Artikel - Archiv 1994
Hollywoodless
Juni 1994
Anmerkungen zu Steven Spielbergs Schindler's List
Bewertung: * * * * * *

Schindlers Liste ist ein Film über die jüdische und deutsche Vergangenheit. Gedreht nicht etwa von einem Deutschen, sondern von Steven Spielberg. Spielberg ist Hollywoods kommerziell erfolgreichster Regisseur, der Kassenschlager wie E.T. oder Jurassic Park drehte. Dass ausgerechnet er einen Film über die Judenvernichtung dreht, mag erstaunen, ist aber durchaus verständlich. Spielberg ist selbst Jude und drehte den Film fast aus einem inneren Zwang heraus.

Oskar Schindler
Als 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, liess sich Oskar Schindler nicht einziehen. Als Hitlers Armeen die neu eroberten Gebiete gesichert hatten, zog Schindler ins polnische Krakau. Er war als Geschäftemacher im Sudetenland nicht sonderlich erfolgreich gewesen, darum wird ihm der Umzug nicht sonderlich schwer gefallen sein. In Krakau kaufte er sich eine Fabrik für emailliertes Küchengeschirr und brachte sie rasch zum florieren. Er bekam von der SS 6 bis 7.50 Mark für seine Arbeiter, er musste ihnen deshalb keinen Lohn bezahlen. Mit den Einnahmen bestach er die Wehrmacht so, das sie seine Geschirrfabrik als kriegswichtig einstufte. Später wurde ihm erlaubt, auf seinem Fabrikareal ein privates Arbeitslager einzurichten. Angeblich sollte das die Ausbeutung der Juden erleichtern. Schindler ging es allerdings mehr ums überleben seiner Juden. Als 1944 die Ostfront zusammenzubrechen begann, bestach und betrog Schindler so lange, bis er die Erlaubnis bekam, seine ganze Fabrik und seine jüdischen Arbeiter in 250 Güterwagen zurück ins Sudetenland zu überführen, wo er sie bis zum Eintreffen der Allierten beschäftigte. Das ganze Unternehmen wurde nur durch ein Stück Papier gesichert: Schindlers Liste. Mitte der 60er Jahre sicherte sich die amerikanische Firma MGM die Filmrechte an Oskar Schindlers Biographie. 1982 kaufte Steven Spielberg die Rechte auf.

Steven Spielberg
Steven Spielberg wurde 1947 geboren. Weil er nicht ein besonders guter Schüler war, reichte es ihm nicht in eine der Hochschulfilmklassen. Sein einziges Hobby war Kurzfilme zu drehen. Mit dem selbstproduzierten Kurzfilm Amblin versuchte er die Aufmerksamkeit von Profis auf sich zu ziehen. Der amerikanische TV-Produzent Sid Sheinberg nahm den damals noch nicht einemal vollhährigen Spielberg unter Vertrag. Im November 1982 kaufte er für 500'000 Dollar die Filmrechte an Schindlers Biographie.

Spielberg war damals Mitte dreissig und hatte bereits mit E.T. und Indiana Jones Erfolg gehabt. In einem Interview mit dem Spiegel erzählte er schon damals vom Film, der sein Nächster werden sollte. Wegen Unbehagens in den Universal Studios drehte Spielberg aber zuvor noch zwei weitere Filme von Indiana Jones, Das Reich der Sonne und lernte den Dinos in Jurassic Park das laufen.

Der Film
Spielberg wollte den Film von Anfang an gross, figurenreich, schwarzweiss und episch mit einer Dauer von drei Stunden drehen. Im Vergleich zu seinem letzen Film Jurassic Park, der von den Spezialeffekten lebt, fällt Schindlers Liste hollywooduntypisch nackt aus. Der Film enthält keine kameratechnischen Meisterleistungen, kommt ohne Avtion aus, die Rollen sind nicht mit Hollywoodstars besetzt und der Film kommt ohne Musik aus. Der Film soll seine Geschichte selbst erzählen. Spielberg will damit die kinotypischen Normen sprengen.

Schindlers Liste beginnt im Krakauer Ghetto bei der Registrierung der Karakauer Juden, mit den Gesichtern von Menschen, die auf die Kamera zukommen. Speilberg erzählt deren Geschichte. So taucht während der Räumung des Ghettos plötzlich etwas rote Farbe auf der Leinwand auf, es ist der Mantel eines kleinen Mädchens. Später wird das Mädchen noch einmal gezeigt, tot, auf einem Leichenhaufen liegend.

In Schindlers Liste schreit keiner der Nazis Heil Hitler, keiner schlägt bedrohlich die Hacken zusammen und trotzdem erscheinen Spielbergs Nazis bedrohlicher als die übrigen Kino-Nazis. Auch hier versucht Spielberg die Realität zu zeigen. Die meisten Nazis waren trotz Uniform noch immer Buchhalter oder Eisenbahningenieure, die durch Druck zur Mitarbeit in einer Todesindustre genötigt wurden.

Spielbergs Gründe
Warum dreht ausgerechnet einer der erfolgreichsten Regisseure Hollywoods einen solchen Film? Tatsache ist, dass in den USA 28% der Bürger nicht wissen, was mit dem Begirff Holocaust gemeint ist und 20% zweifeln, dass dies überhaupt geschehen ist. Schindlers Liste ist für die amerikanischen Teenager gedacht. Schliesslich spielten die USA im zweiten Weltkreig eine wichtige Rolle, sie können diese aber heute nicht durch Unwissenheit verleugnen.

Spielberg drehte den Film aus einer gewissen Scham heraus. Sie motivierte ihn, weil er sich als Junge schämte, ein Jude zu sein. Spielberg erklärt dies so: «In meiner Kindheit sind meine Eltern nach Arizona gezogen, wo alle Christen waren und jedermann versuchte, sich zu assimilieren und sich anzupassen, um akzeptiert zu werden (...) Dem stand mein Judentum geradezu schmerzhaft gegenüber. Ich versuchte mit aller Kraft, die Tatsache, dass ich Jude war zu verbergen und aus der Welt zu schaffen. Wenn Sie so wollen, ist Schindler's List meine Entschuldigung für diese feigen Versuche.»


Steven Spielberg während den Dreharbeiten.


 

 

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
Bild: Insidefilm.com

Nachbetrachtung des Artikels
Ohne Eigenlob anzuwenden, toppt dieser Artikel den Ausflug in die Welt U2 um einiges und ist selbst ein kleines Meisterwerk. Der Artikel endete noch mit dem Satz: Spielberg hat mit Schindlers Liste einen Film gedreht, der nicht nur den amerikanischen Teenagern vorbehalten, sondern auch in unseren Schulen gezeigt werden sollte. Die Religions- und Geschichtslehrer hatten die oberen Klassen der EMS ins Kino eingeladen, um Schindler's List zu sehen.