Grialetschhütte
12. August 2011


Während ich am Vormittag durch Davos schlendere, probt Werner im reformierten Kirchgemeindehaus Davos Platz für den Gottesdienst und sein Konzert am Sonntag. So können wir morgen eine Tageswanderung unternehmen. Unsere fünften gemeinsamen Davoser Wanderferien krönt bereits heute Nachmittag der Aufstieg zur Grialetschhütte. Die silberne Ana stationieren wir auf dem Parkplatz beim Dürrboden. Werner ist wie gewohnt beim Aufstieg mein Pacemaker, beim Abstieg werde ich ihm den Weg weisen. Zu Beginn bin ich trotz Aufstieg noch vorausgehend, als uns ein älteres Ehepaar mit einem braunem Labrador entgegen kommt. Der Hund springt auf einen Felsbrocken, setzt sich und posiert stolz wie ein Adonis, worauf ihm die Dame ein Leckerli gibt.
«Wenn Sie es dem Hund gleichtun, kriegen Sie auch eines», meint Werner im Vorübergehen zum Herrn.
«Das nützt mir auch nichts mehr», antwortet dieser lachend.

Seither schreitet Werner nun im Takt voran, während ich versuche, den Anschluss nicht zu verlieren. So tief durchgeatmet wie während des Aufstieges auf dem Talboden dem Dürrbodenberg und dem Furggabach entlang, habe ich schon lange nicht mehr. Immerhin habe ich Werner nie aus den Augen verloren und bin nun innerlich durchgelüftet. Die Aussicht auf den Piz Grialetsch und den Scalettagletscher entlohnen für die Anstrengung. Wenige Wanderer überholen uns. Ab und zu kreuzen wir welche, wie ein Grossvater und sein Enkel. Der Knabe trägt eine weisse Hose und eine hellblaue Jacke und eine rote Schirmmütze mit einem Aufdruck. Sein Grossvater trägt Bluejeans und ein rotes T-Shirt. sein weisser Bart ist ordentlich gestutzt, er trägt eine weisse Baseballmütze mit blauem Schirm. Beide tragen Sonnenbrille und haben in der rechten Hand einen Wanderstock. Der Knabe trägt einen Rucksack, der Grossvater auf seinem Rücken ein Gestell, worauf eine Bananenschachtel und ein blauer, gefüllter 60 Liter Abfallsack gebunden sind.

Weiter geht es über den Furggasee, die Fuorcla da Grialetsch und zwei weiteren keinen Bergseen entlang und an einer grasenden Kuh vorbei, dann kommt die Grialetschhütte in Blick. Es ist ein dreigeschossiges Haus, die Fassade sind rötliche, bräunliche und gräuliche Steine, die eher kleinen Fenster haben rote Läden. Werner wartet nach der Kuh auf mich, gemeinsam gehen wir zur Hütte. Dort angekommen, melden wir uns in der Gaststube. Werner bestellt ein Mineral, ich nehme ein Bier. Während Werner im Innern der Hütte bleibt, setzte ich mich auf die Terrasse. Tausend Höhenmeter oberhalb von Davos und mit Ausblick auf das Flüela Schwarzhorn, schmeckt mir der Gipfelzigarillo zum Bier so gut wie noch selten. Verdient sind beide, denn Werner und ich haben die Zeitangabe von zwei Stunden für den Aufstieg auf den Wegweisern mit mehr als zehn Minuten unterboten.


Ich studiere rauchend die Gipfel, den Piz Vadret und den Piz Radönt. Nachdem ich mich erholt habe, gehe ich auf der Terrasse umher und beobachte, wie eine weinrote und eine meerblaue Schürze mit Segelschiffen und Leuchttürmen darauf, sowie ein oranges Badtuch und ein blaues Bikini unter dem rotweiss gestreiften Windsack an einer Wäscheleine im frischen Wind knattern. Danach setze ich mich wieder an meinen windgeschützten Platz. Kurz darauf tigert eine sportliche, kurzhaarige Frau im Alter von Werner, ungeduldig auf der Terrasse herum. Irgendwann taucht ein einsamer Wanderer vom Flüelapass kommend auf.
«Schön, dich zu sehen, Sohnemann!», begrüsst sie den Neuankömmling und umarmt ihn. Wo der Rest geblieben wäre? Den habe er abgehängt, antwortet er.
«Ja, ja. Du warst schon immer der schnellste von allen», antwortet die Mutter halb spottend halb rechthaberisch. Ungefähr zehn Minuten später erreicht ein Paar in meinem Alter die Hütte, die junge Frau ein paar Schritte hinter dem Mann. Sogleich schliesst die kurzhaarige Frau den Mann in ihre Arme.
«Hallo Sohnemann. Schön, die ganze Familie wieder einmal vereint zu haben.» Die junge Frau erreicht die Terrasse, anstelle einer Begrüssung weist die Mutter die Neuankömmlinge gleich ein: «Wir schlafen im Obergeschoss, wo die Viererschläge sind», und verschwindet im Innern der Hütte. Sohn und Schwiegertochter gehen wortlos an mir vorbei und betreten ihrerseits die Hütte.

Nach halb sechs nehmen Werner und ich den Abstieg unter die Füsse. Hier im Hochgebirge hängen die Wolken und verdecken immer wieder die Sonne, zudem der frische Wind. In Richtung Davos ist es hell und blauer Himmel lässt sich erahnen. Wir machen uns auf ins Licht. Der Abstieg fällt uns ähnlich leicht wie der Aufstieg, bloss weniger anstrengend. Bevor wir auf den Dürrboden einbiegen, fasziniert die gestochen scharfe Lichtgrenze. Das obere Dischmatal, das Bockten- und Chüealphorn sind im Trüben, ihre Felsen noch dunkler als sonst, dann, als wäre ein Vorhang aus Sonnenstrahlen gezogen, liegt der Dürrboden im Sonnenlicht. Auf dem Rest des Weges sind wir alleine. Wir benötigten ungefähr die Fünfviertelstunden, die auf dem Wegweiser bei der Grialetschhütte angegeben sind. Mit der silbernen Ana fahren wir das Dischmatal hinab zurück nach Monstein. Gegen neun wird es ein spätes Nachtessen geben.

davos giraletschhütte sac 2011




frühere Einträge
:
das Auge Gottes – 11. August
unheimliche Begegnung – 11. August
Anreise – 11. August

folgende Einträge:
Weissfluh – 13. August
Strelapass– 13. August
Bergrestaurant Strelapass – 13. August


zurück zu 2011
zurück zur Blogübersicht
VzfB-Home


© 2011/2020 by VzfB. All Rights reserved.