Kleider machen Leute
24. August 2009


Es ist bereits früher Nachmittag und die Sonne brennt mittlerweile gnadenlos vom Himmel. Ich habe mir nach dem Vorstellungsgespräch im «Restaurant Schwamedinge» ein Cordon Bleu gegönnt und bin befinde mich nun auf der Rückfahrt durch das Siesta haltende Oerlikon nach Höngg, das auf der anderen Seite des Milchbucks liegt. Trotz der Hitze bin ich den Herbstweg und die Regensbergstrasse hochgetrampt, aber das kurze, steile Stück die Allenmoosstrasse ist mir zuviel, weshalb ich vom Velo steige und froh bin, dass die eine Strassenseite am Schatten ist. Kaum bin ich zu Fuss unterwegs, fliesst der Schweiss in Sturzbächen und ich werde mir bewusst, dass auch ich wohl zu 75% aus Wasser bestehen muss. An der Kreuzung zur Oerlikonerstrasse, im Hintergrund strahlt die frisch renovierte reformierte Kirche Oerlikon in ihrer Pracht, kommt mir eine alte Frau entgegen.
«Um Himmels willen, ziehen Sie ihre Tschopen aus! Sonst kriegen Sie einen Hitzschlag!», ruft sie mir zu. Ich halte an und sehe, dass sie nun etwas schneller läuft. Zum Gehen benötigt sie eine Stock.
«Ziehen Sie Ihren Tschopen aus. Sie haben ja einen Gepäckträger, da können Sie ihn einklemmen.»
Nicht gerade ideal, denke ich, sonst hätte ich es schon lange gemacht und wäre im Hemd oder T-Shirt gefahren. So habe ich mir nur Lockerung verschafft, indem ich mir die Krawatte ausgezogen habe.
«Nein lassen Sie das mit dem Gepäckträger», meint die alte Dame nun atemlos, «sie verlieren sonst nur ihren Tschopen.» Sie atmet kräftig durch. «Vorige Woche habe ich eine Jacke auf der Strasse gefunden. Hat wohl auch jemand auf dem Gepäckträger gehabt. Sie haben aber einen schönes Jackett.»
Ich bedankte mich artig.
«Fahren Sie schön am Schatten bei dieser Hitze», riet sie mir nun.
«Deshalb fahre ich hier durchs Quartier und nicht über die grossen Strassen.»
«Ganz recht! Und schöner ist es ohnehin hier.»
Ich lächle und verabschiede mich von ihr und beginne mein Velo weiterzustossen.
«Darf ich Sie etwas fragen?» ruft sie mir nach. Ich drehe mich um.
«Ja, bitte.»
«Sind Sie der Pfarrer hier? Oder doch nicht?»
«Nein, der bin ich nicht», antworte ich verblüfft.
«Dachte ich es mir doch, dass Sie nicht der Pfarrer sind. Aber warum sind Sie so fein angezogen? Sie kommen doch nicht von einer Beerdigung?»
«Nein glücklicherweise nicht. Ich war heute Vormittag, als es noch kühler war, an einem Vorstellungsgespräch.»
«Für die Arbeit sich schön anzuziehen, lohnt sich!», sagt sie nun in voller Überzeugung. Danach ballt sie Ihre Hände zu Fäusten und reckt sie in die Höhe. «Ich drücke Ihnen beide Daumen!»
Ich bedanke mich und verabschiede mich von ihr. Während ich mich nun dem Freibad Allenmoss entlangfahre, frage ich mich, ob ich in meinem dunkelblauen Nadelstreifenanzug so pastoral wirke.


 

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Zürich Höngg (Charles Clerc) – 18. August
Zürich, Espressino Due – 15. August
Phil – 15. August

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Eröffnung – 7. September
von der Bedrohung durch ein Gebet – 1. Oktober


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