Sting,
einer der profiliertesten Stars im sonst eher apolitischen
Showbusiness, Sohn eines Milchmannes, ist seiner linken Überzeugung
treu geblieben. Neben U2 und Peter Gabriel ist er wohl die
Ikone des Polit-Pops der 80er Jahre und kritisierte in seinen
Songs die südamerikanischen Militärjuntas. Wie U2
engagierte er sich während der 90er Jahre weniger kameraträchtig
im Hintergrund. Neben seinem Einsatz für Amnesty International
ist vor allem sein Engagement für den tropischen Regenwald
bekannt - auch wenn ihn Angus Young von AC/DC dafür verlogen
schimpfen mag, weil seine Bassgitarre aus Mahagoni sei. Die
Terroranschläge vom 11. September 2001 und die darauffolgenden
Kriege der Bush-Administration repolitisierten den öffentlichen
Sting und hinterlassen auf Sacred Love, seinem am 29.
September erschienenen Album eindeutig ihre Spuren.
This War, ein Song mit zu freundlich in den Hintergrund
gemischten, heulenden Gitarren, widerspiegelt musikalisch
die klinische Kriegsberichterstattung der embedded journlists
von CNN und Fox News. Im Text greift Sting die Feldherren
Bush und Blair frontal an: «Ihr mögt den Krieg
gewonnen haben, doch akzeptiert ihr den Frieden», fragt
er. In Forget About The Future analysiert er die Rolle
des gefallenen und noch fallenden Empires östlich und
westlich des Atlantiks: «Sie öffneten die all die
Wunden der Vergangheit, da sie versagten ihren Weg in die
Zukunft zu finden.» Mit der Metapher einer Beziehunskrise
skizziert er die Beweggründe er Bush-Administration:
weil es schwierig sei, über die Zukunft nachzudenken,
soll man mit der Vergangenheit weiterfahren.
Vom Irakkrieg schlägt er in This War elegant den
Bogen zum amerikanischen Krieg gegen den Terrorismus: «Es
gibt einen Krieg gegen unsere Demokratie, ein Krieg gegen
unsere andere Meinung. Es ist ein Krieg innerhalb der Religion
(...) Es ist ein Krieg gegen Mutter Natur, auf den Meeren,
gegen die Wälder, Vögel und Bienen. Es ist ein Krieg
gegen die Erziehung, ein Krieg gegen die Information, ein
Kampf zwischen den Geschlechtern und den Nationen.»
Seine nüchtern düstere Analyse beendet er mit der
Feststellung, dass dieser Krieg gegen die Liebe und das Leben
an und für sich gerichtet sei. Und dass sie - Namen muss
Sting keine nennen - diesen Krieg verlangen.
Auf Brand New Day, dem Vorgängeralbum von 1999,
forderte Sting dazu auf, die Uhren zurückzudrehen und
noch einmal von vorne zu beginnen. Wie damals packte er auch
Sacred Love die vorherrschende gesellschaftliche Grundstimmung
in seine Musik. Trotz der Terroristen Bin Laden und Bush gelingt
es Sting zu vermitteln, dass es noch immer Hoffnung gibt,
er hat seine optimistische Stimmung noch nicht verloren. Sting,
katholisch erzogen, bezeichnete sich im Interview mit dem
Spiegel keiner Religon zugehörig. Dennoch verwendet in
seinen Texten biblische Bilder, und dass die Religionen einem
Halt bieten können. So fragt er in This War, was
es nütze die ganze Welt zu gewinnen, wenn man dabei seine
Seele verlöre. In Dead Man's Rope zeigt ihm ein Engel
den Weg in eine bessere Zukunft auf: «In der Güte
meiner Erinnerung ist der süsse Regen des Vergebens.
Und so folge ich nun in seinen Fussstapfen und gehe in seine
Gnade ein.» Etwas weniger biblisch, dennoch unmissverständlich,
ist die Botschaft des Albums, zu finden im Song This War:
Begegne dem Unbill der Welt mit Liebe. Lehne nicht zurück,
sondern engagiere dich. Womit sich der Titel des Albums, Sacred
Love - heilige Liebe - selbst erklärt.
Send Your Love, die irreführende Single
In einem Rock-Lexikon von Mitte der 90er Jahre ist unter dem
Eintrag Sting zu lesen, dass seine Singles keine Hitparadenstürmer
seien. Sting möchte, dass man seine Alben kauft. Anhand
dieser These lässt erklären, warum bei Sting regelmässig
schwache Stücke wie After The Rain Has Fallen, You
Still Touch Me oder Fortress Around Your Heart auf
Singles landen. Auch Send Your Love, die Vorabauskoppelung
aus dem aktuellen Album Sacred Love, scheint nach dem
Hören des leidigen Radio-Edits in obengenanntes Kapitel
zu gehören. Dass die Bemerkung des Rocklexikons wahr
sein könnte, erklärt sich damit, dass auf Send
Your Love arabische und westliche Musik vermengt sind.
Sting legt Wert darauf, dass dies seine Form von Protest gegen
George Bush sei.
Für manch gestandenen Sting-Fan klingt der Maestro bei
diesem Song zu stark nach Ricky Martin. Eine bewusste Irreführung
der Käufer - die Albumversion ist ausgewogener und präsentiert
ein weiteres Muster von Stings genialer Manie, differente
Stile miteinander zu mischen: Ein Flamenco-Intro wird von
einem westlichen Popsong abgelöst, und schlussendlich
mischen sich Technorhytmen und orientalische Klänge.
Und dennoch liegt in der Singleversion, in der Reduktion des
Songs auf massentauglichen Radiopop, sein Hitpotenzial, nicht
zuletzt weil auf dem Album der grosse musikalische Wurf fehlt.
Dennoch kann man sich getrost fragen, ob nun die Ricky-Martin-
Allüren mehr nerven als das moderne Bazargewand.
Reflexionen der Moderne und der Vergangenheit
Seine Ricky-Martin-Allüren sind nicht die einzigen Reflexionen
der musikalischen Moderne. Im wunderbaren Duett Whenever
I Say Your Name mit Mary J. Blige kriegt Sting gerade
noch einmal die Kurve, die melancholische Melodie der Strophe
und der R&B-lastige Chorus harmonieren miteinander, wenn
auch schlecht. Schon das 96er Album Mercury Falling
folgte in der Produktion dem damaligen Trend der Zeit zu pampigen,
in der Mitte abgemischten Sounds. Bei Sacred Love,
welches wieder in aktuellster Manier abgemischt ist - mit
zuvielen Bässen und sonstigen Störenfriede drin,
ist das Resultat zwar geniessbar, aber nur in dosierten Mengen.
So scheitert auch Book Of My Life nach einem Hühnerhaut
erregenden Intro, weil der Song zu westlich wurde. Die Sitar
von Anushka Shankar hätte sich bestens in die keltische
Melodie, welche entfernt ans Guggisberglied erinnert, eingepasst.
Sting ist einer der meistgesampeltsten Musiker überhaupt.
Diddy Sean Puffy Combs, oder wie er auch immer gerade aktuell
heissen mag, sampelte in seinem Tribut an Notorious Big -
I'll Be Missing You - Stings Klassiker Every Breath
You Take. Auch Sting zitiert sich gerne selbst: In Love
Is The Seventh Wave rezitiert er aus Every Breath You
Take, in 7 Days spielte er auf Every Little
Thing She Does Is Magic an. Warum also sollte er sich
nicht selbst samplen dürfen? Die Coda von Dead Man's
Rope ist das Zitat von Walking In Your Footsteps
ab dem legendären Synchronicity-Album. Der Song
ist eine wunderbar zurückgenommene Ballade und wohl der
beste Song des Albums, weil Sting nicht zuviel miteinander
vermischt hatte. Never Coming Home ist nicht anders
als eine Reminiszenz an Liveversion von Bring On The Night:
Die Gitarrenbegleitung ist die selbe wie anno 86 und auch
Jason Rebellos Klaviersolo am Ende erinnert stark an jenes,
welches er bei Bring On The Night während der
letzten Tour gespielt hatte.
Kein Album von Sting ist gleich wie sein Vorgänger: The
Dream of The Blue Turtles ist das jazzige, Nothing
Like The Sun das politische, The Soul Cages das
düstere, Ten Sumoner Tales das verspielte Album,
Mercury Falling spiegelt Stings Midlife Crisis,
Brand New Day war das optimistische Album vor dem Millennium.
Und Sacred Love? Inhaltich ist es ein Meisterwerk:
Sting spricht mit einer unverhohlenen Deutlichkeit, welche
Bono gut anstehen würde. Doch musikalisch zerreist das
Album keine Stricke und ist wie The Soul Cages und
Mercury Falling schwer verdaulich. Ganz so wie die
heutige Zeit.
Sting hat lachen gelernt. Foto: sting.com/members
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Tracklisting:
Inside
Send Your Love
Whenever I Say Your Name
Dead Man's Rope
Never Coming Home
Stolen Car
Forget About The Future
This War
Book Of My Life
Sacred Love
Bonus
Tracks auf SACD
Send Your Love - Dave Aude Remix
Shape Of My Heart - Live
Tracklisting
Send Your Love
Moon Over Bourbon Street- Cornelius Mix
Send Your Love - Dave Audé Remix
Send Your Love - The Video
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