Durch die Nacht mit Franz
24. Januar 2009

Bob Hardy, der Bassist von Franz Ferdinand, ist ein netter Kerl, der nur für die Musik und die Band lebt. Und so erzählt er im Interview ausführlich über das Innenleben der Band.

 


Viel geisterte schon im Vorfeld über das neue Album herum, traten Franz Ferdinand im letzten Sommer an Open Airs auf und gaben Interviews. Dass dennoch nichts ergiebiges übrig blieb, liegt daran, dass die Band noch ein halbes Jahr weiter an der Platte gearbeitet hat. Damals, im Sommer 2008, sollte es Druggy-Album werden, so als ob man sich auf einem Trip befände. Bei der Veröffentlichung befindet man sich nun auf einem Trip mit Franz Ferdinand durch die Nacht von Glasgow. Und dies ist keine schlechte Wahl, denn bereits der erste Song, die Single «Ulysses», fordert einem auf: C'mon let's get high!
Also doch Drogen, Bob Hardy?
«Nein, überhaupt nicht. Wir hatten gar kein Konzept, wir wollten kein Konzeptalbum machen. Als wir dann die Songs zusammenstellten, merkten wir, dass alle Songs in der Nacht spielen. Aber wie gesagt, wir hatten überhaupt nicht Absicht, so eine Platte aufzunehmen.»
Warum dann also der Titel «Tonight» und die Nachtstimmung?
«Es hat sich so ergeben. Die Umgebung, in der wir aufgenommen haben, hat sich auf uns übertragen.» In einem alten Rathaus in Glasgow richteten Franz Ferdinand im Saal ihr Studio ein. Die grossen Fenster verhängten sie mit Tüchern. «Der Sound in unserem Studio war fantastisch, da brauchten wir kein Licht dazu. Dass es nun wie eine Nachtplatte klingt, ist ein glücklicher Zufall», resümiert Bob.

Die Aufnahmesessions
Blenden wir zurück ins Jahr 2004. Anfang Jahr erschien das Selbstbetitelte Debutalbum der vier Schotten. Wie schon die EP «Darts of Pleasure» Ende 03, die in England in die Top 3 Singlecharts gestiegen war, schlug das Album wie eine Bombe ein. «Franz Ferdinand» gilt als eines der wichtigsten Debutalben der Rockgeschichte. Mit dem Erfolg kamen die Touren, das zweite Album «You Could Have It Better With... Franz Ferdinand» erschien 2005 mitten im Touralltag. Bis zum dritten Album dauerte es mit 31/2 Jahren fast schon eine Ewigkeit, bis wieder neue Musik von Franz Ferdinand zur Verfügug stand. Gerüchte über Streitereien in der Band und verschiedene Soloprojekte von Alex Kapranos und Nick McCarthy nährten Trennungsgerüchte. Alles Quatsch, winkt Bob Hardy ab:
«Es war mehr weil wir die zweite Platte so kurz nach der ersten veröffetlicht hatten. Wir haben das Album während der Tour zum ersten aufgenommen, was heutzutage unüblich ist, da nimmt man eine Platte auf und ist danach auf Tour und geht nach der Tour wieder ins Studio. So waren wir Ende 2006, als wir die Tour endlich beendet hatten, ziemlich erschöpft. Wir waren von Mitte 2003 an, als wir für die erste Platte ins Studio gingen, zusammen. Zusammen im Studio, zusammen auf Tour und danach waren wir damit beschäftigt, Franz Ferdinand zu sein. So beschlossen wir erst einmal eine Pause einzulegen. Als wir uns Anfang 2007 trafen, hatten wir Lust, wieder zusammenzuspielen.»

Eine Band, die Lust hat miteinander zu spielen, macht normalerweise die bessere Musik als eine die den Rochus hat. Man hört es «Tonight» an, die Platte wirkt homogener als der Vorgänger, ähnlich wie das Debut. Die Aufnahmezeit für die Platte war mit anderthalb Jahren ungefähr ähnlich lang. Und doch gab es ein paar signifikante Unterschiede. «Wir kamen zusammen und gingen das ganze in einem entspannten Rahmen an. Wir spielten zusammen, hörten einander zu und entwickelten den Sound. Das brauchte seine Zeit, denn wir wollten nicht ein weiteres Franz Ferdinand Album nach Schema F machen. Das war der Unterschied zur ersten Platte, damals lernten wir, miteinander Musik zu machen, nun kreierten wir den Sound, den wir wollten.»

Die Aufnahmesessions liefen unter einer Bedingung ab: der Alltag als normale Menschen musste neben den Sessions Platz haben. Funktionierte das, Bob?
«Oh ja, sehr sogar. Das hat uns gut getan.» Darüber hinaus ging man gemeinsam in den Ausgang und schmiss ein paar Partys für enge Freunde oder spielte Clubgigs in Glasgower Pubs. Doch da war noch etwas, das die Struktur der Songs ziemlich verändert hatte.
«Wir machten 2007 eine Tour durch Schottland und spielten an sehr stilvollen Orten in den Highlands. Die Tour führte uns in Ortschaften, wo noch keiner von uns zuvor gewesen war. Und im letzten Sommer tourten wir durch England.» Angst davor, dass die Songs bereits ein alter Hut wären, wenn das Album erscheint, hat Franz Ferdinand nicht und testete im Somer 2008 einige Songs live. «Durch die Konzerte veränderten sich einige Songs. Vor allem ‹Ulysses , der war im Studio noch in einem ziemlich rohen Zustand. Oft wechselten wir live das Arrangement und übernahmen dann das Livearrangement für die Platte. Ich liebe es, die Stärke eines Songs anhand der Publikumsreaktion herauszufinden.»


Bob Hardy, Bassist von Franz Ferdinand.

Bob the bassplayer ist der nette Kerl mit der Krawatte. Der Buck im Bild muss sein, Duplexscan des Loop 1/09, wo Franz Ferdinand das Titelthema sind. Die Besprechung findet sich im Musicus.



Die Liebe zur Dancemusik

Während den anderthalb Jahren Aufnahmezeit wurden auch immer wieder falsche Fährten gelegt. Anfang 2008 spielten Franz Ferdinand an einen Afropop Festival und gaben erste Einblicke in die Songs von «Tonight». Damals liess Alex Kapranos verlauten, dass die neue Platte warm und nach Afrika klingen soll. Im Sommer sollte es immerhin noch eine tanzbare Platte sein. Dass das fertige Produkt dann nur noch nach Franz Ferdinand in ihrem gesamten musikalischen Spektrum klingt, ist wohltuend. Der stampfende Beat ist ebenso vorhanden wie die Ausflüge in die Dancemusik. Denn das Ziel von Alex Kapranos ist, dass die Mädchen zur Musik der Band tanzen. Etwas, was die Band mit «Tonight» nach eigener Einschätzung erreicht hat, denn sie beschreibt die Platte mit dem Adjektiv clubby. Weshalb nun die Frage an Bob geht, ob man sich nun mit dem Album back to the roots begeben hätte.
«Ja, das kann man durchaus so sehen. Das zweite Album haben wir aufgenommen, weil und während wir auf Tour waren. Auf der Platte hatten wir darüber nachgedacht, dass wir über Nacht live zu einer grossen Rockband geworden sind. So war die Platte quasi unsere Reinkarnation mit schweren Gitarren. Hier bei „Tonight“ haben wir uns zurückgenommen und uns darauf konzentriert, was wir wollen. Wir tanzen alle gerne und so gingen wir auch zusammen in Clubs und hörten gemeinsam Platten an. Darum ist die Platte durchaus clubby.»
Fassen wir noch ein wenig genauer nach, denn ein Dance und Elektroalbum von Franz Ferdinand würde nicht überraschen: Nick MacCarthys Projekt mit seiner Frau, Box Codax, legte mit „Only An Orchad Away“ eine Elektroplatte vor. Und Drumer Paul Thomson steht auf den New Wave Sound von Anfang der 80er-Jahre. «Take me Out» wurde von Daft Punk remixed und Erol Alkans Remix von «Do You Want To» verband Rock und Elektro gekonnt, etwas was bei Remixen selten der Fall ist. Darum Hand aufs Herz, Bob. Mochtest du die Remixe auf den Single B-Seiten? «Oh ja, sehr! Aber sind die denn nur auf Single B-Seiten?» Die meisten schon, aber es wurden auch Remix-Singles veröffentlicht.

Gerne hätten wir noch länger mit Bob gesprochen. Zum Beispiel was er von den neuen Vertriebsmethoden à la Radiohead hält. Doch die Vertriebskanäle sind ihm egal, solange die CDs von Franz Ferdinand gekauft werden. Bob kommt einem vor wie die Kinderfigur von Bob dem Baumeister. Er ist einfach zufrieden, Bassspieler zu sein. Er ist kein Künstler und kein Musiker. Nur Bassspieler, betont er. Einen Traum hat er auch nicht, denn nun steht die Veröffentlichung der Platte und die Tour an. Das absorbiere ihn genug. Akzeptieren wir und danken Bob dem Bassspieler, dass er so breitwillig Auskunft gab.

Franz, das Skelett und Hitler
Auf einem Flohmarkt kauften Franz Ferdinand ein Skelett aus dem Nachlass eines Pathologen und verwendeten die Knochen als Instrumente: so wurde das Klatschen der knochigen Hände aufgenommen. Auf’s Album schaffte es schlussendlich das Getrommle auf die Rippen, zu hören als trockener Sound in «Kiss Me Katherine». Bereits 2005 machten in «Walk Away» die Kämpen aus dem 2. Weltkrieg in der letzten Zeile ihre Aufwartung: «on a silent night / Stalin smiles, Hitler laughs / Churchill claps, Mao Tse-Tung ... on the back.» An Konzerten werden die Namen durch diejenigen der Bandmitglieder ausgewechselt.

Franz und der Alk
Die Gründungslegende geht wie folgt: Alex Kapranos und Nick McCarthy prügelten sich 2001 an einer Party um eine Flasche Wodka. Na ja, es muss ja nicht immer Whisky sein. Als echte Schotten aber haben die Whiskyempfehlungen der Herren von Franz Ferdinand durchaus Gewicht: Paul zieht Llagavulin vor. Nick empfiehlt den Lafroid. Beide sind Single Malts und kosten dementsprechend. Auch Bob steht auf Single Malts und empfiehlt den Macallan aus den Highlands. Einzig Alex konnte nicht dazu befragt werden, da er momentan versucht, von der Whiskyflasche nach den Konzerten wegzukommen (siehe auch die Gossips).

Franz und Gott, geklaute Autos und Eisbären
Die Frage nach dem grössten Schweizer Hit muss man Paul nicht stellen, denn sogleich beginnt er «Eisbär» von Grauzone zu singen und erklärt den Text, wobei er dann gerne den englischen Ausdruck für Eisbär vergisst. Dass stille Wasser oft tief gründen, ist eine alte Weisheit. So auch bei Nick, der doch so ganz adrett und wie der perfekte Schwiegersohn aussieht: Als Jugendlicher brach Nick in Häuser ein und machte mit geklauten Autos Spritztouren, was ihn den Namen Nick MacCarThief einbrachte. Der andere Nette der Band: Bob the bassplayer, hat einen Fanclub, der eine Petition mit dem Titel Bob for God lanciert hat. Es fehlen noch 200 Unterschriften, dann wird der Verein als Religion anerkannt.


Nick McCarthy, der ewig herumalbernde Interviewpartner anno 2005 und Gitarrist der Band.

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