Wenn der Tod Geranien bringt
29. Oktober 2022
Die Jahrespublikation «Spazio interne – Innenraum» versammelt Beiträge von 14 Mitwirkenden aus dem Zürcher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Verbandes. Yves Baer steuerte die Beiträge «Der Tod bringt Geranien» und «Der Grundsucher» bei.
 


In «Der Tod bringt Geranien» spürt Yves Baer der Frage nach, was eheliche Untreue noch Jahrzehnte später für Unheil anrichten kann. Der Kurzkrimi spielt im idylllischen Davos Monstein, wo Baer einige Ferientage verbracht hat und 2008 beschloss, nur noch die Berufsbezeichnung Schriftsteller zu verwenden, nachulesen im Blogbeitrag «Davos Monstein» vom 12. August 2008. In der leicht surrealistischen Geschichte «Der Grundsucher» erzählt Yves Baer die Geschichte der Grundsucher, die in der Stadt ohne Boden, anstatt in die Breite, wächst die Stadt in Höhe, nach der Existenz des Bodes, des Grundes allen Seins suchen.

Spiegel der Gegenwart und Hoffnung
Das aktuelle Jahrbuch «Spazio Interne – Innenraum» des Zürcher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Verbandes ZSV, das anlässlich seines 80-Jahr-Jubiläums erscheint, versammelt Beiträge von 14 Mitwirkenden aus dem Verband. Das Vorwort stammt von Philippe Amrein (Tages-Anzeiger, Musikzeitung Loop).

Urs von Schroeder reflektiert in seiner Kurzgeschichte «Für eine freie Welt», inspiriert durch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine, den grösstmöglichen Einsatz den man für die Freiheit bezahlen kann: die Hingabe des eigenen Lebens. Erzählt am Beispiel des US-Soldaten Joe aus Vermont, der am 6. Juni 1944 in einem Landungsboot vor der Küste der Normandie sitzt. Eduard Rosenzopf verbindet in «20. April: Tagebuch der Erinnerungen» Persönliches mit Hitlers Geburtstag. Dominik Riedo protestiert für Ingeborg Bachmann gegen die männliche Ärzte-Gesellschaft und rollt ihren tragischen Tod aus einer wenig erzählten Perspektive auf. Dill McLain erzählt in «Späte Hochzeit in Andalusien» eine feurige Liebesgeschichte.


Lyrik und Prosa aus dem Zürcher Schriftstellerverband. Das Jahrbuch gestaltete François G. Baer.


Gaetano Verardi verleiht den Jahrestexten mit seiner zweisprachigen Lyrik dem weltoffenen und multikulturellen Zürich eine Stimme. So stammt das titelgebende Gedicht aus seiner Feder. Einige Texte in «Spazio Interne» reflektieren die unsicheren Zeiten nach der Pandemie und dem Krieg in Osteuropa, andere führen einen aus der Gegenwart hinaus. Verfasst von verschiedenen Generationen, spiegelt die Lyrik und Prosa die Vielfalt ihrer Verfasser und des aktuellen Ostschweizer Literaturschaffens. Doch in allen Texten schimmert die Hoffnung auf bessere Zeiten durch.

80 Jahre ZSV, acht Jahrzehnte ein Forum
für regionale Literatur

Gegründet wurde der Zürcher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Verband ZSV im September 1942. Bei seiner Gründung war der Verbandszweck «Wahrung lokaler und regionaler Interessen der Mitglieder und deren Schutz, die Unterstützung und Förderung einheimischen Schrifttums». Am Verbandszweck hat sich bis heute nichts geändert, denn noch nie war es einfacher als heute, literarische Texte im Internet zu veröffentlichen oder im Selbstverlag ein Buch herauszugeben. Doch was geschieht danach damit? «Heute ist der ZSV ein Forum für Selbstverleger über Online-Kanäle oder gedruckt bei Book On Demand oder sie sind Autoren in einem kleinen Verlag, der kaum ins Sortiment einer Buchhandlung kommt», erläutert Yves Baer, Mit seinen monatlichen Lesungen im Kafi Zytlos im Kirchgemeindehaus Enge sowie der Zeitschrift «Wort» und den Jahrbüchern wie ‹Spazio Interne› schafft der ZSV seinen Mitgliedern Öffentlichkeit», umreisst Baer den unveränderten Auftrag des Verbandes.

Klingede Vergangenheit mit Kulturkampf –
Gegenwart mit regional bekannten Autoren

In den Anfangsjahren zählte der ZSV viele prominente Mitglieder wie Elsa Muschg, Mary Lavater-Slomann oder Robert Fäsi. Der «Tages-Anzeiger» publizierte Fortsetzungsromane wie «Flitterwochen auf Ibiza» von Ursula von Wiese und Irmalotte Masson. Das bekannteste Mitglied war Alfred A. Häsler («Das Boot ist voll»). Ende der 1950er-Jahre geriet der ZSV ins Visier der bürgerlichen Presse wie der «Neuen Zürcher Zeitung» und der «Züri Woche», die weniger auf den politisch neutralen Verband, sondern auf ihren Präsidenten Otto Steiger (Übername der Rote Steiger) zielte. Die Presse warf dem Verband Sympathien mit linksgerichteten Autoren vor. Steiger trat 1957 nach seiner Reise in die Sowjetunion, die er auf Einladung des russischen Schriftstellervereins machte, vom ZSV-Präsidium zurück, um Schaden vom Verband abzuwenden.

Peter Metz Kaliszko Zürcher Schriftstellerverband Kafi Zytlos Lesung 2022
Peter Metz liest im August im Kafi Zytlos aus seinem Roman «Kaliszko».


Dennoch blieb der ZSV gebrandmarkt, obwohl der Verband fortan den Ball flach hielt. 2022 ist die Mitgliedschaft nicht mehr an Zürich gebunden, die Mitglieder stammen aus der gesamten Deutschschweiz. Der Luzerner Dominik Riedo lebt als Berufsschriftsteller in Ittingen bei Bern. Die in Vaduz wohnhafte Autorin Doris Röckle erreicht mit ihren historischen Romanen aus dem Rheintal eine fünfstellige Startauflage bei einem der grössten deutschsprachigen Buchverlage. Peter Metz, Träger des Mannheimer Literaturpreises 2004 oder Evelina Jecker Lambrewa mit ihren Romanen aus dem kommunistischen Bulgarien sind Beispiel für die Weltoffenheit des heutigen ZSV mit internationalen Autoren und ebensolchem Publikum. Umgekehrt bringt Heinz Wegmann mit seinen Zürichdeutschen Übersetzungen von Saint Exupéry («De chlii Prinz») und Hemingway («De alt Maa und s Meer») Weltliteratur mit sprachlichen Mitteln in die Region Zürich.

Aber auch Sachbuchautoren wie Urs von Schroeder mit «Im Strudel einer Katastrophe» über die Auswirkungen des Absturzes von Swissair Flug SR 111 und Yves und François Baer mit «Die Zürcher Altstadtkirchen» und «Weltgeist in Zürich» über Zürich zur Zeit der Aufklärung (beides NZZ Libro) gehören zu den publiziernden Autoren des Vebandes. Wie auch Christian Alex Breitenstein, der seine Bücher online über Amazon veröffentlicht und mit dem ZSV Kontakt in die klassissche Buchwelt hält. Und so ist es an Organisationen wie dem ZSV, um im Sinne der Literatur, weiterhin Brücken zwischen den Autoren und den Medien sowie den Publizierenden und dem Publikum zu bauen. Denn das regionale literarische Boot ist, um den bekanntesten Titel des wohl bekanntesten ZSV-Autoren der ersten 80-Jahre abzuwandeln, noch lange nicht voll.

«Spazio Interne – Innnenraum», ist ab sofort im Buchhandel, u.a. in der Buchhandlung Kapitel 10 und Buchhandlung Hirslanden in Zürich sowie beim ZSV erhältlich.


Der Büchertisch des ZSV an der Mammutlesung 2021.


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Spazio interne – Innenraum
Jahrestexte 22
Prosa und Lyrik
Zürcher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Verband ZSV

Edition ZSV, Zürich
88 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-033-09551-9
Fr. 20.–/EUR 20.–

 


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