Artikel - Archiv 2001
Damon der Gorilla
14. April 2001
Die erste virtuelle Band ist geboren. Blur Sänger Damon Albarn leiht den Gorillaz die Stimme. Und Clint Eastwood wird als Song für den Sommerhit sorgen.
Bewertung * * * * * *

Es war die Best Of Blur und die Singleauskoppelung Music Is My Radar, die einem auf einen erneuten Blurtrip gebracht hatte. Kaum war dieser überwunden, vermeldeten die viferen Feuilletons Ende März und Anfang April die Geburt der Band Gorillaz. Le Temps widmete der Band gar eine Seite. Animierte Videoclips hat es immer wieder gegeben, Hold Me, Thrill Me, Kiss Me Kill Me von U2 sei als Beispiel erwähnt. Während Bono und seine Freunde Menschen aus Fleisch und Blut sind, sind die Gorillaz nicht anderes als die Videofiguren: Murdoc der Bandleader, 2D der Sänger, Russel an den Drums sowie Noodle, ein 10 jähriges japanisches Mädchen an der Gitarre.

Dahinter verstecken sich eigentlich zwei geniale Köpfe: Damon Albarn, der Sänger von Blur sowie Jamie Hewitt, Zeichner des Comics Tank Girl. Hewitt und Albarn sind seit 10 Jahren Nachbarn. Sie haben sich schon oft über ihre Arbeit ausgetauscht. Bis irgendwann das Projekt Gorillaz daraus entstand. Nebst Albarn geben Deltron 3030, Del Tha Funky Homosapien, Tina Frantz (Talking Heads) Miho Hatori von Cibo Matto und der unverwüstliche Ibrahim Ferrer den Gorillaz ihre Stimme. Lanciert wurde das Ganze mit einem Konzert in Camden Park, bei dem sich die Band hinter der Bühne befand und ihre virtuellen Musiker als Trickfilm zu sehen waren.

Man mag ob einer solchen Vielfalt erschrecken und das Album als grausames Potpury halten, weit gefehlt: Gorillaz wird wohl als eines der besten Crossover-Alben aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Re-Hash kommt als verkappter Blur-Track daher, Tomorrow Comes Today ist ein Blur-Dub. Clint Eastwood schlägt mit seinem Refrain schon beim ersten Mal hören ein, so dass man über den Rap grosszügig hinweg hört. Rock The House und 19 - 2000 sind weitere vollendete Songs, die den normalen Musikhörer nicht verscheuchen. Und Latin Simone, gesungen von Ibrahim Ferrer, ist Buena Vista Social Club mit Scratch-Sounds unterlegt.

Das ganze Universum der Gorillaz spielt lässt sich auf ihrer Website erfahren. Man besucht die Kong-Studios und kann in den Räumen der Bandmitglieder stöbern, das Studio besuchen, 2 D sich den Videoclip im Kinoansehen. In Noodles Raum lassen sich Games spielen, auf den Toiletten kann man sprayen, doch sollte man sich nicht vom Polizisten erwischen lassen.

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass mit Gorillaz das Album des Jahres erschienen ist. Auf beiden Seiten des Atlantiks in den Charts, sowohl in den Rock und den Hip Hop Charts, versteht sich. Clint Eastwood wird einen in den Sommer begleiten, und da es viele coole, und dennoch heisse Songs auf der Scheibe hat, werden dies die Singleauskoppelungen sein, welche dann als Sommerhit laufen werden.

 

 



Tracklisting

Re-Hash
5/4
Tomorrow Comes Today
New Genious (Brother)
Clint Eastwood
Man Research (Clapper)
Punk
Sound Check (Gravity)
Double Bass
Rock The House
19 - 2000
Latin Simone (Que Pasa Contigo)
Starshine
Slow Country
M1A1

 
Gorillaz
Gorillaz
Parlophone 5311 380-3

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
http://www.gorillaz.com
 

Nachbemerkung
Der Autor war einer der ersten in der Schweiz, welcher die Gorillaz hörte. Clint Eastwood wurde zum Sommerhit. Im Juni war ganz Zürich mit Wildplakaten mit dem Albumcover zugepflastert. Im Lauf des Sommers berichteten von der Wirtsachftszeitung zum Modeheft alle Medien über das Phänomen Gorillaz, um welches man nicht mehr herumgekommen war. Erst die tragischen Ereignisse im September, welche das Jahr in ein Zuvor und Danach einteilten, liessen auch den Gorillazhype abklingen. Sting mit seinem Album All This Time, das er trotz der Anschläge in New York aufnahm und Paul McCartney mit seinem Song Freedom und seinem Concert for New York, welches Mitte Oktober exklusiv für die Rettungsleute von Ground Zero veranstaltet worden war, bestimmtem im Herbst die mediale Aufmerksamkeit.
Gorillaz ist aber zweifellos das Prä9/11-Album des Jahres 2001.

 
   

Yves Baer über Damon Albarn und Blur:

Vernebelte Gorrillas (Blur, Think Tank, 2003)
Fast ein Album (Damon Albran, Democrazy, 2003)