im Kantorat
26. Januar 2016


Pfarrerstochteralarm: Ich höre die Gartentüre, Kinderschritte im Korridor und gleich darauf eine klare Mädchenstimme, die freudig erzählt, dass sie heute im Kindergarten getanzt hätte.
«Das ist doch schön!», klingt Daniels lachender Kantorentenor durch Bullingers Antisitium und quer über die Etage zu mir. Danach erneut Kinderschritte, ein blonder Sonnenschein betritt strahlend mein Büro. Elisa tritt an meinen Schreibtisch und erzählt, dass im Kindergarten getanzt wurde.
«Zeigst du mir den Tanz?», frage ich erwartungsvoll.
«Nein!», sagt sie lachend, «jetzt gibt es Zmittag.»

Am frühen Nachmittag ist Elisa auf der Etage und sieht, wie ich das Büro betrete. Sie folgt mir und als sie mich erreicht hat, sagt sie:
«Du hast einen runden Bauch.» Und nach einem Moment: «Warum hast du einen runden Bauch?»
«Weil ich etwas gutes zu Mittag gegessen habe», antworte ich. Elisa blickt an sich runter und verbiegt sich: «Schau, ich habe auch einen runden Bauch.»

Eine Stunde später höre ich die Tür der Pfarrwohnung im Obergeschoss, fröhliche Mädchenstimmen und das leichtfüssige Tappen auf der Treppe. Elisa diskutiert mit ihrer älteren Schwester Miria. Sie gehen an meinem Büro vorbei. Wie immer ignoriert mich Miria, sie grüsst mich nur ausserhalb des Pfarrhauses, wenn sie sich unbeobachtet fühlt und nicht anders kann. Sie legt einen Zwischenhalt im Sekretariatsbüro ein und grüsst Sabine, die in einem Fach ihre Lehrerin ist, was Elisa veranlasst, zu mir ins Büro zu kommen. Sie trägt einen dunkelblauen Trainingsanzug, den sie mir nach der Begrüssung erwartungsvoll präsentiert.
«Ich gehe mit Miria Sport machen», sagt sie nach dem pflichtgemäss erhaltenen Kompliment und erinnert sich dann an ihre Turnschuhe, dunkle Farbe und weisse Sohle.
«Schau, der Eifelturm», sagt Elisa und streckt mir die Sohle entgegen. «Wenn die Sohle sauber ist, sieht man ihn nicht mehr. Die Schuhe haben vorher Miria gehört und sie hat sie einmal so sauber geputzt, dass man den Eifelturm nicht mehr sehen konnte, weil alles so weiss gewesen ist.»
«Toll», sage ich.
«Mir gefällt die Sohle besser, wenn man den Eifelturm sieht. Sonst ist sie zu sauber», entgegnet Elisa und stürmt aus dem Büro. Grinsend frage ich mich, ob ich Miria einmal bitten soll, meine Schuhe zu putzen.

Etwas später gehe ich zur Küche, um mir einen Espresso von George Clooneys Lieblingskaffee zu machen. Wie immer merkt man, dass Miria in den Garten gegangen ist. Die Gartentür ist eine Doppeltür, wenn es hoch kommt, lässt Miria bloss eine davon geöffnet. Schliesse auf dem Rückweg die Innentür und blicke aus dem Fenster in den Garten. Ein wunderbares Bild, wie die beiden Schwestern im Garten herumtollen und miteinander spielen.

Gegen Abend kommt Elisa erneut in mein Büro und tritt an den Schreibtisch.
«Warum hast du so einen grossen Computer und der andere ist so klein?», fragt sie mit Nachdruck. Im Vergleich zu Daniels 27 Zoll Mac wirkt der 13 Zoll HP-Bildschirm auf dem Pult gegenüber direkt winzig.
«Weil mein Computer Daniel gehört und der andere der Kirchgemeinde ist», erkläre ich.
«Warum ist dann deiner so gross?», fragt Elisa und schaut mich an.
«Daniel hat den Computer von zuhause mitgebracht. Er mag grosse Bildschirme.»
«Warum?»
«Weiss ich nicht, das musst du ihn selbst fragen.»
«Er ist aber nicht da», protestiert Elisa und betrachtet meinen Bildschirm.
«Und dann ist er so gross, damit ich mich dahinter verstecken kann, wenn du kommst», entgegne ich. Es rattert hinter der Kinderstirn. Ich erwarte Widerspruch von der Art, dass ich gemein wäre. Stattdessen entgegnet Elisa ernst: «Du kannst dich aber auch unter dem Tisch verstecken», lacht mich an und macht Anstalten, ihren Worten Taten folgen zu lassen.
«Dann seh ich aber nicht mehr auf den Bildschirm», protestiere ich.
«Musst du beim Verstecken auch nicht», bemerkt sie und verlässt nun das Büro.





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:
im Kantorat – 19. November 2015
Samstagnachmittag – 7. November 2015
Willkommen in der Schweiz – 5. November 2015


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zurück aus der Gruft – 30. Januar
Präszisierung – 31. Januar
das übliche Muster –8. Februar


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