Es war vor zwanzig Jahren, wohl an einem Samstag, im Zürcher Plattenladen Rock On, der Autor fragte Ruedi Fehlmann, was er empfehlen könne. Beim Reinhören in «Elephant» war es Liebe auf den Ton, ähnlich begeistern sollte ein Jahr später noch das Debutalbum von Franz Ferdinand. Es war der Beginn der bisher letzten grossen Zeit der Rockmusik. Retrorock wurde das Genre genannt, die Musik der 70er-Jahre zwischen Bluesrock und Punk zeitgenössisch interpretiert und modern produziert.
Nicht so bei «Elephant» von den White Stripes: hier war auch die Aufnahmetechnik retro. Sämtliche Aufnahmegeräte im Londoner Toe Rag Studio waren älter als 1963. Jack White, der das Album selbst produzierte, benutze weder beim Songwriting, den Aufnahmen noch der Produktion einen Computer. Denn, so White, diese würden die Kreativität zerstören. Die Aufnahmen dauerten zwei Wochen und kosteten 5000 Pfund, also rund 9000 Fr.
Anfang der 2000er-Jahre gingen die goldenen Zeiten der Musikbranche zu Ende. Der Boom, den die CD Ende der 1980er-Jahre ausgelöst hatte, flachte ab, die Schallplatte war, zumindest in unseren Breitengraden, seit den 90er-Jahren kaum mehr erhältlich, Downloads waren meistens illegal, der iTunes-Store und der iPod steckten in den Kinderschuhen, Spotify musste noch erfunden werden. Doch Jack White dachte noch in Vinyl. «Elephant» erschien neben der CD auf Schallplatte (als Doppelalbum). Die Promotionsexemplare gab es allesamt nur auf Vinyl.
Welthit statt Bondsong
Jack White schrieb das Riff zu «Seven Nation Army» im Januar 2002 während der Australientour der White Stripes in einem Hotelzimmer im Corner Hotel in Melbourne. Er spielte das Riff Ben Swank, einem Angestellten von «Third Man Records», dem Label der Band, vor. Swan fand bloss, dass Jack White es besser könne. Third Man Records war auch vom fertigen Song nicht begeistert und wollte «There’s No Home For You Here», als Single veröffentlichen. Letztlich setzte sich Jack White durch, der Rest ist Geschichte.

Mitte der 2000er-Jahre wurden die Promos durch das Music Promotion Network ersetzt.
«Seven Nation Army» beginnt mit einem Sieben-Noten-Riff, das wie auf einem Bass gespielt klingt, die Gitarre wurde mit einem Digi-Tech-Whammy-Pedal verfremdet. Das Riff hat Ähnlichkeiten mit dem Thema aus Anton Bruckners 5. Symphonie. Ob sich Jack White davon inspirieren liess, ist nicht bekannt, er schrieb das Riff für einen potenziellen James-Bond-Song. Da er wusste, wie unwahrscheinlich es zu diesem Zeitpunkt war, einen solchen zu schreiben, verwendete er das Riff für «Seven Nation Army». Der stampfende Beat des Riffs weckt tatsächlich Assoziationen einer marschierenden Armee. Der Titel bezieht sich aber nicht auf den Afghanistan-Feldzug der US-Armee und den drohenden Irak-Krieg, als Kind hatte Jack White statt Salvation Army (Heilsarmee) Seven Nation Army verstanden.
Erbe
Elephant» ist rauer und rumpliger als sein Vorgängeralbum «White Blood Cells». Die Melodien sind aber nicht weniger eingängig. Die Genres reichen vom 12-Takt Blues «Ball And Biscuit» über den AC/DC-inspirierten Hardrock-Song bis zum Dusty Sprigfield/Burt Bacharach Cover von «I Just Don’t Know What To Do With Myself». Hier sang Meg White zum ersten Mal die Leadstimme. Trotz der museumreifen Technik, mit der Jack White das Album aufnahm, klingt «Elephant» weder veraltet noch Retro. Obwohl die Songs Klassik-Rock sind, verfügen sie über genug Druck und Lautstärke, so dass sie moderner und besser klingen als viele der Inspiration spendenden Alben aus den 70er-Jahren.
«White Blood Cells» konnte sich neben dem angelsächsischen Raum in Skandinavien und Frankreich in den Hitparaden platzieren. Viele ziehen es bis heute gegenüber «Elephant» vor. Mit diesem Album erreichten die White Stripes in 17 Ländern die Top 40, in der Schweiz Platz 29. Spätestens an der Fussball Europameisterschaft 2008, die in der Schweiz und Österreich ausgetragen wurde, war «Seven Nation Army» zur Sporthymne geworden. Donald Trump brauchte den Song gegen den Willen der Band während seines Wahlkampfes 2016. Mit «Another Way To Die», dem Duett mit Alicia Keys, konnte Jack White 2008 den Bondsong für «Ein Quantum Trost» schreiben. Ein letzter Gedanke: Seit 2011 gilt Rock als tot, die Spatzen beginnen es nun aber von den Dächern zu pfeifen, dass ein Revival der Rockmusik ansteht, so verkauft Fender zurzeit so viele Gitarren wie schon lange nicht mehr.

Meg und Jack White.
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Tracklist:
Seven Nation Army
Black Math
There's No Home For You Here
I Just Don't Know What To Do With Myself
In The Cold Cold Night
I Want To Be The Boy
You've Got Her In Your Pocket
Ball And Biscuits
Hardest Button To Button
Little Acorns
Hynotise
Air Near My Fingers
Girl You Have No Faith In Medicine
It's True That We Love One Another

Erschien am 7. Juli in der Ausgabe 6/2023.
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