Ein (ge)fälliges Zeitdokument
26. November 1980
Nach längerer Produktionszeit kam vier Jahre nach dem Ende der Welttour der Wings der Konzertfilm «Rockshow» in die Kinos und wurde als Video veröffentlicht. 2013 erschien eine digital sorgfältig restaurierte Fassung.
Bewertung: * * * * *


Links zu den einzelnen Kapiteln:
Tourdokument und Initialzündung des Stadionrocks
 Produktionsprobleme führen zu Verzögerungen
die Versionen
die restaurierte Fassung von 2013
die Premieren
Rezeption und Statistik



Ein Vierteljahrhundert nach der «Wings Over The World Tour» 1975/76 erinnert sich Paul McCartney 2001 in «Wingspan» wie folgt daran: «Ich hatte seit über einem Jahrzehnt nicht mehr in den USA gespielt, und es war grossartig, wieder zurückzukehren. (…) Es war stark eine High-Tech-Tour mit Lasern und Lightshows. Wenn du in grossen Stadien spielst, musst du liefern, dass die Leute sagen ‹Ich kam um dich zu sehen und du warst so gross wie ein Nadelspitze auf dem Horizont›. Deshalb machten wir ein gutes Set, setzten auf visuelle Effekte und nutzten das beste Soundsystem, das erhältlich war.» Selbst die beste visuelle Restauration der Filmaufnahmen kann heute verbergen, dass Mitte der 1970er-Jahre die Konzerttechnik und der Stadion Rock noch immer in den Kinderschuhen steckte. So sind die Scheinwerfer, welche bei «Live And Let Die» die Pyrotechnik einfangen, zu schwach, und die Feuerwerkskörper rauchen noch viel zu stark. Oder bei «Magneto And Titanium Man», bei dem über Schlagzeuger Joe English eine Marvel-Superheld, gezeichnet von Jack Kirby hängt – heute wäre alles angepasst.

Tourdokument und Initialzündung des Stadionrocks
«Rockshow»
, dies gleich vorweg, ist der beste Konzertfilm von Paul McCartney. Dies aus dem einfachen Grund, weil er einfach nur Konzertfilm ist und nichts anders als die Band auf der Bühne zeigt. Die späteren Konzertfilme wie «Get Back» (1991) und «Paul Is Live In Concert» 1993 waren Regisseurenwerke, bei denen Dick Lester die Songs mit Filmmaterial ergänzte wie der Mondlandung, den US-Bomben auf Vietnam, Martin Luther King oder einem Straussenrennen bei «Get Back» oder Videoeffekte, die Aubrey Powell bei «Paul Is Live In Concert». Die Konzertfilme aus den 2000er-Jahre, ab «Back In The U.S.» vermiesen das Seh- und reine Audiohörvergnügen mit zum Teil in die Songs gemischten Interviewstücke.
«Rockshow» hingegen darf nur Konzertfilm sein, weil die Dokumentation dazu, «Wings Over The World», als TV Special separat konzipiert wurde.

«Rockshow»
umfasst die 30 Songs aus der damaligen Setliste. Aufgenommen wurden sie am 25. Mai 1976 in New York (4 Songs), fünf Songs vom 10. Juni aus Seattle, die Hälfte der Songs stammen vom 22. Juni aus Los Angeles, die restlichen sechs ebenfalls aus LA vom 23. Juni. «Rockshow» war der erste Film, den die Filmproduktions- und Verleihgesellschaft Miramax, die von den Brüdern Bob und Harvey Weinstein gegründet wude und heute zum Disney-Konzern gehört.

rockshow wingsNochmals in Fabre Wings Mk V: Jimmy McCullogh, Linda McCartney, Denny Lane mit der GIbson Doppelhals Gitarre, Joe English und Paul McCarntey auf ihrer Welttour 1975/76. – Foto: paulmccartney.com.

«Rockshow» hält die beste Besetzung von Pauls Band Wings, Wings Mk V mit Denny Laine, Linda McCartney, Schlagzeuger Joe English und Leadgitarrist Jimmy McCulloch fest. Es war die Besetzung, die die beiden Nummer 1 Alben «Venus And Mars» (1975) und «Wings At The Speed Of Sound» (1976) eingespielt hat. Die Band harmonierte, Denny und Jimmy sangen ihre Songs auch live und machten Songansagen. Von den Konzertaufnahmen aus den USA mischte Paul im Herbst 1976 das Livealbum «Wings Over America» ab. Die meisten Songs auf dem Album stammten vom Konzert in Seattle.

Die «Wings Over The World»-Tour startete am 9. September 1975 im Gaumont Theater in Southampton und endete 13 Monate später am 13. Oktober 1976 in Wembley. Es war in vielerlei Hinsicht eine Materialschlacht und eine der grössten Rocktouren überhaupt: In zwei LKW wurden Zwölfeinhalb Tonnen elektronisches Equipment transportiert. Die Tour machte in zehn Ländern auf drei Kontinenten: Australien, Nordamerika und Europa, Station. Dabei spielten die Wings nicht nur in Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA, sondern am 21. September 1976 auch hinter dem Eisernen Vorhang in Zagreb im damaligen Jugoslawien und heutigen Kroatien. Vier Tage später spielte die Band auf dem Markusplatz in Venedig ein Openair-Konzert. Zwei Millionen Zuschauer besuchten die 65 Konzerte. 34 davon fanden im Frühling und Sommer 1976 in 21 US-Städten statt, rund 600 000 Personen besuchten die Konzerte.

Wie es war, fangen sowohl «Rockshow» als auch die Dokumentation «Wings Over The World» ein. Die Setliste umfasste die Hitsingles von den Wings wie «Live And Let Die», «Hi Hi Hi» und «My Love», den Hauptteil machten Songs der Alben «Band On The Run» und «Venus And Mars» aus. Bei der US-Tour und den abschliessenden Konzerten in Europa im Sommer und Herbst 1976 kamen vier Songs aus dem aktuellen Album «Wings At The Speed Of Sound» hinzu. Zum ersten Mal seit der Trennung der Beatles hatte Paul mit «Yesterday», «Lady Madonna», «I’ve Just Seen A Face» «Blackbird» und «The Long And Winding Road» fünf Beatles-Songs im Repertoire. Die Konzerte wurden mit dem bis dato unveröffentlichten Rocker «Soily» beendet.

Produktionsprobleme führen zu Verzögerungen.
Ein Grund, dass die Beatles 1966 beschlossen, fortan auf Konzerte zu verzichten, war, dass sie sich auf den Bühnen nicht hören konnten. Ringo Starr erzählt in der «Anthology», dass er keine Ahnung hatte was seine Kollegen spielten, er erriet es, wie sie mit ihrem Po wackelten. Paul war klar, dass er nur auf Tour ging, wenn siche rstens die Band auf der Bühne hörte und auch das Publikum bestmöglichen Klang geniessen konnte. So half Paul für die Tour in Workshops mit der texanischen Firma Showco mit, den Klang für die Konzerte zu verbessern, die Lautsprecherleistung wurde von den üblichen 1000 Watt auf 15 000 Watt gesteigert. Die Innovation, die heute Standard ist, war, dass die Speaker über der Bühne aufgehängt werden und das Publikum von oben beschallen.

Paul Mccartney 1976 live wings over america
Paul und Linda McCyrtney live, 1976. Paul mit seinem Rickenbacher Bass, den er seit Mitte der 1960er-Jahre benützt.


Dass es dann ausgerechnet Tonprobleme waren, welche eine zeitgemässe Veröffentlichung von «Rockshow» verhinderten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ursprünglich wäre ein Begleitfilm mit dem Titel «Wings Over The World» für 1977 geplant gewesen, aber die Qualität der mit den Bildern erfolgten Tonaufnahmen war zu schlecht. «Der Klang war nicht so exzellent», so Paul, «wenn du die Musik nochmals neu einspielst, verlierst du die ganze Atmosphäre». Zusammen mit Chris Thomas, der 1968 beim Weissen Album der Beatles George Martins Assistent war und «Never Mind The Bollocks» (1977) von den Sex Pistols produziert hatte, mischte mit Paul McCartney die Musik immer wieder neu ab, bis die Qualität stimmte. Als die Dokumentation schliesslich im Frühling 1979 ausgestrahlt werden konnte, hatten Joe English und Jimmy McCulloch die Wings verlassen und waren durch Steve Holley und Laurence Juber ersetzt worden. Und Chris Thomas hatte das letzte Album der Wings, «Back To The Egg» produziert.

die Versionen
Die Kinofassung von «Rockshow» dauert 125 Minuten. Im Oktober 1981 erschien eine auf 102 Minuten gekürzte Fassung als Heimvideo im Betamax-Format. Der Film wurde um die Songs «Blackbird», «Call Me Back Again», «Picasso’s Last Words», «Lady Madonna», «The Long And Winding Road», «My Love» und «Richard Corey» gekürzt. 1982 folgten dann die Veröffentlichung als VHS-Videokassette, auf Laserdisc, und CED. Sämtliche DVD Veröffentlichungen danach waren Bootlegs.

2007 wurden auf der dritten DVD der Zusammenstellung «The McCartney Years» sieben Songs von «Rockshow» gezeigt. Eine schnelle Wiederveröffentlichung fand bis 2013 nicht statt.

die restaurierte Fassung von 2013
Einen Monat nach der Veröffentlichung von «Wings Over America» in der Archive Collection, erschien die längere, 125-minütige Version von «Rockshow» auf DVD und BlueRay. Hierfür wurde der Film digital von den original 35mm Negativen restauriert und der Soundtrack in 5.1 Dolby Surround Sound und DTS Digital Surround Sound remixed. Zuvor, am 15. Mai 2013, hatte der restaurierte Film bei BAFTA eine VIP Premiere im Beisein von Paul und seiner Frau Nancy. Tags darauf wurde er in einer limitierten Anzahl Kinos über die Welt, vor allem in den USA und England gezeigt. Diese Kinoversion wurde mit einer exklusiven Einleitung und einem Interview mit Paul ergänzt. Die Discs erhalten den Film «A Lovely Party» über die Premiere in London.

paul mccartney wings over america rockshow 1976

Für die Restauration war ein Team von Deluxe Production unter der Leitung von Mark Bonnici zuständig, ein Team von insgesamt sechs Digital Restoration Artits waren für die Restauration zuständig. Paul wird als ausführender Produzent aufgeführt. Erschien der Originalfilm viel zu spät nach den Konzerten, ist die restaurierte Fassung eine Augenweide mit satten Farben, gestochen scharfen Bildern und bester Soundqualität.

Eine Woche vor der Veröffentlichung konnte «Rockshow» exklusiv auf Pauls Facebookseite gestreamt werden. Die DVD erscheint in einem Buchcover, das Booklet enthält 16 Seiten mit bekannten Fotos von den Konzerten, Reprints von Kinoplakaten, den Angaben zu den Songs und ein Begleitwort von Paul Gambaccini. Herausgegeben wird der Film durch Eagle Rock.

die Premieren
Premiere feierte «Rockshow» am 26. November 1980 im Ziegfeld Theatre in New York. Paul nahm nicht daran teil, weil er damals im Studio war und in Australien war die Premiere am 18. Dezember und erst fünf Monate später, am 8. April 1981 fand im Dominion Theater am Piccadilly Circus in London die UK Premiere statt, an der Paul und Linda McCartney teilnahmen. Unter den Gästen waren u.a. Pauls neuer Mitmusiker Eric Stewart von 10 CC, Kenny Jones von The Who, Mike Oldfield, Garry Glitter und Lord Snowden und Prinzessin Margret.

paul mccartney rockshow uk premiere victor spinetti
Paul McCartney unterhält sich an der UK-Premiere von «Rockshow» mit dem Schauspieler Victor Spinetti, der in den drei Beatles-Filmen in den 60er-Jahren und 1978 im Videoclip von «London Town» mitspielte. Foto: Twitter @paulmccartney


Als Vorfilm wurde der an den Filmfestspielen in Cannes mit einer Goldenen Palme ausgezeichnete Animationsfilsm «Seaside Woman» von Oscar Grillo zum gleichnamigen Song von Linda McCartney gezeigt. Das Publikum war begeistert, spontan gaben Paul und Linda eine Backstageparty, während auf dem Circus rund 1000 Wingsfan warteten und hofften, einen Blick auf Paul und Linda in Natura zu erhaschen. Der Filmstart in Deutschland war am 28. September 1981.

Rezeption und Statisik
Pat Collins sagte in der «Good Morning America» auf ABC: «‹Rockshow› ist eine pure, kosmische Erfahrung in einen Film übersetzt. McCartney ist ein vollkommener Entetainer, unterstützt von einer erstklassigen Gruppe.» «Step» stellt fest: «State-Of-The-Art Dolby Aufnahmetechnik hat den Sound unendlich überlegen gemacht, und die meisten werden mehr sehen als auf einem Stuhl am Konzert selber und werden wahrscheinlich auch ein besseres Ohr voll mitnehmen.» Und Ira Mayer schrieb in der «New York Post», dass «Rockshow» so direkt ist wie ein Rock-Konzertfilm sein kann und lobt den hervorragenden Stereo-Sound hevor. Das positive Echo hält bis heute an: In der IMDB, der International Movie Database erhält «Rockshow» 8,1 von 10 Sternen.

Die 2013er-Wiederveröffentlichung von «Rockshow» erreichte ihre höchste Chartplatzierung in der Schweiz mit einem 2. Platz in den DVD-Charts. In Holland reichte es für Rang 3, in Deutschland Platz 56.

Mit dem Film verbundene Veröffentlichungen:
Wings Over America; Livealbum 1976
Wings Over The World, TV-Special, 1979


rockshow silly love songs mccartney
Paul McCartney singt auf der «Wings Over America»-Tour seinen aktuellen Single-Hit «Silly Love Songs». – Screenshot aus «Rockshow» von paulmccartney.com


rockshow vhs mccartney

Tracklist 1981 Video:
Venus And Mars / Rock Show / Jet
Let Me Roll It
Spirits Of Ancient Egypt
Medicine Jar
Maybe I'm Amazed
Live And Let Die
Bluebird
I've Just Seen A Face
Yesterday
You Gave Me The Answer
Magneto And Titanium Man
Go Now
Listen To What The Man Said
Let 'Em In
Time To Hide
Silly Love Songs
Beware My Love
Letting Go
Band On The Run
Hi Hi Hi
Soily


Tracklist 2013 DVD-ReIssue

rockshow dvd

Venus And Mars / Rock Show / Jet
Let Me Roll It
Spirits Of Ancient Egypt
Medicine Jar
Maybe I'm Amazed
Call Me Back Again
Lady Madonna
The Long And Winding Road
Live And Let Die
Picasso's Last Words
Richard Cory
Bluebird
I've Just Seen A Face
Blackbird
Yesterday
You Gave Me The Answer
Magneto And Titanium Man
Go Now
My Love
Listen To What The Man Said
Let 'Em In
Time To Hide
Silly Love Songs
Beware My Love
Letting Go
Band on the Run
Hi Hi Hi
Soily

Bonus-Film:
A Very Lovely Party

Kinoposter von 1980/81

rockshow poster mccartney

mccartney rockshow plakat 1981 brd
Das Original-Poster aus den USA (1980) oben und das Kinoplakat aus der BRD von 1981 (unten).
















Links:

http://www.paulmccartney.com

 


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