Tritt eine
Showgrösse in Las Vegas auf, ist sie in der Regel im
Spätnovember ihrer Karriere, wie weiland Elvis Presley
belegte. Etwas anders verhält es sich mit den Beatles,
die zwar seit dreieinhalb Jahrzehnten getrennt sind, aber
dennoch ihr erstes neues Album seit der Anthology 1995/96
veröffentlichen. Es handelt sich nun um den Soundtrack
der neuen Cirque du Soleil Show Love, die von den Beatles
und ihrer Musik und den Figuren darin inspiriert wurde. Die
Show mit der überarbeiteten Musik feierte im Juni in
Las Vegas Première. Die nicht ganz alltägliche
Zusammenarbeit des kanadischen Zirkus mit den Beatles begann
fernab jeglichen Showbusiness. George Harrison und Guy Laliberté,
der Gründer des Cirque du Soleil, waren beide begeisterte
Motorsportfans. Ihre Leidenschaft für schnelle Autos
führte zu einer tiefen Freundschaft. Als dann die Idee
einer Kollaboration auftauchte, wurde ziemlich bald Beatlesproduzent
George Martin angefragt, einen rund anderthalb stündigen
Soundteppich zur Show zusammenzustellen. Dabei durfte er sämtliche
Mehrspuraufnahmen, welche die Beatles je aufgenommen hatten,
verwenden. Ein Angebot, das er kaum abschlagen konnte. Und
so kriegten die Beatles ihr Remixalbum, sieht man von der
Let It Be Naked-Veröffentlichung ab.
Für den harten Kern der Beatlesfans war schon die digitale
Remasterung der Originalbänder für die CD anno 1987
ein Sakrileg. Und selbst wenn man weit weniger fundamentalistisch
eingestellt ist und die Veröffentlichungen wie die Anthology-Serie
oder den Yellow Submarine-Songtrack genoss, weil sie
klanglich neue Meilensteine gesetzt hatten, steht man dieser
Veröffentlichung kritisch entgegen. Dabei geht es nicht
um die Frage, ob man das überhaupt darf, denn die Show
hätte auch mit dem bereits veröffentlichten Material
bestens funktioniert. Viel mehr geht es um die Problematik
des Remixes. Normaleweise sind Remixe eine brachiale Variante,
einen guten Song zu ruinieren um ihn für die Tanzflächen
der Welt zurecht zu biegen, weshalb oft ein fetter Beat und
irgendwelche Technorhythmen darüber gemischt werden.
Mit dem achtzigjährigen George Martin hat man die Gewähr,
dass die Songs nicht vergewaltigt werden. Auf der anderen
Seite produzierte Martin vor vier Jahrzehnten die Musik und
es ist fraglich, ob er genug radikal ans Werk geht, um etwas
Spannendes entstehen zu lassen.
Die Beatlesretrospektive für 20 Minutenleser
Die Songs wurden denn auch von George Martin und seinem Sohn
Gilles nicht remixed, sondern ganz in klassischer Beatlesmanier
in ihre Einzelteile zerlegt und wieder neu zusammengesetzt.
So erhält Drive My Car das Gitarrensolo von Taxman,
Yesterday kriegte das Gitarrenspiel von Blackbird
voran gestellt oder das Streicherarrangement von Eleanor
Rigby kommt mit sämtlichen Elementen, in anderer
Reihenfolge wieder daher und setzt im Song neue Akzente an
ungewohnten Stellen. Während man sich bei Help!
fragt, was überhaupt geändert wurde, ausser dass
einem der Song in nie gehörter Reinheit, als 5.1 Souroundabmischung
aus den Boxen entgegenschallt und man sich mitten im Aufnahmestudio
wähnt. Einzig die Streicherbegleitung, die George Martin
zur Akkustikversion von While My Guitar Gently Weeps
in diesem Frühjahr komponiert hat, stammt nicht aus dem
Fundus der 60er-Jahre.
Man würde George Martin unrecht tun, ihm vorzuwerfen,
nicht radikal genug zuwerke gegangen zu sein. Bei der ersten
Hörprobe des fertigen Soundtracks startete er mit Hey
Jude, worüber er einen Reaggerhythmus gemischt hatte.
Paul McCartney war ziemlich schockiert gewesen und hatte zuerst
nicht realisert, dass sich Martin einen Scherz mit ihm erlaubt
hatte. An manchen Stellen vermisst man dann aber genau diese
Radikalität in den Remixes. Doch war es wohl auf das
Ganze gesehen sogar gut, dass sich Martin selber auf die bis
1996 mit der Beatles-Anthology veröffentlichten Versionen
der Songs beschränkt hatte. Gerade die auf Gitarre und
eine Streicherstimme reduzierte Anthologyversion von Strawberry
Fields Forever, in dessen Ausklang Elemente von Penny
Lane, Sgt. Pepper, Piggies, In My Life,
und Hello Goodbye hinein gemischt wurden, zeugt davon,
dass man mit dem Bestehendem ein sehr stimmungsvolles Bild
erzeugen kann. Und man kann dabei John Lennons Vorwurf aus
den 70er-Jahren, Paul McCartney und George Martin hätten
mit ihren psychodelischen Spielereien seinen zarten Song ruiniert,
bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Doch nicht immer
haben Vater und Sohn Martin ein glückliches Händchen
gehabt, sonst hätten sie nämlich davon abgelassen,
Goodnight, mit der unfertigen Fassung von Octopuss
Garden zu mischen. Aber eben, auf jede Beatlesplatte gehört
halt ein Song, der von Ringo Starr gesungen wird.
Über die gesamte Länge des Albums hin, muss man
George und Gilles Martin zugestehen, dass sie einen guten
Job gemacht haben. Man wird Stunden damit verbringen, herauszufinden,
aus welchen Songs überall die Soundfetzen stammen. Den
Zwiespalt dem Album gegenüber wird man dennoch bis zum
Schluss aus zwei Gründen nicht los. Da es sich um eine
CD oder um eine Audio-DVD in 5.1. Sourroundabmischung handelt,
sieht man zum einen die Artisten nicht, welche die ganze Collage
mit ihren visuellen Darbietungen zu einem Gesamtkunstwerk
verweben. Und zweitens machen einem die in der modernsten
Technik abgemischten Songs giggerig darauf, den gesamten Beatleskatalog
in 5.1 Sourround zu hören. Doch die gesamte klangliche
Überarbeitung wurde 1987 veröffentlicht. Und so
klaffen nun Beatleskatalog hörbare Qualitätsunterschiede.
Aber als Schnellbleiche einer Beatlesretrospektive für
20 Minutenleser eignet sich Love allemal, da neben
den unsterblichen Hits auch ein paar unbekanntere Melodien
zu finden sind.
Ein Kostümentwurf des Cirque du Soleil. Foto:
thebeatles.com
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Tracklisting
Because
Get Back
Glass Onion
Julia (Transition)
I Am The Walrus
I Want To Hold Your Hand
Drive My Car/The Word/What You'Re Doing
Gnik Nus
Something
Blue Jay Way (Transition)
Being For The Benefit Of Mr. Kite/ I Want You/Helter Skelter
Help!
Blackbird/Yesterday
Strawberry Fields Forever
Within You Without You/Tomorrow Never Knows
Lucy In The Sky With Diamonds
Octopus's Garden
Lady Madonna
Here Comes The Sun
The Inner Light (Transition)
Come Together/Dear Prudence/Cry Baby Cry (Transition)
Revolution
Back In The U.S.S.R
While My Guitar Gently Weeps
A Day In The Life
Hey Jude
Sgt Peppers Reprise
All You Need Is Love
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