Eine lustvolle Auseinandersetzung mit Max Frisch
 
Über allem trohnt die Feststellung von Max Frisch, dass man keine Geschichte sondern bloss Erlebnismuster hat. Stimmt das?

frisch
Max Frisch (1911–1991), dessen Tagebücher zum literarischen Kanon des 20. Jahrhunderts gehören.

«Zwei oder drei Erfahrungen, wenn’s hochkommt, das ist’s was einer hat, wenn er von sich erzählt, überhaupt wenn er erzählt: Erlebnismuster – aber keine Geschichte. (...) Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.»
Max Frisch – Mein Name sei Gantenbein (1964)

Gibt man bei Google den Suchbegriff Blog ein, findet die Suchmaschine in 0,2 Sekunden über dreieinviertel Milliarden Blogs. Stündlich werden es mehr. Blogs sind Internet-Tagebücher. Und Tagebücher sind etwas persönliches. Ein Widerspruch?

Sowohl Links- wie Rechtsintellektuelle bezeichnen Max Frischs «Tagebuch 1946–1949» als eines der wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Weshalb? Frisch beobachtet und wertet nicht. Sie sind Bestandesaufnahme und Chronik ihrer Zeit. Am Ende bleibt die Frage, wo man mehr persönliches über Max Frisch erfährt, in seinen Tagebüchern oder bei «Homo Faber» und «Stiller»

Weshalb ist «Tintin» die erfolgreichste Comicserie und David Lynchs Serie «Twin Peaks» Kult? Es sind die Details wie die Missgeschicke die Kapitän Haddock widerfahren oder Agent Dale Coopers Zelebration des Kaffeetrinkens.

Es gibt nichts spannenderes als la p’tite vie quotiedienne. Deshalb haben Formate wie «Big Brother» und Hape Kerkelings Bericht über seine Reise auf dem Jakobsweg derart Erfolg. Durch die Schrullen und Erlebnisse der anderen wird einem der eigene Alltag erträglich.

Deshalb sind Blogs und Zeitungskolumnen so beliebt. Man möchte sich bestätigt wissen, dass allen so geht wie einem im eigenen Leben, dessen Protagonist man ist. Man sucht die Gewissheit, dass man nicht alleine ist da draussen. Denn da draussen, mitten im Leben, ist es furchtbar einsam, kalt und hart. Wie gut, dass man darüber schreiben kann. Und anonym in den Blogs und Kolumnen lesen und Trost finden.

Der VzfB-Blog ist ein Tagebuch, das nicht auf das persönliche Innenleben des Verfassers abzielt sondern dessen Erlebnisse aus dem Alltag schildert. Ob man nun mit Kuno Lauener im Studio ist, auf dem Berg vor dem Gewittersturm Deckung sucht, über kurlige Sprachverwendungen nachdenkt oder die Euro 08 und den Kollaps des globalen Finanzsystems am Rande miterlebt, man erkennt Frischs Konzept seiner Tagebücher wieder. Denn der VzfB-Blog versucht Frischs These zu den Erlebnismustern mit seinen eigenen Mitteln zu wiederlegen.

Sind es alles Erlebnismuster – aber keine Geschichten, die man hat? Oder sind es nicht viel eher die Details, die eine Geschichte zu dem machen, was sie schlussendlich ist, nämlich zur Geschichte des Lebens?

 



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