Kennen Sie den? Der McCartney-Experte rät seinem Plättenhändler, das neue Album seines Lieblingsmusikers aufzulegen, niemand würde den Ex-Beatle erraten, worauf der Plattenhändler antwortet, dass die CD schon die ganze Zeit über laufe. Kein Witz, so passiert dem Autoren. Peinlich? Höchstens ein klein wenig, denn die Promo hat man seit einem Tag und schliesslich beschreibt Paul The Firemen wie folgt: «Der Feuerwehrmann nimmt dich bei der Hand und führt dich an Plätze, die du nie besuchen wolltest.»

The Firemen sind Youth (Killing Jokes) und Paul McCartney. Das Konzept der Band ist, dass im Studio völlige Freiheit herrscht. 1993 gab McCartney Youth sein Album «Off The Ground» zum remixen, das Resultat war das Trance-Album «Strawberries Ocean Ships Forrest». 1998 folgte das lautmalerische Ambientalbum «Rushes», das heute noch so frisch wie damals klingt.

2008 nun ist alles anders. Fertig mit Geheimtipp-Status. Paul will's nun wissen. Für «Electric Arguments» ging man pro Song einen Tag ins Studio. Meistens setzte sich Paul zuerst ans Schlagzeug und gab einen Beat vor, danach griff er zu elektrischen Gitarre, weil ihm das zurzeit am meisten Freude macht. E-Gitarre und Fireman? Doch der Neuerungen nicht genug, denn Youth schlug vor, dass Paul auch singen solle. Paul zögerte einen Moment, doch dann erinnerte er sich wohl an das alte Konzept der Feuerwehrmänner; und es scheint, als hätte der Feuerwehrmann Paul an die Hand genommen und ihn auf eine Reise an unbekannte Orte mitgenommen.

Ein Strauss von Neuerungen
«Electric Arguments» ist die logische Fortsetzung von «Memory Almost Full», ähnlich kreativ und verspielt zeigt sich Paul. Doch übertrifft es das Vorgängeralbum bei weitem, welches ein paar ganz ordentliche Songs hatte, aber nur mit «Mr. Bellamy» und den drei bloss auf der Spezialedition erschienen Songs «222», «Why So Blue» und «In Private» wirklich überzeugen mochte. Hier nun sind besser die Songs aufgezählt, die nicht ganz überzeugen mögen: «Dance 'Til We We're High» sowie «Lifelong Passion». Beides perfekte Popsongs, mit neuen Klangfarben (Steeldrums), die eher auf ein reguläres McCartney Album gepasst hätten denn auf eine Fireman-Scheibe. «Sail Away» konnte man bereits im Juni während einer Woche exklusiv herunterladen. Paul lud zu einem virtuellen Charity Dinner, für welches Jamie Oliver ein Rezept zur Verfügung stellte.

Das war die nächste Neuerung, dass Paul und Youth die Deckung des Geheimtipps verliessen und eine reguläre Albumpromotion vornahmen. Geschadet hat es nicht, denn das Nebenprojekt von Paul erhält nun den Rang, den es verdient hat, und mancheiner wird wohl überrascht zur Kenntnis nehmen, dass Macca anno 93 ein Trancealbum veröffentlicht hatte. Auf «Electric Arguments» fehlen diese, dafür umfasst es von Bluesrock («Nothing Too Much Out Of Sight»; «Highway») über Beatleseske Songs («Two Magpies»; «Light From Your Lighthouse») bis hin zu Ambientklängen («Don’t Stop Running»; «Lovers In A Dream»; «Universal Here, Eternal Now») fast das gesamte musikalische Spektrum McCarnteys. Und am Ende steht ein Album, das mit seinen neuen Tönen selbst Experten überrascht.

Beatleswürdig
Die Presse ist sich einig: «Electric Arguments» hält mit Pauls besten Werken der späten 60er-Jahre mit. Nachdem schon das 2005er-«Chaos And Creation In The Backyard» die meiste Presse überzeugt hat, schlug «Electric Arguments» ein wie die Bombe: Bestnoten in vier der fünf wichtigsten angloamerikanischen Musikzeitschriften, Platte des Monats im Rolling Stone und auch die Schweizer Tagespresse lobte das Album durchwegs. Wurde man noch vor vier Jahren als McCartney-Fan und Experte belächelt, wird es nun einem unheimlich, dass Macca zum zweiten Mal innert vier Jahren von den geschätzen Kollegen nur Lob erhält.

Jeder Song entstand an einem Tag, so auch das Cover. Die Feuerwehrleute Youth und Paul McCartney beim lustigen Malen. Foto: thefiremenmusic.com

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