Musicus
Zürich als Vorort
16. Oktober 2003
Popchamäleon Michael von der Heide huldigt auf dem gleichnamigen Album dem Dampfer Helvetia und präsentiert seine dritte Varieté-Produktion, ohne aber den Witz und die Rafinesse von Hildegard anknüpfen zu können.
Bewertung: * * * *

Das letztjährige Album Frisch, von den Kritikern über den grünen Klee hinaus gelobt und von Michael von der Heide irgendwie als Neuanfang verkündet, kam beim jungen, urbanen Publikum, Michaels wichtigstem Publikum, zu wenig an. So hatten denn auch seine älteren Songs den grösseren Applaus bei den Konzerten erhalten gehabt. Nun meldet sich der in Wollishofen wohnhafte Amdener mit dem Album Helvetia zurück. Es ist eine Rückkehr in das Genre, in welchem von der Heide der die meisten Qualtäten hat: dem Varieté. 1999 war es mit Maja Brunner und seiner Gesangslehrerin xy der Divamix gewesen, im Jahr 2001 zollte er mit dem pfiffigen Programm Hildegard seinem grossen Vorbild Hildegard Knef Tribut.

Innerhalb von zehn Tagen spielte die von der Heide das Album Helvetia ein und schwelgte dabei in einer längst vergegangen Epoche Schweizer Kulturschaffens: Es wird mer heiss und chalt aus dem Schwarzen Hecht, I Mim Quartier, Werner Wollenbergers Beschreibung der Zürcher Hardau von 1959 oder Jürg Amsteigs Oerlikon, worin Zürich als Vorort des Quartiers im Glatttal mit dem Boomtown Zürich Nord beschrieben wird. Mit T'en Vas Pas singt er Esther Ofarims Song, mit dem sie anno 1962 den Grandprix Eurovision für die Schweiz gewonnen hatte. Nach Nina Hagen und Kuno Lauener besuchte die weltoffene und als Technojodlerin verunglimpfte Christine von Lauterburg und jodelte beim Chanson Madeleine.

Das Titelstück hatte einst Hans Gmür über die Posse der Abtackelung des Dampfschiffs Helvetia geschrieben, deren Höhepunkt mit Sicherheit die Idee der Schweizer Luftwaffe gewesen war, das Schiff mit Raketen zu versenken. Jazzig beschwingt und locker kommen die Songs daher und stellen den poppigen Vorgänger Frisch in den Schatten. Einzig bei S'isch halt schön kommen die unpassenden R&B und Hip Hop Jammerbackvocals zum Einsatz und wirken in der Varietéumgebung noch deplatzierter als auf dem klinischen Vorgänger Frisch. Mit der eher faden Neuinterpretation seines Hits Jeudi Amour erinnerte sich Michael von der Heide an sein bestes Album, 30° von 1998, dessen gleichnamige Tour gekonnt mit Varieté Elementen gespickt worden war.

Tracklisting:

Oerlikon
La solitude
Quand On N'a Pas Ce Qu'on Aime
S'Fählt No Es Lied
Helvetia im Himmel
Es Wird Mir Heiss und Chalt
T'en Vas Pas
I Mim Quartier
Miis Chind
Passepartout Zum Paradies
Madeleine
Tuet's Weh?
Apéro
S'isch Halt Eifach Schön
Jeudi Amour - Accoustic

Michael von der Heide
Helvetia
BMG Ariola 7655 715 2

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
www.michaelvonderheide.ch

Weitere Artikel über Michael von der Heide

• 30° (30°, 1998)
• Gelangweilter Tourist (Tourist, 2000)
Michaels neue deutsche Welle (Frisch, 2002)

... und ausserdem
Ich war verschwunden (Songtext, den Yves Baer Michael von der Heide 1999 angeboten hatte)