Musicus - Archiv 1994
Totgesagte leben länger
September 1994
Mit Voodoo Lounge beweisen die Rolling Stones, dass sie zu alt zum rocken aber auch zu jung zum sterben sind.
Bewertung: * * *

Die Presse berichtete von Streitereien zwischen Mick Jagger und Keith Richards, doch die die Rolling Stones veröffentlichten unlängst ihr erstes Studioalbum seit fünf Jahren. Das Album Voodoo Lounge versetzt keine Meilensteine, es lässt die beriets rollenden Steine weiter rollen. Charlie Watts drumt wie eh und je, Mick Jagger singt wie immer, Keith Richards und Ron Wood sorgen für die Solis und den Rhythmus, nur Bill Wyman serviert in seinem Londoner Kaffee Sticky Fingers Tee. Darril Jones ersetzt den in Ruhestand getretenen Wyman am Bass.

Love is Strong lässt zu Beginn von Voodoo Lounge aufhorchen, mit You Got Me Rocking und Sparks Will Fly wird munter weiter gerockt. Dann beginnen bei der Band die Hemmungen zu fallen und sie wird experimenteller. Bei der Countryballade The Worst singt Keith die Leadvocals und ein Cembalo begleitet die darauf folgende Ballade New Faces. Bei Out of Tears unterstützen Klavier und Streicher die Band. In bester Stonesmanier kommt die nächste Nummer, I Go Wild, daher. Brand New Car mit seinen Bläsersätzen und Sweethearts Together wecken Erinnerungen an die schwülen Sommernächte des vergangenen Sommers. Die Funk-Groove-Party beginnt erst bei Suck On The Jugular und endet leider auch dort wieder. Keith ergreift bei Thru And Thru noch einmal die Leadvocals und Blinded By Rainbows wird als Kandidat für die nächste Singleauskoppelung gehandelt. Doch hätte Mick Jagger die besten Songs seines letztjährigen Soloalbums Wandering Spirit mit den besten von Voodoo Lounge zusammengenommen, dann wären aus zwei mittelmässigen Alben ein gutes Rolling Stones Album geworden.

Der Trend
Mit den Rolling Stones und Voodoo Lounge wird ein weiteres Mal bestätigt, dass es momentan in der Rockmusik an Nachwuchs mangelt. Zwar weisen Pearl Jam, Jamiroquai oder Nirvana vielversprechende Alben vor, doch der Tod von Kurt Cobain riss ein Loch zwischen die Spitze und den talentierten Youngstars. Somit muss sich das Publikumweiterhin mit Alben von Stars wie Neil Young, den Rolling Stones, Pink Floyd oder Elvis Costello begnügen, die keine echten Höhepunkte und Durchhänger haben und trotzdem zuvorderst in den Hitparaden sind. Und wir müssen noch weitere Reunionen wie die der Eagles, den Velvet Underground oder die bevorstehende Reunion der noch lebenden Ex-Beatles über uns ergehene lassen. Oder, wie es Ian Andrson ausdrückte: «Too old to Rock n' roll, too young to die»

Tracklisting
Intro
Traffik
I Schänke Dr Mis Härz
Prinz
Blues
Zorro
Hanspeter
Hanspeter2
So Wie I däm Summer
I ha Di Gärn Gha
Toucher
Harry Klein
Amerika Gits Nid
Jazz
I Verabschide Mi Mau
Creep

 

Rolling Stones
Voodoo Lounge
Virgin 8 39782 2

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
http://www.rollingstones.com

Nachbetrachtung des Artikels
Echt cooler Beginn mit "das Album versetzt keine Meilensteine, es lässt die bereits rollenden Steine weiter rollen." Aber wer zum Geier ist am Schluss Ian Anderson? Schreibt er fürs Rolling Stone? Trotz starkem Beginn einer der schwächeren Artikel, auch wenn schön brav alles über das Album gesagt wird, was es zu sagen gibt.

 

Was aus dem Album wurde
Mach dich rar, lautete eines der Erfolgrezepte von Mick Jagger. Dock kaum enthüllte er es im Rolling Stone Magazin, wurde die Welt mit den alten Zombies geplagt. Voodoo Lounge mit Tour und anschliessendem Livealbumg (Plugged) 1994/95, Bridges To Babylon mit anschliessender Tour und einem weiteren Livealbum und dann die Best of Zusammenstellung 40 Licks mit mehr als nur einem neuen, überflüssigen Song, um die Compilation zu vermarkten. Und, Mick und seine Boys sind nach wie vor on Tour. Dazwischen juckte es Herrn Jagger, der Welt kund zu tun, dass ihm Gott alles gegeben hat. Der Erfolg, keine 1000 Exemplare setzten sich am ersten Tag in England vom Album ab. Und der Stones-Frontman rakerte sich echt für etwas Publicity ab, weil er - ach wie überraschend - wieder einmal gegen Paul McCartney und ein neues Album antrat. Und schon wieder zog der rollende Stein gegen den Käfer den Kürzeren. Was wird der Welt verloren gehen, wenn Mick Jagger und Paul McCartney nicht mehr sein werden?