Im Ocean of Sound
25. August 2009

Der Rock On ist eine feste Grösse in der Zürcher Musikszene, Fans und Musiker kaufen gleichermassen in Ruedi Fehlmanns Ocean Of Sound ein. Mitte Oktober schliesst er seinen Laden aus gesundheitlichen Gründen.

 


Wer die Verfilmung von Nick Hornbys «High Fidelity» gesehen hat, hatte das Gefühl, einen Film über den Rock On gesehen zu haben. Zumindest in Zürich gibt es noch einen solchen Plattenladen, der aus jeder Mauerritze Musik zu atmen scheint. Der Schreibende und sein Bruder waren wohl nicht die einzigen musikbegeisterten Teenager, die sich überlegt hatten, hinter welchem Gestell sie sich verstecken müssten, um sich über Nacht einschliessen zu lassen, um in Ruhe im Sortiment stöbern zu können. Auf zwei Etagen – eine Meerjungfrau zeigt den Weg ins Untergeschoss des selbsternannten Ocean of Sound – finden sich 60 000 Tonträger aus den Sparten Rockmusik und Verwandtes. Tonträger ist der richtige Ausdruck, neben CDs, DVDs und dem Vinyl – «Vinylverkäufe haben nie weniger als 22 % meines Gesamtumsatzes ausgemacht» so Ruedi im Tages Anzeiger – finden sich noch immer VHS-Videos und Laserdiscs.

Frauen repräsentieren besser...
Ruedi wollte nicht Schallplattenhändler werden, rutschte aber immer mehr in sein Métier. An der Mittelschule und danach in seiner Stifti betätigte er sich als DJ. Da der Import von Platten aus England günstiger war als der Einkauf in der Schweiz, nahm er von seinen Kollegen die Wünsche für Sammelbestellungen auf. Nach der Lehre arbeitete Ruedi ein Jahr in einer Stahlhandlung und legte das Geld zur Seite. Seine Bewerbung bei Jecklin wurde mit der Begründung, dass Frauen besser repräsentieren würden, abgelehnt. Worauf Ruedi schlussendlich seinen eigenen Laden eröffnete. Zuerst betrieb er 1978 von zuhause aus einen Vinylversand und veranstaltete nebenbei Discos und Konzerte. Seit 1979 hat er seinen Laden am Kreuzplatz, zuerst an der Zollikerstrasse, seit genau 20 Jahren in seinem Lokal am Ottenweg. 1999 ging übrigens Jecklin im Musik Hug auf, während Ruedi munter weiter rockte.

Mut, Unbekanntes zu fördern
Ruedi zeichnet sich durch sein Gespür für Neues aus. Immer wieder hat er unbekannte Musiker und Bands ins Sortiment aufgenommen und so mitgeholfen, diese aufzubauen. Schon ganz zu Beginn seiner Karriere hatte er damit begonnen. 1971 hatte das Trio Eugster mit der Eugster Musikproduktionen AG ein eigenes Plattenlabel für einheimische Musik gegründet. Auch Dominique Grandjeans zweite Band Hertz erschien bei den Eugsters. Da Volksmusik und Swiss Wave nicht unbedingt zusammenpassen, offerierte Ruedi, der damals einen Indie-Vertrieb mit deutschem Punk und NDW-Produktionen hatte, den Vertrieb von Hertz zu übernehmen. Die Zeiten waren noch andere, wenn man 500 Exemplare verkauft hatte, hatte man einen landesweiten Erfolg gehabt.

Auch ausländische Bands profitierten von Ruedis Engagement. Für The Nits organisierte er vier Konzerte. Wie er von der Band erfahren hatte, wurde man in Holland erst auf sie aufmerksam, als sie in der Schweiz erfolgreich war. Auch Portishead profitierten von Ruedis Gespür für gute Musik: Der Vertreter von Universal zweifelte am Erfolgspotenzial der Band, Ruedi bestellte dennoch eine Schachtel mit der CD und war in den 90er-Jahren einer der erfolgreichsten Verkäufer für die Band, auf Promopostern «Live in NYC, die in der Stadt hingen, war neben dem Universal-Logo jenes vom Rock On gedruckt.

Ruedi ist ein wandelndes Musiklexikon und kann einem die Hintergründe von Platten, Musikern und Produzenten aus dem Stehgreif erzählen und weiss wer wann wo mit wem was gemacht hat. Für die Pflege der eigenen Sammlung war der Rock On auch immer eine der ersten Adressen. Wollte man sich in das Werk eines Künstlers einhören, so hatte Ruedi den Backkatalog und man fand oft noch die Singles des vorletzten Albums einer Band. Diesen Umstand nutzte auch Stephan Eicher, der seine «Noise Boys» Single bei Ruedi kaufte, nachdem ihm die Belegexemplare ausgegagen waren. Und da es an den Wänden wegen den Gestellen fast keinen Platz für Promoposters hat, entwickelte sich Rock On zu einer TV-Kulisse, so filmte 10 vor 10 ein Porträt über Katie Meula, die durchaus auch Rockmusik hört, bei Ruedi. Als Dank führte Katie Meula einen Rock On Sack mit Inhalt in Zürich spazieren.

Die Rock On Momente
Als langjähriger Stammkunde im Rock On verliert man im Oktober seinen musikalischen Heimathafen. Besonders die speziellen Rock On Momente können weder der Mediamarkt noch das Internet geben. Wie beispielsweise im letzten November, als der Schreibende am Erscheinungstag „Electric Arguments“ von The Fireman kaufte, das er zuvor zwei Mal als Promo gehört hatte. Da Ruedi immer Musik aufgelegt hat, schlug er ihm vor, die CD laufen zu lassen und mit seinen Kunden ein Ratespiel nach den Musikern zu veranstalten, denn nicht mal Beatles-Experten – wie der Autor – würden in der zweiten Hälfte des Albums spontan Paul McCartney raushören. Ruedi meinte nur lachend, dass dem offensichtlich so sein müsse, denn die Platte würde die ganze Zeit über schon im Hintergrund laufen. Auf die Frage, welches einer seiner speziellen Rock On Momente ist, führt Ruedi die Einführung der CD an, die er kritisch verfolgt hat.

Wie es weitergeht, weiss Ruedi noch nicht. Auch er spürt die Krise der Musikbranche und die allgemein schlechte Wirtschaftslage, die einen speziellen Effort erfordern würde. Doch seine Gesundheit lässt diesen Schritt nicht zu. Noch immer ist er in Behandlung wegen eines Velounfalls von vor 13 Jahren. Den langen Alltag hinter der Ladentheke steht er nur mit Schmerzmittel durch. Ab November plant er unter der Adresse rockon.ch eine Webseite mit reduziertem Angebot aufzuschalten. Vielleicht wird daraus ein kleiner Spezialitätenservice oder ein Online-Vinyl-Shop. Das wisse er aber noch nicht, das komme auch auf die Gesundheit an.

rock on

JDer Eingang zum Ocean of Sound, gesehen auf Google Street View.





 

 


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