Imitation
Of Life, die erste Singleauskoppelung, hat das Hitpotenzial.
Aber auch das Potenzial, einem grausam auf den Sack zu gehen,
wie das so viele Hits tun. Nehmen wir R.E.M. in Schutz, es
ist nicht die Schuld der Band, dass die meisten Radios sich
in das moderne Format mit den Songs aus den 80er und 90er
Jahren pressen und dazu noch den heutigen Gurk spielen. Es
ist ebensowenig die Schuld der Band aus Athens, dass diese
Radios ihr Repertoire auf höchstens 3'000 Songs reduziert
haben und so andauernde Wiederholungen zum tristen Radioalltag
gehören. Beautiful Day von U2 wird nicht besser,
wenn der Song zwischen 6:00 Uhr und 13:00 Uhr dreimal vom
selben Sender gespielt wird. Und Imitation of Life
auch nicht. Das hat Beautiful Day nicht verdient, das
haben R.E.M. nicht verdient und erst recht nicht die One Hit
Wonders.
Michael Stipe und seine Stimme
Noch nie war Michael Stipe so gut bei Stimme wie auf Reveal.
Und noch nie hat er im Falsett besser gesungen als auf I've
Been High, dem besten Song auf dem Album. Schon bei Tongue
auf dem 94er Album Monster hatte Stipe die ganze
Zeit über im Falsett gesungen, doch bei I've Been
High überbietet er sich selbst. Stipe muss keinen
Vergleich mehr mit Bono scheuen. Letzterer gibt unumwunden
zu, dass er Michael Stipe für einen hervorragenden Sänger
hält und bei I've Been High hat der R.E.M.-Frontmann
die Nase vorn und schlägt Bonos Heuler auf Joshua
Tree und Zooropa. Wer das MTV-Special des Kölner
Konzertes von Mitte Mai gesehen oder die Übertragung
auf DRS 3 gehört hat, kann bestätigen, dass Stipe
sein Falsett auch live überzeugenden trifft und I've
Been High ein grossartiger Live-Song ist. Schade, dass
die Band keine Tournee macht.
Ein Sommeralbum
«Wir wollten ein Sommeralbum machen», erklärte
Michael Stipe in einem Interview. R.E.M. hätten schon
zu viele Herbstalben gemacht. Er, so erzählte Stipe weiter,
sei wie ein Verrückter im Studio jedem Sonnenstrahl nachgegangen
und hätte seinen Stuhl immer an die Sonne gesetzt. Dass
es funktioniert hat, zeigt, dass man Reveal besser
bei schönem und heissem Wetter hört. Dann ist es
eine grossartige Platte, bei der auch die schwächeren
Nummern wie The Lifting, Beachball oder Beat A Drum
noch erträglich sind.
Nebst
I've Been High ist auch All The Way To Reno (You're
Gonna Be A Star) ein Song, bei dem Stipes Stimme das herausragendste
ist. Und entgegen vielen R.E.M.-Songs ist sogar der Text von
Reno verständlich: «You know what you
are/you're gonna be a star» reimt Michael Stipe
im Refrain den er sogar im Falsett fast mantramässig
wiederholt. Saturn Return und Sommer Turns To High
sind zwei musikalisch herausstechnde Songs, und auch She
Just Wants To Be hat noch Potenzial, besonders live. Ein
Song der wie Walk Unaffraid von Up nicht der
Singlehit wurde, aber weil er von der Band geliebt wird, vorallem
live ein Höhepunkt sein wird.
R.E.M. schaffen
es immer wieder, Singles mit eingängigen Melodien zu
veröffentlichen. Nur so lässt sich erklären,
dass Imitation of Life als Single ausgekoppelt wurde.
Airplay von den Radiostationen hat er gekriegt, aber das stellt
mehr den Sendern als der Band Zeugnis aus. Eine Songperle
sei zum Schluss noch erwähnt: I'll Take The Rain,
der ähnlich wie Nightswimming auf Automatic
For The People (1992) durch die Streicher nicht kaputtorchestriert
wurde. Wie Imitation Of Life oder All The Way To
Reno ein Song zum mitsingen und mitheueln. Und so stark,
dass man Beachball, den letzen Song des Albums, trotz
seines starken Textes nie und nimmer im Kopf behalten kann.
Und hierfür sind die Radios unschuldig, denn die Songreihenfolge
stellt noch immer die Band zusammen. Und die hätte die
beiden letzten Songs vertauschen sollen.
R.E. M.
at their thounderus best steht unter diesem Bild auf einem
der Up-Tour T-Shirts von 1999.
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Tracklisting
The Lifting
I've Been High
All The To Reno (You're Gonna Be A Star)
She Just Wants To Be
Disappear
Saturn Return
Beat A Drum
Imitation Of Life
Summer Turns To High
Chorus And The Ring
I'll Take The Rain
Beachball
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