Musicus
Die Quintessenz
31. Oktober 2003
Das neue Yello-Oeuvre The Eye vereinigt alte und neue Sounds der Zürcher Elektromusik-Pioniere. Das Album wirkt durch seine musikalische Vielfalt wie die Quintessenz ihres bisherigen Schaffens.
Bewertung: * * * * 1/2

Ihre Songs aus den 80er Jahren sind längst zu Klassikern geworden, «Oh Yeah», «The Race» oder «Lost Again» wurden für Radio- und TV-Jingels eingesetzt. In den 90er Jahren schienen die Yello-Sounds oft nicht mehr ins Format der hitorientierten Radiosender zu passen. Dafür wurde die Band von den Werbern für die Vermarktung amerikanischer Zigaretten und spa-nischer Autos entdeckt. Dieter Meier meinte in einem Interview dazu, dass es für ihn keinen Unterschied mache, ob er Werbespots für Zigaretten oder Videoclips für Yello drehe.

Ein Merkmal der elektronischen Musik sind die Remixe, welche bei Yello nicht nur auf den Maxisingles diverser Formate, sondern immer wieder auch auf den Alben – mit neuen Titeln versehen – auftauchen. Der Opener «Planet Dada» scheint die Evolution von «Get On» ab dem 99er Album «Motion Picture» zu sein. «Tiger Dust» basiert auf den «Suite 904 Remixes» von 1995. Nach Dieter Meiers Ankündigung «One More Time» zu Beginn des Songs findet man sich musikalisch auf das Album «Zebra» zurückversetzt, bevor Boris Blank mit Meiers Sprechgesang und seinen Worten «Feeling like a buddah, feeling very very high» zu spielen und zu verfremden beginnt. Eine Technik, die er 1997 auf «Pocket Universe» angewendet hatte. Dieter Meier bezeichnete damals Blanks vorgehensweise als Klavierspiel mit seiner Stimme.

Ein Schuss Brasilectric
Die einzige musikalische Neuereung auf «The Eye» ist Boris Blanks Ausflug in das Chillout- und Easy-Listening-Genre. «Don Turbolento» ist eine süffige Mischung klassischer Yello-Sounds, die mit einem Schuss Brasilectric und Samba gewürzt wurden. Zugleich ist es der erste von fünf Songs, bei welchen Jade Davies die Leadvocals singt. Es gelingt ihr, eine ähnlich warme Atmosphäre zu erzeugen wie seinerzeit Billy MacKenzie. Ein weiterer gemeinsamer Song mit Jade Davies ist «Junior B», ein stimmiger Popsong den man eher auf «Amor Fati» Mich Gerbers denn auf einem Album von Yello vermutet hätte.

Boris Blank ist es auf «The Eye» gelungen, die letzten Alben mit dem Witz und der verspielten Ironie der 80er Jahre zu verbinden. So ist der Albumtitel «The Eye» wohl im übertragenen Sinn zu verstehen, denn man nimmt das Album auch ohne Enhanced-Sektion auf der CD audiovisuell wahr: das Album ist die Quintessenz des musikalischen Oeuvres Yellos, welches seit Jahren als Kino im Kopf apostrophiert wird.

Tracklisting:
Planet Dada
Nervous
Don Turbolento
Soul On Ice
Junior B
Tiger Dust
Distant Solution
Hipster's Delay
Time Palace
Indigio Bay
Unreal
Bougainville
Star Breath
Planet Dada - Falmboyant

Dieter Meier und Boris Blank unter dem Auge.

Yello
The Eye
Motor, Universal, 980 855-2  

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
www.yello.ch

Weitere Artikel über Yello...

Rolls Royce Techno (Zebra, 1994)
• Das Universum in der Tasche (Pocket Universe, 1997)
• Kino im Kopf (Moving Picture, 1999)

... und ausserdem:
Fotos eines PR-Events im Jelmoli Zürich anlässlich des Releases von Zebra 1994