Seit 1984, als das sich das Live-Doppelalbum «Alchemy» auf Rang 3 der schweizerischen Hitparade platzieren konnte – die Schweiz führte die Albumcharts erst 1982 ein – hatte Mark Knopfler sowohl mit den Dire Straits als auch als Solokünstler ein Abo für die helvetischen Top 5 gelöst, einzig «Shangri-La» (2005) blieb im Basislager auf Platz 7 stecken. «Brothers In Arms» (1985), «Money For Nothing» (die Best-of von 1988), «On Every Street» (1991), «Sailing To Philadelphia» (2000), «All The Roadrunning» mit Emmylou Harris (2006) und «Down The Road Wherever» (2018), hatten die Spitze erklommen. Als im April «One Deep River» erschien, erneuerte er sein Abo, das Album stieg auf Nummer 1 ein.
Bei seinem Hallenstadionkonzert im Mai 2019 liess Mark Knopfler durchblicken, dass er aus Altersgründen (damals bald 70-jährig), Abschied nimmt. Ob er nochmals ein Album veröffentlichen würde, war fraglich. Doch er tat es – wann immer es ihm erlaubt war, ging er während der Corona-Lockdowns in sein eigenes Studio und empfing mehr oder weniger Mitglieder seiner Band. Die Sessions waren von Freude geprägt, das hört man den Songs an. Die meiste Zeit auf sich gestellt, entwickelte er die Songs allein. Die Stärken sind Mark Knopflers Storytelling und die Arrangements.

Mark Knopfler inmitten seiner Gitarrensammlung, die er Anfang Jahr bei Christie's versteigern liess.
Foto: markknopfler.com
Die Band spielte 30 Songs ein, insgesamt erschienen, verteilt über verschiedene Medien 25. 21 auf dem Album «One Deep River» mit den Special Editions auf CD und LP mit verschiedenen Bonustracks, und auf den Record Store Day die EP «The Boy» mit vier weiteren Songs, die mittlerweile, im Gegensatz zu den Bonustracks, im Streaming erhältlich ist.
Weshalb welcher Song auf welchem Format landete, ist musikalisch nicht immer ersichtlich. Thematisch befasst sich die EP mit dem Leben auf den Rummelplätzen und dem Glückspiel Ende der 1950er- und 60er- Jahre. Auf dem Album sind die Themen gemischter, von Aufbruch und Abschied («One Deep River»), über das Liebeslied («Janine») zur Nacherzählung eines brutalen Mordes («Tunnel 13») vor 100 Jahren. In «This One’s Not Going To End Well» reflektiert Knopfler das Erstarken der politisch extremen Rechten.
Manchmal sprechsingt Knopfler nicht nur, sondern versucht sich gar als Sänger, etwas, was er 1979 auf «Comuniqué» ein letztes Mal probiert hat. Und er bringt es fertig, Melodien zu komponieren, die er mit seinem Stimmumfang gar nicht singen kann.
So verwunderlich es ist, dass Mark Knopfler mal ein Rockstar war, so logisch erscheint es, dass er seine Rolle gefunden hat: als Barde, der musikalische Geschichten erzählt. Das ist ihm dieses Mal sehr gut gelungen.

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Tracklist
Two Pairs of Hands
Ahead of the Game
Smart Money
Scavengers Yard
Black Tie Jobs
Tunnel 13
Janine
Watch Me Gone
Sweeter Than the Rain
Before My Train Comes
This One's Not Going to End
Well
One Deep River
Bonus Tracks
Deluxe 2 CD-Set
The Living End
Fat Chance Dupree
Along A Foreign Coast
What I'm Gonna Need
Nothing But Rain
Bonus Tracks
Deluxe 2 LP-Set
Dolly Shop Man
Your Leading Man
Wrong’un
Chess

EP The Boy
Tracklist:
Mr Soloman's Said
The Boy
All Comers
Bad Day For A Knife Thrower

Erschien am 5. Juli in der Ausgabe 6/2024.
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