Musicus
Die Message liegt in der Musik
15. September 2005
Nach bloss einem Album und einem Jahr auf Tournee, wartet die Welt gespannt auf das zweite Album von Franz Ferdinand. Für das RockStar Magazine traf Yves Baer Nick McCarthy und Paul Thomson. Und verabredete sich auf einen Whisky mit der Band.

Ein Treffen mit den Mitgliedern von Franz Ferdinand ist als ob man ein paar gute Kumpels trifft und viel lacht. Zwar wäre man mit Mastermind Paul Kapranos und Bassist Robert Hardy verabredet gewesen. Besonderer Umstände wegen setzen sich dann Gitarrist und Keyboarder Nick McCarthy und Drummer Paul Thomson an den Tisch. Sofort ist man mit Nick McCarthy in ein angeregtes Gespräch verwickelt, während Paul Thomson das ganze Interview hindurch interessiert das RockStar Magazin studiert und dann doch den Hauptpart des Gesprächs mit seinem breiten nordenglischen Akzent bestreitet. Von Grössenwahn ist bei Franz Ferdinand (noch) keine Spur zu spüren, die Jungs sind nach fast zwei Jahren Franzmania noch sich selbst geblieben. Als Nick am Ende des Gesprächs das CD Cover ihres Debütalbums mit seinem Autogramm verschönert hat, steht er auf und legt sie Paul und Bob beim Nachbartisch zum signieren hin – unbesehen, dass diese gerade selbst ein Inti geben. Man merkt es ihnen an, sie haben noch immer Spass an der Sache.

Seit wenigen Minuten ist es ruhig im Backstagebereich des Paleéofestivals, die Grande Scène wird für Starsailor umgebaut, bevor dann um Mitternacht Franz die Menge begeistern wird. Ob das vorhin Rammstein gewesen wären, erkundigt sich Paul. Während man ihm erklärt, dass das Luke gewesen waren, schaut er die Fotos des jüngsten Gerichts an. Über Nummer 10 muss er lachen und schiebt Nick das Heft hin.

yb: Ja, das ist Master Luke, unser Chef.
Nick: Haariger Typ, dein Chef! (lacht) Ich mag Chewbacca.
Schade, dass ihr unser Star Wars Special verpasst habt...
Paul: Aber nachher spielen Rammstein? Die möchte ich unbedingt sehen.
Nein, danach spielen Starsailor. Rammstein kommen morgen.
Paul: Schade. Rammstein sind eine heisse Band.

Franz und die Schweiz
Ganz zu Beginn des Gepräches, in der Bewaffnungsphase mit Mikrofon positionieren und Soundcheck der Minidisc, befindet es Nick es für cool, dass ihr Debütalbum in der ersten Ausgabe des RockStar Magazine besprochen worden war und Paul lässt sich begeistert vernehmen: «Hey, that’s an Eisbär on the cover.» Etwas ratlos studiert er ein im Heft abgebildetes Cover.

Paul: Aber das ist nicht das richtige Cover. Oder doch? Meines sieht nicht so aus.
Nick: Welches Cover?
Paul: Dasjenige von Eisbär.
Nick: Hier hat es doch einen Eisbär drauf.
Paul: Nicht dieses hier. Meines.
Du meinst den Song Eisbär?
Paul: Ja, ein absolut cooler Song, so von Ende der 70er-Jahre. Ich habe ihn kürzlich entdeckt. Wie hiess die Band nochmals?
Grauzone
Paul: Ja, Grauzone. Ich liebe diesen Song!
Das ist ein Schweizer Song. Stephan Eicher singt ihn noch heute an seinen Konzerten. Hörst du noch weitere Schweizer Bands?
Paul: Ja. Neben Grauzone fahre ich auf Lilliput und Kleenex ab. Kennst du die?
Ja, die wurden vor ein paar Jahren neu aufgelegt.
Nick: Aber das ist nicht das Cover von Eisbär?
Paul: Nein, auf diesem Cover ist ein Eisbär zu sehen.
Nick: Was liest du denn da?
Paul: Die 100 schlechtesten Schweizer Bands. Ja, das Cover mit dem Eisbär ist wirklich hässlich.
Testen wir dich doch gleich: worum geht es in Eisbär?
Paul: Ich möchte ein Eisbär sein, am Polar. Weil ein Eisbär keinen Schmerz kennt.
Sehr gut
Paul wendet sich Nick zu.
Paul: Ich spreche immer von Eisbär, weil ich das englische Wort dafür vergessen habe. Welches ist der englische Ausdruck für Eisbär?
Nick: (überrascht) Den englischen Ausdruck für Eisbär? Du meinst Polarbear?
Paul: Ja, polarbear! Das war es.

Nicks Verblüffung ist verständlich, denn eigentlich ist er derjenige, der in München aufgewachsen ist und nicht Paul. Während sich Paul darüber wundert, dass er den Ausdruck Polar Bear vergessen hat, fragt Nick in der Hoffnung, dass der Autor nichts davon mitkriegt hat, völlig belanglos, woher er denn käme.
Aus Zürich.
Nick: Das ist eine sehr schöne Stadt!

Ihr habt letztes Jahr in Zürich gespielt. Habt ihr noch irgendwelche Erinnerungen daran?
Nick: Ja, es war ein ziemlich cooler Club (Das Abart, ed).
Paul: Ja, die Ambiance des Clubs war speziell. Vor allem das Ding, das die Fans immer gemacht haben.
Er streckt die Arme aus und imitiert eine La-Ola-Welle.
Nick: Ja, das war lustig!
Paul: So was habe ich zuvor noch nie gesehen.
Nick: Und die Mädchen. Die waren auch cool. (lacht)

Franz und das Geschäft
Ihr seid oft Auf Achse.
Nick: (lacht) Oh ja!
Ist es mehr Stress oder Spass für Euch? Habt ihr Zeit für Sightseeing oder ist es bloss business as usual?
Nick: Es ist oft business as usual. Wir versuchen aber immer, einen Spaziergang durch die Städte zu machen. Der interessante Teil am Touren ist es, während eines Spaziergang die Vibes einer Stadt zu spüren. Hier (in Nyon) ist die Landschaft unglaublich, wir waren vorhin im See schwimmen.

Was ist das beste am Touren?
Paul: Das wichtigste sind die Konzerte. Und ich denke, das können wir am besten – neben Platten aufzunehmen. Die Welt sehen und interessante Leute zu treffen ist das Zweitbeste.
Nick: Und jeden Abend eine Party schmeissen. (lacht)

Ihr seid innert kürze sehr gross geworden. War es ein Vorteil für Euch, alle guten und schlechten Momente gemeinsam als Team und nicht als Einzelmaske zu erleben?
Nick: Gute Frage
Paul: Ja, es ist gut, dass wir als Band erfolgreich wurden. So können wir uns gegenseitig auf dem Boden behalten. Wir konnten mit jemandem unsere Erfahrungen austauschen.
Nick: Es war aber auch gut zu feiern! Als Gruppe kannst du bei jedem Erfolg gleich eine kleine Party veranstalten. Aber es funktionierte auch umgekehrt. Ich kann mir nicht vorstellen, alleine zu sein. Ich wäre verrückt geworden.

Wie wichtig sind Singles für Euch?
Nick: Sehr wichtig.

Ihr verkauft also Euer Album klassisch über die Single. Dabei werden in den USA keine Singles mehr verkauft.
Nick: Stimmt, die Amis kümmern sich nicht um Singles. Aber ich glaube, wir hatten dennoch zwei drüben. In den 60er- und 70er- Jahren war das ganze Geschäft auf Singles aufgebaut. Und heute sind es Albums. Aber ich glaube, mit dem Musikdownloads kommen sie wieder zurück. Denn du lädst bloss den Song runter, der dir gefällt. Wenn dir alle Songs gefallen, lädst du das Album runter. Jeder unserer Songs ist eigentlich eine Single. Das ist ein Teil unseres Erfolgs.

Ich kaufe die Singles wegen den B-Seiten.
Nick: Ja! Und unsere Singles haben welche!
Paul: Ich bin auch ein B-Seiten-Enthusiast. Es ist auch praktisch. Die B-Seiten erlauben dir als Band auch, eine Coverversion oder etwas anderes wie die deutsche Version von Tell Her Tonight aufzunehmen. Manche unsere Songs entwicklen sich als B-Seite, weil es verlängerte Jamsessions sind.
Better In Hoboken oder die akkustische Version von 40“ sind tolle B-Seiten.
Nick: Wir lieben akkustische Gitarren sehr, so in der Art wie sie David Bowie gespielt hat. Akkustische Instrumente sind so rhytmisch! Wenn du sie genug verstärkst. (Lacht)

Franz und das Album
Die ganze Welt brennt auf euer nächstes Album. Man sagt immer, dass das zweite Album das schwierigste ist. Habt ihr etwas von dieser Erwartungshaltung gespürt. Wurde der Druck weitergegeben? Oder seid ihr einfach ins Studio gegangen und habt ein paar gute Songs aufgenommen?
Paul: Wir standen bei der ersten Platten viel mehr unter Druck. Die Leute haben dich noch nie gehört. Du weisst nicht, ob sie deine Musik mögen. Wir haben Glück gehabt, unsere Platte wollten viele Leute hören. Viele Leute, welche die erste Platte gekauft haben, werden auch die zweite kaufen. Ich glaube, wir haben eine bessere Platte aufgenommen.
Nick: Ich habe es genossen, wieder im Studio zu sein und neue Songs zu schreiben. Es war ein Nachhausekommen. Und am Ende, als wir die Aufnahmen hörten, realisierten wir, dass wir das Songwriting noch immer drauf haben.

Erzählt mir mehr darüber Songwriting: Was ist zuerst: Die Musik oder die Lyrics? Wie entsteht ein Franz Ferdinand Song?
Paul: Das ist verschieden.
Nick: Wenn wir zusammen spielen, entwickeln sich daraus die Melodielinien. Paul und ich singen dann meistens Silben dazu.
Paul: Es kommt auch vor, dass Paul die Songs komplett auf seiner akkustischen Gitarre schreibt. Walk Away beispielsweise hat er über Nacht geschrieben. Aber auch The Fallen. Es kommt auch vor, dass wir über eine Akkordfolge jammen.

Vorhin war die erste Listening Session...
Nick: Yeah, hast du das Album gehört? Ich wäre gerne dabei gewesen.
Paul: Ja.
Bis auf den zweiten Track Turn It On haben wir das gesamte Album gehört. Hand aufs Herz. Worum geht es in diesem Song, dass wir Journis ihn nicht hören dürfen?
Nick: Ihr durftet ihn nicht hören? Warum?
Paul: Der Song ist noch nicht ganz fertig. Wir sind noch nicht ganz sicher mit ihm. Aber die anderen haben wir frei gegeben.
Nick: (senkt die Stimme) In Wirklichkeit geht es um Radios. (lacht)

Vorhin habe ich das Album gehört und in ein paar Wochen werde ich hoffentlich die Promo haben, um das Album besprechen zu können. Ihr habt nun die einmalige Möglichkeit, Euren Schweizer Fans mitzuteilen, welche Message ihr auf dem Album verbreitet.

Paul: Die Message ist in der Musik.
Nick: Sehr direkt...
Paul: Ja, wir haben über viele Themen geschrieben, manche tauchen in drei oder vier Songs auf. Aber das Album hat kein Kernthema.

Nick: Hat dir das Album gefallen?
Ja, sehr sogar. Ich denke dass ihr ein weiteres Nummer 1 Album aufgenommen habt.
Nick: Ehrlich? Glaubst du das?
Paul: Wirklich? Bloss hatten wir noch nie eine Nummer 1.
Echt?
Nick: Nicht in England.
Umso besser, dann habt Ihr die eure erste Nummer 1 aufgenommen.
Nick: Wer weiss... Ich mag es auf jeden Fall und hoffe, es gefällt den Leuten. Aber der Vorgänger war schon verdammt gut.
Paul: Wie es auch rauskommt, wir messen die Qualität eines Songs nicht an seinem Erfolg. Wir sind zu gute Musiker dafür.

Guck mal, welcher Rock Star mit Franz Ferdinand posiert. Büne Huber mit der September-Ausgabe ders RockStar Magazines, worin das Interview die Titelstory ist.

Nick McCarthy, Alex Kapranos und Bob Hardy von Franz Ferdinand (Foto: rollingstone.com)

Franz und die Covers
Im Internet habe ich gelesen, dass Ihrs wie Led Zeppelin macht und Euren Alben keinen Titel gebt. Nick lacht anerkennend. Stimmt das? Nicht mal Franz Ferdinand 2?
Paul: Es ist schwierig, irgend eine Zeile aus dem Album zu nehmen. Auch 2 passt nicht über alles. Nein, die Alben unterscheiden sich bloss durchs Artwork.

Das neue hat eine Frau drauf.
Paul: Ja, die Frau und die Farben machen den Unterschied.
Also nennen wir es das Girlalbum.
Nick: Das ist gut.
Paul: Eigentlich musst du es das Neue nennen!

Ich möchte auf Nummer sicher gehen. Sie haben das Cover vorhin verteilt. So wird es in die Läden kommen?
Nick: Ja, das ist das definitive Artwork. Es gibt kein Zurück mehr.

Paul schnappt sich das Blatt und die CD ihres ersten Albums aus dem Dossier des Autors, legt sie nebeneinander und studiert sie eingehend. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, dass man einen Fan vor sich hat.
Paul: Das ist interessant. Das ist das erste Mal, dass ich die beiden Covers nebeneinander sehe.
Nick: Ich auch. Man kann eine Entwicklung sehen. Die Farben haben sich leicht geändert, dazu kommt die Frau. Aber es ist derselbe Schriftzug.

Ich liebe Euer Artwork. Es erinnert mich ans Bauhaus.
Nick: Cool, du magst das? Wir lieben Bauhaus. Aber auch der russische Konstruktivismus ist eine grosse Inspiration für uns. Bloss drei Farben und eine Schrift, dafür unendlich viele Möglichkeiten in der Formensprache.
Paul beginnt unterdessen die Notizen aus der Listening Session zu lesen und fragt, ob das neben Outsiders Paint It Black heisst.

Ja. Outsiders erinnerte mich an Paint It Black, das mit Ennio Moricone gekreuzt wurde.
Paul: Gut, zuerst fragte ich mich, was Police It Black bedeuten soll.
Nick singt unterdessen das Riff von Paint It Black.

Aber du siehst, ich habe daneben noch Meisterwerk geschrieben.

Paul: Die Morricone-Refernzen führen auf Pablo (ein Sessionmusiker) zurück, der wollte so ein Reaggemeldoica Ding spielen. Du bist nicht der erste, der mit Ennio Morricone kommt.
Nick: Dafür aber mit Paint It Black.

Ferdinands Gerüchteküche
Ihr habt im neuen Harry Potter Film gespielt?
Beide: Nein.
Paul: Wir wurden angefragt, Musik beizusteuern. Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir auf Tour. Wir schoben es auch auf die lange Bank, weil uns noch nicht alle Leute live gesehen haben, die möchten.

Habt Ihr Filmprojekte geplant?

Paul: Nein. Noch nicht.
Nick: Wir haben zu viel zu tun.

Richtig. Ihr sammelt ja das Filmmaterial Eurer Fans, um es auf einer DVD zu veröffentlichen.
Nick: Ja genau.
Paul: Unser Job ist Platten zu machen und Konzerte zu geben. Ein Film machen wir vielleicht in einem ruhigen Moment.

Also vorderhand kein Spiceworld oder Hard Day’s Night?
Nick: Das wäre cool.
Paul: Hast du den Film über Madness gesehen. Die Band spielt darin, wie sie sich gefunden haben. Dabei sind sie grottenschlechte Schauspieler. Das hat mir gefallen. So was würde ich auch gerne machen.

Ihr habt in Glasgow bei Live8 gespielt?
Nick: Nein, auch nicht wahr. Wir wurden von Bob Geldof angefragt. Aber unser Bob wurde an dem Tag krank. Es hat nicht sollen sein.

Wie wichtig ist Tanzmusik für Euch?
Paul: Sehr wichtig. Techno oder tanzbare Musik wie sie die B52 spielten, brachte uns zum tanzen. Und so kamen wir mit der Musik in Berührung.

Die nächste Frage ist eine doofe Journalistenfrage:
Nick: Mach nur.
Ich möchte die Wahrheit über Michael wissen. Ist er bloss ein zielgruppengerechter Song für euer Hauptpublikum, die Girls oder die nächste Hymne der Gay Community?
Nick lacht, Paul antwortet.: Es ist ein Song über eine Kollegin von Alex, die sich wie beschrieben in einer Disco aufgeführt hat. Alex hat danach einen Song über sie geschrieben.
Nick: Lies einfach daraus, was du möchtest. Wieso nicht eine Ballade über Michael?

Und zum Schluss, gebt mir einen Tipp. Welches ist der beste Singlemalt?
Paul: Oh! Also, da ist Lagavullin und Lafroid.
Nick: Ja Lafroid.
Paul. Du musst Lafroid kaufen. Aber direkt beim Distiller. So weisst du, wie der Geschmack zustande kommt.
Nick: Und alle irischen Whiskeys natürlich.

Cool, dann schlage ich vor, dass wir uns nach dem nächsten Zürcher Konzert auf einen Lafroid treffen.
Nick: Oh yeah, das machen wir!



Nick McCarthy (links) und Paul Thomson rechts, bei der Lektüre des RockStar Magazines, für welches Yves Baer sie interviewt hat.



Das besprochene Album Cover. Die Rezension des Albums folgt separat in Musicus.
   

Links:
www.franzferdinand.co.uk
www.rockstar.ch