Musicus
Der Stein in der Avoccado
21. Juni 2006
Pearl Jam bennenen ihr achtes Album nach sich selbst und liessen sich vier Jahre Zeit dafür. Eine Pause, die sich über weite Strecken gelohnt hat. Bewertung * * * *1/2

Grunge ist tot, es leben der Rock. Depro ist out, doch fröhlich ist sie auch nicht. Die neue Scheibe heisst schlicht Pearl Jam. Irgendwie scheint der Titel zu stimmen, denn Pearl Jam anno 2006 sind ein arrivierte Rockband und sie decken das gesamte Genre ab. Gone ist die obligate Rockballade, der Opener Life Wasted schon fast ein Rock’n’Roller, der direkt in die Beine geht. Einzig überraschend im gesamten Gitarrenfeuerwerk ist der Song Wasted Reprise, der schlicht von einer Hammond Orgel begleitet ist. Kaum hat man sich darauf eingestellt, ist er wieder vorbei, und das eher belanglose Army Reserve plätschert dahin und erinnert dabei irgendwie an Crowded House. Anleihen von The Who über U2 bis Led Zeppelin sind auch zu hören, am Auffälligsten ist das an AC/DC erinnernde Intro zu Life Wasted.

Ein zwiespältiger Eindruck
Hatten sich vor zwei Jahren die Gitarristen Stone Gossards, und Mike Mac Cready, Bassist Jeff Ament und Drummer Matt Cameron für John Kerrys Vote For Change Tour engagiert, kann Bandleader Eddie Vedder mit dem Wahlresultat leben. Auch wenn er sich in World Wide Suicide enttäuscht von Bush zeigt: «Now you’ve got both sides, claiming killing in God's name/but God is nowhere to be found, conveniently». So hat Eddie Vedder im Gegensatz zum Weissen Haus erkannt, dass die Amerikaner im Namen Gottes im Irak töten und getötet werden. Und doch klingen die meisten Titel wie World Wide Suicide politischer als die Songs selber. Army Reserve ist für die daheim gebliebenen gedacht und im melancholischen Unemployable (unbeschäftigbar) bedauert Vedder das Schicksal eines Arbeitslosen. Der Song ist eine Momentaufnahme, denn er endet, bevor der Protagonist eine neue Stelle findet.

Streckenweise aber klingt das Album, also ob Pearl Jam schon seit 15 Jahren im Geschäft sind. Perfekt produziert von Adam Casper (Foo Fighters, Queens Of The Stone Age, u.a.) klingt der Sound unverfälscht. Und doch hat das Album vor allem im zweiten Drittel eher lang atmige Durchhänger. Pearl Jam sind in der Tat schon 15 Jahre (man wird älter!) im Geschäft und als arrivierte Band kann man sich auch den einen oder anderen schwachen Track auf einem Album erlauben. Die Stones praktizieren das schon seit den 70er-Jahren erfolgreich. Besonders geschmacklos ist das Booklet und Innencover. Das blaue Cover mit der aufgeschnittenen Avocado ist schön und witzig, denn der Kern verschwindet. Für Lebensmittelfotografien top. Unappetitlich hingegen sind die Gummiköpfe und -gliedmassen im Innern. Ein weiterer Durchhänger, fast so, als ob sich die Band nicht für ein Konzept hätte entscheiden können. Im August und September touren Pearl Jam durch Europa, und machen am 13. September auch in Bern halt. Aber eigentlich gibt es bloss eine Show, die man sehen muss: Diejenige vom 9. Dezember im Aloha Stadion in Honolulu auf Hawaii. Dort treten Pearl Jam als Vorgruppe von U2 auf.

...und doch ein Neustart

Hört man sich die alten Pearl Jam Platten an, so strotzen sie immer wieder vor Düsterkeit. Auch gut hörbar bei den CD-Veröffentlichungen ihrer Official Bootlegs Konzert Serien. Im Jahr 2000 veröffentlichte die Band jedes ihrer Konzerte auf CD in einer simplen Kartonhülle. Der Autor hat sich - selbstverständlich - das Zürcher Konzert gekauft. Pearl Jam wurde von der Band als Neustart bezeichnet. Das breit abgedeckte Spektrum des Rocks bezeugt dies. Und auch die beiden Songs Life Wasted und Inside Job. Gut möglich, dass Vedder in Life Wasted autobiographisch wird, wenn er schreibt dass Dunkelheit in Wellen kommt, aber weshalb man sie einlädt zu bleiben (Darkness comes in waves/Why invite it to stay). Was thematisch im Schluss-Song Inside Job weitergeführt wird. Inhaltlich ist entschlossener Optimismus zu spüren. Während sieben Minuten kämpft sich Eddy Vedder durch jede Stufe von Dunkelheit ans Licht zurück. Und verspricht uns, dass er seinen Glauben nicht verlieren werde. Veränderung kommt innen, es ist ein echter «Inside Job».



Foto: Pearl Jam live @ Continental Airways Arena in New Jersey, 3. Juni 2006 Foto: Kerensa Wright für peraljam.com

Tracklisting

Life Wasted
World Wide Suicide
Comatose
Severed Hand
Marker In The Sand
Parachutes
Unemployable
Big Wave
Gone
Wasted Reprise
Army Reserve
Come Back
Inside Job

 

 

 

 

   
Pearl Jam
Pearl Jam

Sony BMG 82876 716467 2
   

Links:

www.pearljam.com

 Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk
<iframe src="http://rcm-de.amazon.de/e/cm?t=vzfb-21&o=3&p=8&l=as1&asins=B000ETQRCM&IS1=1&fc1=000000&lt1=_blank&lc1=0000ff&bc1=000000&bg1=ffffff&npa=1&f=ifr" style="width:120px;height:240px;" scrolling="no" marginwidth="0" marginheight="0" frameborder="0"></iframe>