» aufnehmen. Er war begeistert
und fragte, ob er den Song verwenden könne. Durch meine
Arbeit im Fixerraum lernte ich die Junkies zu verstehen und
was es heisst, so zu leben wie sie, wenn man eine oder zwei
Grenzen verletzt. Deshalb ist meine Version eine ehrliche
Version geworden, was man ganz gut hört.
So wie Lennons Originalversion ehrlich ist, weil er
selber gefixt hatte.
Genau.
Du hast den Lebenslauf eines Chamäleons: Punkrock
mit Bishop's Daughter, Rap mit der Allschwil Posse, TripHop
mit Boob, Rock mit den Sugarbabies, nun Rock mit Boob. Wo
bist du zuhause?
Wenn du mich so fragst, dann im alten Rhythm & Blues.
Meine Eltern sind immer gezügelt. Das hat mich geprägt.
Und so wie ich immer wieder gezügelt bin, springe ich
in den verschiedenen Musikstilen herum. Mich interessieren
eben mehr Musikarten als nur Punk und Rock.
Selbe Frage in grün: Du rappst in Basel, rockst
in Bern. Wo bist du zuhause?
Ich bin in Basel geboren, meine Mutter ist Baslerin, mein
Vater Berner. Mir sind beide Orte Heimat geworden. Ich lebte
ein Jahr im Paris und merkte dort, dass ich kein Stadtmensch
bin. Ich brauche viel Grün um mich. Und die Berge. Wenn
du so willst, bin ich in der Schweiz zuhause.
Was bedeutet dir die Schweiz?
Als ich von Paris zurückkehrte, realisierte ich, wie
angenehm es ist, hierzulande zu leben. Doch die heutige Schweiz
macht viele Leute träg und bünzlig. Ich finde, es
gehört auch dazu, auch sich kritisch mit der Schweiz
auseinander zu setzen und zu sagen, was einem nicht passt.
Von diesem Standpunkt aus finde ich es gut, wie sich Rapper
wie Stress, Greis oder Kutti MC kritisch zur Schweiz äussern.
Mit der Allschwil Posse rappst du. Du warst auch bei
Poetry Slam Veranstaltungen Gastgeber. Das passt irgendwie.
Erzähl mir mehr über deine Liebe zu den sprachbetonten
Ausdrucksformen.
Ich bin gelernter Buchhändler. Ich sagte einmal, ich
könnte ohne Musik leben, aber nicht ohne Bücher.
Wahrscheinlich kann ich aber auch ohne Musik nicht leben (lacht).
Ich finde Bücher wunderschön, sie sprechen den Tast-,
Geruchs- und Sehsinn an. Weil ich eine Leseratte bin, habe
ich zur Sprache eine enge Beziehung und so lernte ich auch
den Rap zu schätzen. Als ich die ersten Poetry Slam Veranstaltungen
hörte, war ich begeistert: junge Leute, die Gedichte
schreiben. Als ich 18 jährig war, durfte man das in Punkszene
nicht offen sagen. Das hätte als uncool gegolten, wenn
man schrieb, dann bitteschön politische Manifeste. Über
die Poetry Slams konnte ich viele interessante Leute wie Jürg
Halter, Till Müller Kluge, Michael Lentz kennenlernen.
Wenn Du so ein Büchernarr bist, wirst du das
Genre wechseln und einmal ein Buch schreiben?
(lacht). Klar, wenn ich Millionen habe, eine Frau gefunden
habe, die mit mir auf meinen Landsitz zieht und all dies mitmacht...
Nein, im Ernst. Ich glaube kaum. Vielleicht ein Kinderbuch.
Aber das kann man nicht von heute auf morgen, das muss man
üben.
Kuno Lauener meinte, er können keinen Roman schreiben,
aber ein Kochbuch. Man könnte doch die Bibliothek der
Schweizer Rocker gründen: ein Kochbuch von Kuno, ein
Kinderbuch von dir, ein Malbuch von Büne Huber und von
Eicher irgend ein Buch.
Das wäre cool.
Du singst in englisch. Hast du einen Ghostkorrektor?
Ich «lernte“»als Kind englisch von den Beatles
und Stones. Bei Bishop's Daughter hatten wir mit Robert Butler
einen amerikanischen Bassisten in der Band, da sprachen wir
immer englisch. Wenn du so willst, ist Chessy Weaver, Sängerin
von Phon Roll, meine Korrektorin. Ich komme mit allen Texten
zu ihr. Sie ändert nichts daran, weist mich bloss darauf
hin, dass ich wieder einmal die Zeitformen durcheinander gebracht
habe.
Du rockst in Englisch und rappst Mundart. Was ist
einfacher, um in der Schweiz als Musiker Karriere zu machen?
Das weiss ich nicht. Das muss jeder für sich selber entscheiden.
Es gibt viele Mundartbands, die keinen Erfolg haben, und einige
englischsingende wie die Lovebugs, die es geschafft haben.
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Bubi
Rufener, im Sitzungszimmer von Weltrekords.
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Deinen neuen Mitmusiker, Peter von Siebenthal, Christof
Kohli und Sam Mumenthaler, sind alle Veteranen der grossen
Berner Bands. Planst du nun mit Boob durchzustarten?
Ich mache grundsätzlich keine Pläne im Leben. Ich
hoffe aber sehr, dass wir nach der Tournee nochmals eine Platte
zusammen einspielen werden. Mir ist in diesem Zusammenhang
noch wichtig, dass wir die ganze Platte selber finanziert
haben und nicht beim Kanton Bern oder der Pro Helvetia um
Geld gebettelt haben.
Wie hast du Peter von Siebenthal an Bord geholt? Als
er bei Züri West ausstieg, war er des Business müde?
Das musst du Sibi selbst fragen. Wir alle spielten in einer
anderen Partyband, den Backbeat. Wir spielten bloss die Songs,
welche die Beatles im Hamburger Starclub spielten, also die
Klassiker von Chuck Berry und Jerry Lee Lewis. Vor vier oder
fünf Jahren reaktivierten wir die Backbeat, bei denen
ich als Gastsänger mitwirke. Als ich sagte, ich würde
eine neue Platte aufnehmen, sagten alle, ich solle ihnen die
Tapes senden. Und so ergab sich das eine mit dem anderen.
Ich möchte betonen, dass diese Platte ein Werk von uns
als Band ist und nicht bloss Bubi Ono mit drei Begleitern.
Das
Konzert der Sugarbabies im El Lokal war für mich das
Konzert des Jahres. Man merkte richtig, welchen Spass ihr
hattet. Gibt es da eine Fortsetzung mit weiteren Konzerten
oder einer EP?
Danke. Und ja, wir haben im Züri West Übungsraum
in drei Tagen 14 Songs aufgenommen. Die CD verkauften unter
der Hand an Freunde und Bekannte und den den Teilnehmern auf
der ersten Schweizer Blues und RockCruise. Sie ist sehr gefragt.
Entstanden ist die Band beim 100-Jahr-Jubiläum von YB.
Da wurden Züri West angefragt zu spielen, und sie konnten
nicht. So rief mich Kuno an. Und wir gründeten die Sugarbabies.
Wie ist Kuno Lauener als Bassist?
Sehr stilsicher. Er verfügt ein grosses musikalisches
Wissen, er weiss genau, wie etwas klingen muss.
Wollte er nicht der grosse Sänger bei den Sugarbabies
sein, wie er es bei Züri West ist?
Ich denke, er genoss es, im Hintergrund zu sein. Wir kennen
uns sehr gut und wir pushten uns gegenseitig.
Kuno Lauener ist für mich... ein lieber Freund
und guter Musiker.
Dein Lieblingstext von ihm?
Man wird ihm nicht gerecht, wenn man nur einen Text nennt.
Aber die Geschichte auf der vorletzten Platte mit dem Ding
im Kopf, die fand ich super.
John Lennon oder Paul McCartney?
Das ist die einzig schwierige Frage im Interview! Im Zweifel
für John Lennon.
Also etwas einfacher: Roger Waters oder David Gilmour?
Syd Barret!
Du kommst an ein Fest und es sind nur noch zwei Plätze
frei: einer neben Christoph Blocher, der andere neben Pascal
Couchepin. Neben wen setzt du dich?
Christoph Blocher, den würde ich lieber provozieren.
Die Schweizer Musikszene sollte mehr... den Mut haben,
die Grenzen auszuloten und weniger auf die Labelmanager hören,
die sie in irgend ein Gerüst zwingen.
Wie modern ist Retrorock?
Keine Ahnung.
Bubi Rufener, 14. März 2007.
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