Flims Hotel Vorab
25. Mai 2012


Beende eben meinen Hauptgang: Lachs an einer Weissweinkräutersauce, als sie die Stiva Vorab betreten: zwei der vier alten Zürcher, die mich ebenda vor zwei Jahren zu «Noxius» inspiriert haben. Strahlend lassen sie sich zu ihrem Platz im hinteren Teil führen. Zuvorderst, wie immer, Slift-Kummer, für einmal nicht im lindgrünen Anzug, dann das Alter Ego von Erwin Brauchbar. Beide lächeln mich, so scheint es, wissend an und grüssen mich. Schönstes Zürichdeutsch füllt die Stiva Vorab. Für einen kurzen Augenblick entsteht Vertrautheit – Zürcher unter sich – oder doch eher sich erdreistende lebendig gewordene Romanfiguren, die ihrem Schöpfer ins Gesicht lachen?

Slift-Kummer und Brauchbar AOC setzen sich. Einen Moment später folgt der dritte, der bei mir den Part von Peter Genicht erhalten hat, wie immer, wenn ich die Inspiratoren zu meinem Roman sehe, in einem weinroten Pullover gekleidet. Auch er strahlt in die Stiva Vorab, schaut mich zunächst leicht kritisch an, und erwidert danach meinen Gruss noch strahlender als seine beiden Freunde. Ob der vierte der Runde noch kommt, so entnehme ich dem Gespräch mit dem Personal, ist unsicher, vielleicht nach neun Uhr. Entgegen meines Plots fehlt Innoozenz Ozenfant, bzw. seine Inspirationsquelle. Die Wiedersehensfreude der drei alten Zürcher mit der blonden holländischen Serviertochter ist gross, schnell stellt diese fest, dass immer, wenn die vier alten Zürcher in Flims sind, die Sonne scheinte
«Drei Engel auf Reisen!», sagt Kummer-Slift, «darum ist immer schönes Wetter.»
«Manchmal auch mit einem B voran», ergänzt Erwin Brauchbars alter Ego, der neben Kummer-Slift sitzt. Allgemeines Gelächter füllt die Stiva Vorab.
«Nur zweieinhalb!», wirft das Peter Genicht Original ein. «Die beiden mir gegenüber sind die Engel.» Sie tauschen sich über ihre heutige Anfahrt aus und bestellen, Kummer-Slift Schweinsfilet im Speckmantel, Brauchbar-alter-ego Züri Gschnätzlets, Genicht-Original Cordon Bleu mit Pommes Frites. Kummer-Slift führt die Unterhaltung als Redeführer an. Sie kommen von der Anreise zu ihren Hobbies zu sprechen: Genicht-Original filmt gerne, noch immer analog mit Kassetten. Brauchbars Alter-ego kommt auf seine Pläne zu sprechen. Im Januar werde er wieder nach Kambodscha und Laos fliegen. Ob er keine Angst hätte, entführt zu werden, fragt Kummer-Slift.
«Die sind selber schuld, wenn sie einen wie mich entführen!», lacht Brauchbar-alter-ego.
«Allerdings», denke ich, die Biografien meiner Romanfiguren vor Augen.

Was ich über meine vier Inspiratoren herausgefunden habe: Erwin Brauchbar scheint Lehrer zu sein und hat es mit den Gelenken, bückt er sich, kann nicht mehr aufstehen. Peter Genicht lebt in Brugg und wird senil, er ist in natura sicher zehn Jahre älter als im Buch, Innozenz Ozenfant lebt am See. Und im Gegensatz zum Buch führt Erwin ständig die Diskussion an. Die SVP mag er nicht, aber auch nicht die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, welche linke Kreise lanciert haben. Kummer hat kein Verständnis für die Haltung Deutschlands in der Euro-Schuldenkrise. Erwin Brauchbar freut sich über François Hollande als neu gewählter Präsident Frankreichs und seine Politik, neben dem Sparen auch das Wachstum berücksichtigen zu wollen. Ihr Hauptgesprächsthema bis in die Details ist aber der Ausbau der Zürcher S-Bahn. So falsch konnte ich vor zwei Jahren also nicht gelegen haben, als ich ihre literarischen Pendants zu den Mitgliedern des in Realität nicht existierenden Modellbahnclubs Surselva gemacht hatte.




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