Aussenminister
Nachdem die MD-80 der Swissair mit einer halben Stunde Verspätung
gelandet war, befand sich ihr Standplatz neben dem Rollfelld.
Folglich mussten die Passagiere in den wartenden Bus umsteigen.
Ich setzte mich, musterte mein Gegenüber und war erstaunt,
Bundesrat Cotti am Gründonnerstag zwischen Flugzeug und
Zoll anzutreffen und einige Worte mit ihm zu wechseln. Am
Zoll stellte sich der frischgebackene Aussenminister brav
in die Reihe. Er diskutierte mit einer Gruppe von jungen Appenzellern
über das Pariser Nachtleben und ob man einem Bankangestellten
seinen Job ansehe. Nach etwa zwei Minuten kam ein scheuer
Swissair-Angestellter und führte Herrn Cotti durch den
Zoll.
Gegensätze
Die Défense in Neully sur Seine stellt (fast) alle
bisher erlebten Architekturschocks in den Schatten. Die futuristische
Architektur der Hochhäuser, die Säulenkonstruktion
der Grande Arche lassen das nächste Jahrtausend erahnen.
Die immense Grösse der Anlage erinnert an die Bauwerke
der alten Römer. Unweigerlich zwingt sich mir ein Vergleich
zu den Londoner Docklands auf: Die Bauten der Docklands sind
gleich Eindrücklich wie diejenigen der Défense.
Nur, die Franzosen gingen die Finanzfragen geschickter an
als die Engländer. Nach über zehn Jahren Thatcherismus
steckt das Land in den roten Zahlen und obwohl mehr als die
Hälfte der Baubudgets der Torrie-Regierung in den Bau
der Docklands gesteckt wurde, sind die Unternehmer Pleite
und der Tower steht leer. Anders dagegen Paris, neben der
Défense sind auch der Louvre Neubau, das neue Finanzministerium
oder die neue Oper keine billigen Spässe. Und es wird
fröhlich weitergebaut.
Métro
Die Métrostationen in Paris sind modern, sauber und
werden zu Nichtraucherzonen umfunktioniert. Die Pariser Metro
ist die einzige auf der Welt, die auf Gummipneus fährt.
Bei uns in der Schweiz wird in Tram und Bus nicht viel gesprochen.
Laut einem Artikel des Tages Anzeigers werden die Benützer
von öffentlichen Verkehrsmitteln von Missmut befallen.
Wie verhält es sich Paris, der Stadt des Lebens?
Es wir überhaupt nichts gesprochen. Das heisst, die Liebespaare
küssen sich lieber und die Touristen studieren den Métroplan.
Die Ausnahme bildeten zwei sich streitende Clochards. Sie
blieben allerdings beim Wortgefecht. In Zürich artete
ein verbaler Streit unter zwei Säufern in eine Schlägerei
aus.
Unruhen
Lieg es daran, dass die letzten grosse Unruhen schon 13 Jahre
zurückliegen oder einfach an der Machtverschiebung im
Parlament? Auf jeden Fall geht (nicht nur) Paris heissen Zeiten
entgegen. Kaum waren die Bürgerlichen an der Macht, wurde
die Gefangenenbehandlug der Pariser Polizei wieder rabiater:
Am Dienstag vor Ostern wurde ein Schwarzer beim Verhör
erschossen. Fazit: Tags darauf kam es zu gewalttätigen
Demonstrationen. Auch am Ostersonntag wurde demonstriert und
die Polizei musste mit Schlagstöcken, Tränengas
und Wasserwerfern eingreiffen. Ebenfall die sofortige Erschiessung
eines Geiselnehmers in Neully zeugt von der Brutalisierung
der Polizei.
Alte
Bekannte
Auf der Suche nach einer der vielen Bushaltestellen, welch
an der Place-Charles-de-Gaulle befinden, schweifte mein Blick
über den Arc de Triomphe. Eine dort verewigten Ortschaften,
welche auf ihm verewigt sind, ist die Stadt Zürich. Was
hat Zürich auf dem Triumphbogen verloren? Napoleon hatte
darauf alle Schlachten verewigen lassen, so auch die Schlacht
bei Zürich. Die französischen Truppen kämpften
gegen jene des russischen Generals Suworow und gewannen. Nebenbei
liessen sie noch den Zürcher Staatsschatz mitlaufen.
Von den
Hallen zum Sacré Coeur
Gan in der Nähe des ehemaligen Marktes Les Halles verläuft
die Rue St. Denis. Sie ist die Hauptstrasse des Pariser Nachtlebens.
Es verwundert auch nicht, dass es in mehreren Bars Stripshows
und Videokabinen gibt. Doch diese Videokabinen schiessen jeden
Vogel ab. Nach den Werbeschildern besagter Bars, kann der
Besucher zwischen 24 und 32 Filmen wählen. Doch je langer
die Strasse, desto grösser wird das Angebot an Filmen:
40, 64, bis zu unwahrscheinlichen 128. So unwahrscheinlich
hoch die Anzahl der Filme ist, so niedrig ist der Preis, für
10 Francs (ca. Fr. 2.50) kann man sich die Filme zu Gemüte
führen.
Vor dem Sacré Coeur stehend, kamen mir die ersten Zweifel,
ob ich wirklich in Paris sei. Geradesogut hätte ich vor
der Sixtinischen Kapelle in Rom oder vor dem Kölner Dom
stehen können, es wurde nur deutsch und italienisch gesprochen.
Vor dem Eiffelturm, auf der Terrasse des Trocadéros,
gesellte sich noch spanisch hinzu. Im Louvre kam dann die
ganze Welt zusammen. Eigentlich dachte ich, ich sei in Paris.
Doch das Wetter lässt mich schliessen, dass ich in London
bin.
Mit Liebesgrüssen
aus Moskau
Hier geht
es zu Yves Baers Fotos
aus Paris, die er in den Jahren 1993 und 2000 aufgenommen
hat.
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Nachbetrachtung
des Artikels
Eine wunderbare Reportage aus dem österlichen Paris von
anno 1993. Maggie Thatcher, François Mitterand, Helmut
Kohl, Flavio Cotti hiessen die politischen Akteure. Der ursrpüngliche
Artikel wurde im Occhio 2/93 veröffentlicht, worin (fast)
konsequent die gemässigte Kleinschreibung angewendet
worden war. Die Liebesgrüsse aus Moskau fielen leider
der Kürzung anheim. Was es sonst noch zu sagen gibt?
Dass der Autor im Artikel die Tories und die Labour verwechselt
hatte. 1993 war links noch links und recht noch rechts. Hier
im Internet wurde dieser peinliche Fehler korrigiert.
Der Autor glaubt auch, den Grund für seinen Feministinnenhass
gefunden zu haben: Die Chefredaktorin war eine überzeugte
Emanze, bei der Form vor Inhalt kam. Sie machte nicht einmal
vor Erinnerungen halt und so wurde aus der Gruppe Appenzeller
Banker, die sich mit Bundesrat Cotti über das Pariser
Nachtleben unterhalten hatten, AppenzellerInnen, obschon keine
Frau dabei war.
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Der Maskulinismus
Der Maskulinismus akzepiert das Recht der Frau auf Gleichberechtigung,
genauso wie MigrantInnen, Behinderte und Kinder ihre Reche
haben sollen und soweit es geht gleichgestellt werden. Maskulinisten
sind Gentlemen alter Schule, die einer Frau - sofern sie es
noch möchte - die Türe offen halten. Gleiche wirtschaftliche
Leistung soll mit dem selben Lohn entlöhnt werden. Maskulinsiten
schämen sich nicht, ihre Wäsche selbst zu waschen
oder die Hausarbeit zu übernehmen - Mann ist schliesslich
emanzipiert.
Maskulinisten setzen sich aber dagegen zur Wehr, dass überall
in der Sprache die weibliche Form angewandt wird, Inhalte
sollten nicht verfälscht werden. Ebensowenig sollen falsche
Worte wie die Redewendung Liebe MitgliederInnen entstehen.
Natürlich haben die Frauen Glieder, aber Mitglied ist
ein sächliches Wort und die deutsche Sprache verfügt
über drei Geschlechter.
Wer sich
mehr mit dem von Yves Baer ins Leben gerufene Maskulinsimus
vertraut machen möchte, der oder die sei herzlich eingeladen,
diesem Link zu folgen.
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