Pausengespräche
25. Juni 2011
Mit «Hoover Jam» zogen Züri West 1996 ohne Rücksicht auf Verluste ihr Ding durch und enttäuschten erfolgreich die Erwartungen der Popnation Schweiz.
 


Mit «The Fly» von U2 und «Bitte Baby» von Züri West konnte ich vor zwanzig Jahren bei der Pausenhofdiskussion um den besten Song bloss eine penetrante Duftmarke setzten, aber gegen «Enter Sandman» von Metallica und «Thunderstruck» von AC/DC konnte ich nicht anstinken. Ein Jahr später war bei den Kollegen an der Mittelschule «Come As You Are» von Nirvana das Mass der Dinge. Dann kam 1993, Techno wurde das Ding, alle anderen wollten Patent Ochsners «Fischer» von mir – irgendjemand klaute mir gar das Tape. Doch meine Stunde sollte 1994 kommen. Zuhause wartete ich ungeduldig vor der Stereoanlage, um die neue Züri West Single «Prinz» bei DRS 3 aufzunehmen. Die lauten Gitarren enttäuschten mich, mit Kunos Sprechgesang konnte ich nichts anfangen. Doch François Mürner oder Dänu Bömle hatte die Grandezza, auch die B-Seite zu spielen. Es war der Radiomoment meines Lebens. Zwei Wochen später stand die ganze Schule und kurz darauf der Rest der Deutschschweiz auf Kuno. Doch den Erfolg konnte ich nicht geniessen, die erfolglos angebetete Nadja, die ein Jahr zuvor Patent Ochsner cooler gefunden hatte, fuhr nun voll auf «I schänke dr mis Härz» ab. Ohne meines zu wollen.

Erfolgreichste Schweizer Kehrseite
«Je Ne Regrette Rien» von Edith Piaf war die B-Seite von «Mylord», «Come Together» von den Beatles die von «Something», «Härz» von Züri West war die B-Seite von «Prinz». Der Song traf den Nerv der Deutschschweizer, innerhalb Monatsfrist verkauften Züri West 50 000 Alben. Die Rezensionen der Presse versuchten noch immer den Lesern zu erklären, was Mundartrock ist. Vergebliche Liebesmüh, mit Gotthard, Stephan Eicher, Züri West, Patent Ochsner, D.J Bobo und Sens Unik war 1994 das einheimische Musikschaffen beim Volk angekommen. Ende Jahr hatten Züri West 155 000 Exemplare von «Züriwest» verkauft und Stephan Eicher und Krokus überflügelt.

Zwar hatte das Album mit den neueingespielten «Hanspeter»-Songs Schwächen, der Rest reifte aber gut. Der Post-Grunge Song «Toucher» gilt weithin als bester Mundart-Rocksong. Wie war das nochmals mit dem «Härz», Kuno? «Wir haben diesem Song extrem viel zu verdanken. An den Festivals werden Schweizer Bands selten gross geschrieben. Als wir das Härz veröffentlicht hatten, standen wir ganz klein an den Festivals. Danach, als wir nicht mehr so viel verkauft haben, hatten wir durch das Härz einen Stellenwert erlangt, so dass die Gagen besser wurden.» Schätzungen aus den Medien gingen von 240 000 Franken pro Bandmitglied für das Jahr 1994 aus. «Wir leben von der Musik. Selbstverständlich nicht wie Krösus. Aber eine Platte und eine Tour reichen für zwei Jahre», erklärte mir Kuno 2008.

Züri West liegt in Philadelphia
War das «Härz» ein Hindernis für Züri West? «Ja, es ist eine Hypothek. Ich habe überhaupt nie versucht einen Wiederholungssong zu schreiben. Obwohl man sich das bei «Hoover Jam» hätte überlegen müssen. Wir hätten vielleicht etwas machen müssen, das etwas gemässigter war.», sinniert Kuno Lauener. Das sperrige «Hoover Jam» nahm die Band im kalten Winter von Philadelphia auf. Produzent war Stiff Johnson. Es ist das letzte reine Rockalbum von Züri West. Es enthält keinen Hit, vielmehr verstört «Ritigampfi» mit seinem pädophilen Text. «Dieser Song ist für mich die Verarbeitung des Filmes «Es geschah am helllichten Tag» mit Gert Fröbe. Der Song wurde falsch gedeutet. Ich spielte den Typen wie Fröbe im Film. Als Songschreiber singst du ihn, und dann stehen so junge Leute vorne am Konzert – das belastete mich schon», so Kuno. «Hoover Jam» verkaufte noch die Hälfte des gelben Albums. «Aber wir sind uns selbst geblieben», resümiert Kuno. Züri West setzten ihren Weg fort, änderten über die Jahre ihr Line Up und hatten 2008 mit «Haubi Songs» ein Album am Start, das an den Erfolg von «Züriwest» anknüpfen konnte.

Immerhin gab mir «Hoover Jam»mit der Zeile «Zile um Zile/geng vo obe übers Blatt abe/immer nöi Wörte/aber geng die gliche Buechstabe» das Motto für meinen schreibenden Beruf. Mit meinem Cousin, der Züri West in den 80er-Jahren in der Berner Reithalle erlebt hatte, kann ich nicht mithalten. Dennoch erstaunt es mich, wenn sich jemand darüber wundert, dass Züri West schon vor dem «Härz» erfolgreich Musik gemacht haben. In solchen Momenten halte ich mich an meinen Schulfreund Martin: «Als du mit Züri West gegen Metallica und AC/DC angetreten bist, fanden wir das lustig, nachdem du an ein Konzert gegangen bist, wussten wir, dass es ernst ist. Nach dem Härz gingen wir selber hin. Und jedes Mal wenn du wieder Kuno Lauener interviewst, wird uns bewusst, dass Züri West und Patent Ochsner der Soundtrack unserer Jugend waren.»

kuno lauener 96

Kuno Lauener in den 90er-Jahren. Foto: Archiv Baer.


zueriwest prinz

Züri West «Prinz» 1994
Prinz
I Schänke Dr Mis Härz

zueriwest herz remix

Züri West «Remixed» by Just One (Sens Unik) 1994
I Schänke Dr Mis Härz (Remix)
Blues (Remix)
I schänke Dr Mis Härz (Instrumental)
Blues (Instrumental)

Links: Züri West

 

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