«Haben sie schon einmal Ufo gesehen?»
«Ja, ich habe schon einmal ein Ufo gesehen. Und zwar genau das, was die meisten erzählen, ein Ufo wäre. Nicht eine fliegende Untertasse, sondern ein Ufo im wahrsten Sinn des Wortes: ein unidentifiziertes Flugobjekt.»
«Weshalb glauben Sie, dass es ein Ufo kein Flugzeug gewesen ist?»
«Flugzeuge fliegen auch nachts normal. Je nach Flughöhe kann man noch das Blinken der Positionslichter erkennen. Es war damals, an einem der Abende im Garten Bindings gewesen. Waren dort bei den Tannen gestanden. Im Haus waren die Lichter gelöscht, es war kein Licht zu sehen, ausser unseren rot glühenden Zigaretten. Rauchten und sprachen über die eigenen Promovierungsprobleme im Sommer. Es war stockdunkel. Dunkelschwarz lenkten die Berge den Blick in den mittelschwarzen Himmel. Irgendwo stand der Mond, in der Ferne stand der Komet, sonst war der Himme von Sternen übersät. Schauten von Zeit zu Zeit hoch, vielleicht zum Kometen, vielleicht zum Mond. Wer kann das nach all den Jahren noch sagen? Dann haben wir es gesehen.» «Wie hat es ausgesehen?»
«Es war eine Lichtkugel. Dachten zuerst an einen Helikopter von der Geschwindigkeit und der Flughöhe her. Konnten seine Rotoren nicht hören, nur sein Licht sehen. Es war ein weisses Licht, das langsam über die Bergrücken der nahen Hochwangkette flog. Verfolgten seinen Flug Tal aufwärts, vom Rheintal bis zur Gotschna, vielleicht auch Davos. Dachten eher an Davos, da er etwas nach rechts abbog. Sahen wie er seinen Schweif oder Kondensstreifen hinter sich herzog, dachten aber nichts weiter dabei. Wahrscheinlich war der Helikopter bereits über Davos, wenn nicht schon über dem Engadin. Sogleich schwenkte er nach links, flog ein lang gezogenes Z und beschleunigte dabei. Die ganze Zeit über zog er einen Lichtstrahl nach sich und dann war er plötzlich verschwunden. Waren uns einig, ein Ufo gesehen zu haben. Die meisten Augenzeugenberichte schildern Ähnliches. Nichts mit grünen Männchen oder weissen Wesen mit grossen, schwarzen Augen.»
«Sie haben es für einen Helikopter gehalten?»
«Bis zum Z-Flug schon. Lächerlich, nicht wahr, dass man sich selbst offensichtlich Unerklärliches rational erklärt?»
«Weshalb meinen Sie?»
«Haben Sie schon einmal einen Helikopter mit Kondensstreifen gesehen? Geschweige denn eine fliegende Lichtkugel?»
«Nein. Was denken Sie, ist es gewesen?»
«Was es war? Sagte es doch vorhin, ein Ufo. Nein, nicht das einzige Ufo. Zwei Jahre zuvor. schon einmal: Hatten am Froschteich Würste grilliert und ein Fässchen Bier geöffnet. Das Wochenende über fand das Zürifäscht statt. Lagen in der Wiese, hörten die Radioübertragung und schauten das Feuerwerk über dem Seebecken an. Das grössere Feuerwerk aber spielte über dem Üetliberg. Vier oder fünf grosse, helle Punkte stiegen langsam über den Kamm hoch. Sie schwebten aber nicht an Ort und Stelle, sie tänzelten beinahe. Mal etwas höher, mal etwas tiefer. Schauten uns an. Sind zu sechst am Teich gewesen. Alle haben die Lichter gesehen, die nach dem Ende des Feuerwerkes so plötzlich verschwanden, wie sie aufgetaucht waren. Waren uns einig, Ufos gesehen zu haben. Waren nicht die einzigen. Eine Woche später fragte der ‹Tages Anzeiger›, ob das Zürifäscht von Ufos besucht worde wäre. Das Gerücht verbreitete sich in der ganzen Stadt. Einige Tage danach lüftete der Blick scheinbar das Geheimnis. An einem Fest in Affoltern am Albis hatte jemand Ballons steigen lassen. Die Fluggeschwindigkeit stimmte.»
«Sie zweifeln dennoch?»
«Weshalb leuchteten die Ballone in der Nacht? Und weshalb zeigten sie sich nur während des Feuerwerks? Klingt nach den Wetterballonen von Roswell. Eine vernünftige Erklärung zwar, aber ob es die richtige ist? Wie bitte? Sie sind noch nicht überzeugt? Doch, doch, habe noch eine weitere Ufo Sichtung auf Lager. Es war im Sommer. Sass auf dem Balkon und schaute auf die langsam einschlafende Stadt. Beobachtete wie immer bei solchen Gelegenheiten die Sterne. Einer fiel auf, leuchtete so hell wie ein Planet. War aber keiner. An die Venus ist man gewöhnt. Schaute weiter auf die Stadt. Dann wieder an den Himmel. Der helle Punkt war noch immer da. Doch dann, was war das? Der Punkt wurde langsam dunkler. Vom gelblichen Licht wurde er röter, danach wechselte das Spektrum von violett über blau ins Schwarze. Er erlosch einfach wie ein Glutfunken an einem Stecken. Danach war Nachthimmel. Ein Stern, einfach so erloschen wie die Glut.»
«Stand etwas in der Zeitung?»
«Nein, am anderen Tag stand nichts in der Zeitung.»
«War es wirklich ein Stern?»
«Kaum, die erlöschen nicht mir nichts dir nichts.»
«Ein Satellit?»
«Hielt ich lange für eine Möglichkeit. Oder aber ein Raumschiff.»
«Ein Raumschiff?»
«Oder die Raumstation. Vielleicht hatte das Spaceshuttle über Zürich seine Nachbrenner gezündet und war dabei von der Sonne beschienen.»
«Kein Ufo?»
«Nein, kein Ufo. Habe natürlich für diese dritte Sichtung eine wissenschafliche Erklärung bereit, die hieb und stichfest ist. Habe einen Iridium-Flare gesehen.
«Ein Iridium-Flare?»
«Das ist eine helle Lichterscheinung am Himmel, die ein paar Sekunden dauert. Ausgelöst durch die Reflexion von Sonnenlicht von einem der 66 Iridiumsattelitten, welche die Erde umkreisen. Man sieht diess Licht übrigens auch bei Tag.»
«Also sind Ufos Humbug?»
«Das fragen Sie nach meinen drei Sichtungen?»
«Sie haben einen Iridium-Flare gesehen.»
«Genau.»
«Und Wetterballone …»
«Möglicherweise Ballone.»
«Scheint aber eine plausible Erklärung zu sein.»
«Abgesehen von ein paar offenen Fragen, weshalb die Ballone nur während des Feuerwerks aufgestiegen waren und weshalb man sie im Dunkeln gesehen hatte.»
«Bleibt noch das Z.»
«Sag ich’s doch. Ein unbekanntes Flugobjekt, das sich so verhält, wie es immer wieder geschildert wird.»
«Das ist in der Tat merkwürdig. Aber hierfür wird es wie beim Iridium-Flare eine logische Begründung geben.»
«Vielleicht. Ich weiss was ich gesehen habe.»
«Eine fliegende Untertasse…
«Nein, keine fliegende Untertasse. Ein Ufo. Etwas, was flog, das seltsam anzuschauen war und die Flugbahn irritierte. Mehr nicht.»

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Ufo über Zürich? Nein, aber das Spaceshuttle, gesehen 2005 von der ISS.
– Foto: nasa.gov

Iridium-Flare aufgenommen ohne Teleobjektiv am 22. August 1998 in Pacengo am Gardasee.

Foto: Wikipedia/Paolo Bussola, paolobussola.com