Beim Zürcher Konzert im September 2008 gab Michael Stipe ein Versprechen ab: Barack Obama wird der nächste Präsident der USA sein. Stipe hat sein Versprechen gehalten. Vier Jahre nachdem R.E.M. und Bruce Springsteen an vorderster Front für John Kerry und gegen George W. Bush erfolglos mobil gemacht hatten, wurde Obama gewählt. Die Lähmung der Bushjahre scheint vorüber zu sein, denn R.E.M. kollabieren äusserst süffig ins heute und tun dabei, was sie am besten können: R.E.M. sein.

Verdächtig ist, dass die gesamte Musikpresse das Album als das beste seit einem Jahrzehnt lobt, denn dann wäre man beim wundervollen «Up» von 1998 angelangt, das damals zwiespältig aufgenommen worden war, aber – wie auch schon die beiden Vorgänger «Monster» und «New Adventures In Hifi» – gut gealtert ist. Doch was taugt «Collapse Into Now», ins Heute, in dem die nordafrikanischen Staaten mit dem Arabischen Frühling gerade in die Moderne kollabieren? Bieten R.E.M. den Soundtrack dazu?

Nein, denn das Album bietet alles, was ein R.E.M.-Album braucht, es hat den typischen Band-Sound. Michael Stipe würde wohl nun im Interview sagen, er wisse nicht, was der typische R.E.M. Sound sei. Darum erklären wir es an dieser Stelle: «Discoverer» und «All The Best» schlagen die Brücke zum Vorgänger «Accelerate», der Opener «Discoverer» ist das erste von zwei Duetten mit Patti Smith. «It Happened Today» gehört zu den besseren Songtexten von Michael Stipe: «After all I’ve done today, I have earned my voice. It happened today, hooray»; musikalisch verortet mit der Mandoline auf «Out Of Time». «Every Day Is Yours To Win» wird die Teenies abholen, «ÜBerlin» verfügt über Stadionhymnenpotenzial – gingen denn R.E.M. in diesem Jahr auf Tour gehen, hätte denn Michael Stipe Lust dazu.

Bassist Mike Mills bei der Arbeit, auf einer akustitschen Gitarre.

Mit der hymnischen Single «Oh My Heart» schaltet die Band nochmals einen Gang höher. Es ist die Liebeserklärung an New Orleans nach dem Untergang beim Hurricane Katrina. «It happened Today», mit Eddie Vedder als Gastmusiker, wird die Jugend mit dem Mitsing-Refrain «Hip hip hooray, it happened today», abholen. Während das geniale «Blue» das Duett von Michael Stipe und Pattie Smith die düstere industrielle Kälte von «E Bow The Letter» und «Leave» auf «New Adventures» evoziert.

«Collapse Into Now» ist musikalisch auf allen Alben seit «Green» zu verorten. Dadurch wird das Album süffig und gefällt bereits beim ersten Hördurchgang. Wie nachhaltig das Rezept «von allem etwas, aber nicht zu viel» ist, wird sich weisen. Auf jeden Fall macht «Collapse Into Now» Lust, die alten Alben auch wieder zu hören.



Gitarrist Peter Buck und Sänger Michael Stipe. – Fotos: remhq.com.

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