la Mutta
23. September 2010


Mit der katholischen Kirche hatte sich im vierten Jahrhundert ein bestorganisierter Staat im Staat innerhalb des militärisch organisierten römischen Reichs gebildet. Das Christentum als Staatsreligion anzuerkennen war für Konstantin gemäss seinen Biografen mehr ein politischer denn ein religiöser Akt, erreichte eine neue Verordnung via die Bischöfe und die Kanzeln das Volk effizienter und direkter. Einmal zur Staatsreligion geworden, setzte das junge Christentum die erfolgreiche Politik fort, die es erst so gross werden liess: die Adaption und Neuinterpretation des bestehenden. Angefangen bei den heidnischen Bräuchen: das jüdische Passahfest entspricht Ostern, das Julfest zur Wintersonnenwende wurde zu Weihnachten. Aller tatsächlicher und angedichteter Lustfeindlichkeit zum Trotz und wie das Beispiel der Fasnacht zeigt, über Jahrhunderte etablierte traditionelle Volksfester streicht man nicht per Konzil aus dem Kalender. Als sichtbarer Beweis dieser Taktik und sichtbarer Beweis der neuen geistlichen Autorität usurpierte das Christentum heilige Orte und baute dort seine Kapellen, Basiliken und Kirchen. Beispielsweise das Menhirfeld von La Mutta.

Die Menhirfelder von Carnac sind ob der schlichten Menge beeindruckender, in Stonehenge fehlen die Menhire, aber die Bogen im inneren Zirkel sind noch vorhanden. Im Hinkelsteingarten von Falera zeigen Schalensteine und Menhire die Winter- und Sommersonnenwende, der Mondpfeilstein peilt die Position der fast totalen Sonnenfinsternis von 1089 v. Chr. an. Drei weitere Steine bilden ein exaktes Dreieck nach Pythagoras – gut ein Jahrtausend bevor dieser seinen berühmten Satz formuliert hatte. Den Abschluss des Feldes bildet die romanische Kirche St. Remigius, die erstmals 1045 in einer Schenkungsurkunde Kaiser Heinrich III. schriftlich erwähnt wird. Eine der schönsten ihrer Art. In ihrem Innern allerdings schlagen der barocke Altar und die kitschigen Barockfresken in einem internen Akt schwülstiger Rekatholisierung die nüchterne mittelalteriche Architektur und die feinen mediävalen Fresken zu Tode.

Das liebliche katholische Kirchlein bildet den aufgepfropften Abschluss des keltischen Menhirfeldes. Unpassend und stimmig zugleich. Ist es Zufall, dass die junge christliche Kirche alles in sich aufgesogen und Zwecks Machterhalt bis zur Unkenntlichkeit umgeformt hat, zur Staatsreligion im römischen Reich wurde, das seinerseits alles aus seinen eroberten Gebieten aufgesogen und Zwecks Machterhalt bis zur Unkenntlichkeit umgeformt hat? – Die Astronomen des 20. Jahrhunderts haben die Menhirfelder längst von religiösen zu wissenschaftlichen Kultstätten umfunktioniert. Trotz Sternwarte und Planetenweg lässt die schlichte Existenz der weiss gestrichenen Kirche diese säkulare Weltanschauung zu dem werden, was sie ist: Theorie.

Auf geweihtem Boden stehend, der seit 3 500 Jahren Gottesdiensten dient, lässt einem für einen Moment ehrfürchtig innehalten und der längst untergegangenen und der wegreformierten Kultur der eigenen Ahnen Respekt entgegenbringen.

Heute ist Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche.

la mutta



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