beliebtes Importalbum in England
26. Februar 1970
Von allen US-Alben dürfte die Kompilation «Hey Jude» weltweit das populärste sein. Lange Zeit vergriffen, ist das Album seit 2014 auf CD uerhältlich und ist zumindest in den digitalen Formaten von Apple verfügbar.
Bewertung: * * * * *


Links zu folgenden Kapiteln:
der neue Vertrag mit Capitol Records
die Songs
die Veröffentlichung
Rezeption und Wirkung


«Hey Jude» ist ein Sampler, der von Capitol Records im Februar 1970 ausserhalb von Grossbritannien veröffentlicht wurde. Im Unterschied zu den früheren US-Alben, die 1964 im Monatsrhythmus auf den US-Markt geworfen wurden, um die Nachfrage nach Musik der Beatles zu stillen, entstand «Hey Jude» auf Anstoss des neuen Beatles-Manager Allen B. Klein, der auch die Rolling Stones unter Vertrag hatte. «Hey Jude» ist das erste Album, das nach dem neuen Vertrag, den Klein mit Capitol ausgehandelt hatte, veröffentlicht wurde. Paradoxerweise zerbrachen die Beatles, weil sie sich uneinig waren über das Engagement von Allen Klein, über die Veröffentlichung von «Hey Jude» aber waren sie sich – fast zum letzten Mal – einig. Und das kam so:

der neue Vertrag mit Captiol Records
Im Mai 1969 unterzeichneten John Lennon, George Harrison und Ringo Starr mit Allen Klein einen Vertrag, dass er der neue Manager der Beatles sein würde. Paul McCartney wollte sich stattdessen von Lee Eastman vertreten lassen. Eastman war der Vater von Pauls Frau Linda, die er am 15. Mai 1969 geheiratet hatte. Ohne diese familiären Bindungen wären die anderen drei möglicherweise bereit gewesen, sich von Eastman managen zu lassen, nun befürchteten sie, dass die Beatles zu einem McCartney’schen Familienbetrieb wurden. Weshalb die Band den Rest des Jahres vergebens über ein neues Management verhandelte, man arrangierte sich irgendwie und Klein nahm die Geschäfte der Beatles in die Hand.

Er erneuerte 1969 in den USA den Vertrag mit Capitol Records. Kleins Plan sah vor, das Einkommen der Band (und auch seines notabene), durch die Veröffentlichung neuer Alben zu maximieren. Pro verkaufter Platte sollten die Beatles anstatt 17,5% nun 25% erhalten, was $ 0.69 pro Album entsprachen. Da sich das nächste Album, «Let It Be», ursprünglich «Get Back», weiterhin verzögerte, eine erste Veröffentlichung war bereits Mitte 1969 geplant gewesen, überzeugte Klein die Beatles, ein Kompilationsalbum zu veröffentlichen. So könnten sie ohne eigenen Zusatzaufwand ihr Einkommen verbessern. Die Beatles stimmten zu, denn sie steckten finanziell in der Klemme, ihre Firma Apple Records war das reinste Chaos.

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George Harrison, John Lennon, Ringo Starr und Paul McCartney (vlnr) am 22. August 1969, dem letzten gemeinsamen Fotoshooting der Beatles im Garten von John Lennons Anwesen in Tittenhurst Park.


Zudem hatten die Beatles Ende 1969, Anfang 1970 bereits aufgehört zu existieren – dies aber aus Rücksicht auf den neuen Vertrag mit Capitol – noch nicht öffentlich gemacht. Es sollte Paul sein, der im April 1970 mit der Veröffentlichung seines Soloalbums «McCartney» das Ende der Beatles besiegelte.

die Songs
Allen Klein beauftragte seinen Mitarbeiter Allan Steckler, ein Album zusammenzustellen. Dieser entschied sich für Songs, die in den USA nur auf Singles erschienen sind, zu verwenden. Zudem liess Streckler das Mastertape nicht von Capitol, sondern von Sam Feldman in den Bell Sound Studios herstellen. So umfasst das Album «Hey Jude» Songs aus dem Zeitraum von 1964 bis 1969, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben, so fehlen u.a. die Single «Get Back» oder die B-Seiten «I’m Down» (von «Help!») oder «The Inner Light» (von «Lady Madonna»).

Seite 1:
Can’t Buy Me Love
Der Song wurde 1964 von Paul McCartney in Paris verfasst und war die erste Single der Beatles, die nur von einem Sänger gesungen wurde. In den USA erschien «Can’t Buy Me Love» sowohl auf dem Filmsoundtrack-Album von «A Hard Day’s Night», das von United Artists veröffentlicht wurde, als auch als Single, die sich in der ersten Woche über zwei Millionen Mal verkaufte und bereits am Veröffentlichungstag mit einer goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde. In England wurde «Can’t Buy Me Love» sowohl als Single als auch auf dem Studio-Album «A Hard Day’s Night», veröffentlicht, das neben den Songs aus dem Film noch weitere neue Songs von John Lennon und Paul McCartney enthielt.

I Should Have Known Better
Der Song stammt von John Lennon und wurde durch Bob Dylan beeinflusst. «I Should Have Known Better» wurde im Film «A Hard Day’s Night» verwendet und war sowohl auf dem europäischen Studio-Album als auch dem amerikanischen Soundtrack-Album von United Artist zu finden. «I Should Have Known Better» war die B-Seite der amerikanischen Single «A Hard Day’s Night», war in einigen Ländern, wie der BRD oder Norwegen aber auch eine eigene Single.

Paperback Writer
Paul McCartneys Song von 1966 über einen hoffnungsvollen Schriftsteller erschien 1966 auf beiden Seiten des Atlantiks als einzige Non-Album Single des Jahres. Prägend für «Paperback Writer» sind der Hintergrundgesang von John Lennon und George Harrison, die das Kinderlied «Frère Jacques» singen und vor allem Paul McCartneys Bass-Spiel. «Paperback Writer» wurde für dieses Album zum ersten Mal in Stereo abgemischt.

Rain
Hauptsächlich von John Lennon verfasst, war «Rain» die B-Seite von «Paperback Writer». «Rain» war der erste Song, bei dem die Beatles rückwärts eingespielte Elemente verwendeten und damit die Psychedelik begründeten. «Rain» wurde zum ersten Mal für diese Veröffentlichung in Stereo abgemischt.

Lady Madonna
Die Single «Lady Madonna» erschien im März 1968, bevor die Beatles nach Indien reisten. Paul McCartney wurde durch ein Bild von einer malaiisch-polynesischen Mutter, die ihr Kind stillt, in einer Ausgabe von National Geographic, inspiriert. «Lady Madonna» war die letzte Veröffentlichung bei Parlophone bzw. Capitol, fortan sollten die Beatles auf ihrem eigenen Label, Apple, veröffentlichen. George Martin mischte «Lady Madonna» für dieses Album am 2. Dezember 1969 in Stereo ab.

Revolution
Schneller und härter als «Revolution 1» das drei Monate später auf dem «Weissen Album» (1968) erscheinen sollte. Mit den wütenden Gitarren und Nicky Hopkins Klavier passte die Single-Version bestens in die aufgeheizte Stimmung des Sommers 1968. Zu John Lennons Enttäuschung wurde «Revolution» «nur» B-Seite der Single «Hey Jude». «Revolution» erschien hier zum ersten Mal auf einem Album und war der letzte Song, der von George Martin am 5. Dezember 1969 speziell für dieses Album in Stereo neu abgemischt wurde.

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Ein Bild mit Symbolcharakter, gesehen während dem Fotoshooting am 22. August 1969: Paul McCartney mit seiner schwangeren Frau Linda zeigt die Richtung, John Lennon und seine Frau Yoko Ono schauen kritisch.


Seite 2:
Hey Jude
Einer der drei erratischen Blöcke in Paul McCartneys Songkatalog. «Hey Jude» ist die erste Single, die die Beatles auf ihrem Label Apple veröffentlichten. Paul schrieb den Song als Trost für John Lennons Sohn Julian, der unter der Scheidung seiner Eltern litt. Bis zur Veröffentlichung von «1967 – 1970» 1973 war das Album «Hey Jude» die einzige Möglichkeit, den Song in Stereo zu kaufen, der Mix stammte von George Martin, der ihn am 5. Dezember 1969 angefertigt hatte.

Old Brown Shoe
Dies ist die B-Seite der Single «The Ballad Of John And Yoko» und wurde von George Harrison geschrieben. Die endgültige Version von «Old Brown Show» wurde in den frühen Sessions für das Album «Abbey Road» im April 1969 aufgenommen. Die Bass-Linie gehört zu den besten, die Paul McCartney eingespielt hat und ist ebenso prägend wie jene von «Paperback Writer».

Don’t Let Me Down
Eingespielt wurde «Don’t Let Me Down» im Januar 1969 während den «Get Back»-Sessions, woraus schliesslich das Album «Let It Be» werden sollte. Das Klavier spielt Billy Preston, John Lennon liefert eine seiner besten Gesangsleistungen. Es ist ein Liebeslied von John an Yoko Ono. «Don’t Let Me Down» wurde im April 1969 als B-Seite der Single «Get Back» veröffentlicht.

The Ballad Of John And Yoko
Die zweite Beatles-Single von 1969, eingespielt nur von John Lennon und Paul McCartney. John Lennon erzählt als Journalist über seine Hochzeit und die Bed-Ins. Da sich zur Zeit der Veröffentlichung Spanien unter der Diktatur von Franco mit Grossbritannien um den Status von Gibraltar stritt und John Lennon «Gibraltar near Spain» singt, war die Single «The Ballad Of John And Yoko» in Spanien verboten, weshalb auf den spanischen Pressungen von «Hey Jude» auf «The Ballad Of John And Yoko» verzichtet wurde.

die Veröffentlichung
Ursprünglich sollte das Album unter dem Titel «The Beatles Again» erscheinen, kurz vor Veröffentlichung wurde der Name auf «Hey Jude» abgeändert, weil der Song neun Wochen an der Spitze der US-Charts stand und in England, USA, Kanada die meistverkaufte Single von 1968 war. Mit acht Millionen verkauften Exemplaren ist «Hey Jude» die erfolgreichste Single der Beatles. Erste Pressungen des Albums waren aber unter dem ursprünglichen Titel hergestellt worden

Obwohl für den US-Markt konzipiert, erschien «Hey Jude» in vielen weiteren Ländern, wie in Australien, der BRD, Frankreich, Griechenland, Japan, Kanada, Neuseeland, Spanien oder der Schweiz, nicht aber in Grossbritannien, wo das Album zwar populär war, aber importiert werden musste. Aufgrund der stetigen Nachfrage entschied sich EMI, bzw. Parlophone, «Hey Jude» im Mai 1979 auch in England zu veröffentlichen.

«Hey Jude» verlor im Laufe der 1970er-Jahre jedoch an Relevanz, Allen Klein stellte 1973 vor Ablauf seines Vertrages mit Lennon, Harrison und Starr die beiden Alben «1962 – 1966» und «1967 – 1970» zusammen und liess diese veröffentlichen. Bis auf «I Should Have Known Better» und «Rain» wurden auf diesen beiden Alben alle Songs von «Hey Jude» verwendet.

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Die Farbversion des Fotos, das auf dem Cover von «Hey Jude» in der Lunette der Eingangstüre von John Lennons Anwesen in Tittenhurst Park montiert wurde. Paul McCartney, Ringo Starr, John Lennon und George Harrison (vlnr).


Mit der Lancierung der CD wurde der Beatles-Katalog 1987 vereinheitlicht und gestrafft. «Hey Jude» ereilte zunächst dasselbe Schicksal wie die meisten Sampleralben, die Parlophone und Capitol in den 1960er- und 1970er-Jahren veröffentlicht hatten, sie wurden aus dem Beatles-Katalog gestrichen, der sich bis auf «Magical Mystery Tour» an den englischen Originalalben orientiert und folglich auch nicht auf CD wieder veröffentlicht. Da die Beatles damals noch nicht bereit waren «1962 – 1966» und «1967 – 1970» in den Katalog aufzunehmen, wurde 1988 das Album «Past Masters» veröffentlicht, dass sämtliche Non-Album-Tracks der Beatles vereint. Spätestens damit wurde «Hey Jude» trotz seiner Qualität überflüssig.

Immerhin nahm «Hey Jude» den Weg anderer US-Veröffentlichungen und wurde 2014 zum 50-Jahr-Jubiläum des ersten Auftritts der Beatles in den USA digital remastered in der Box «The U.S. Albums» erstmals auf CD und digital für iTunes wiederveröffentlicht. Heutzutage gehören die US-Alben nicht zum offiziellen Katalog, sondern haben den ähnlichen Rang wie die Apokryphen in der Bibel.

Für das Cover wurden Fotos von Ethan Russel und Monte Fresco verwendet. Die Fotos entstanden beim letzten gemeinsamen Fotoshooting am 22. August 1969 im Garten von John Lennons Tittenhurst Park Anwesen. Die Beatles posierten zwei Tage nach der letzen gemeinsamen Musikaufnahme vor der Türe, in der Lünette darüber sieht man ein schwarzweisses Foto der Band im Garten, worauf sich die Beatles in anderer Reihenfolge aufgestellt haben. Ein netter Gruss an das Cover von «Ummagumma» von Pink Floyd von 1969.

Apple Chef Neil Aspinall erzählte 2007, dass ursprünglich die Fotos umgekehrt gedacht waren, und die Rückseite das Cover hätte sein sollen. Klein hatte es verwechselt, der erste Entwurf zeigt dies auch. Klein hat aber das aussagekräftigere Foto als Cover genommen, weshalb sich kaum jemand darüber geärgert haben wird.

Bei der Musikkassette und den 8 Track Kassetten wurden die A und B Seite des Albums geändert, weil die zweite Seite die längere war, und es marktüblich war, dass die erste Seite einer Kassette länger dauerte als die zweite.

Rezeption und Statistik
Steve Thomas Erlewine bezeichnet auf allmusic.com «Hey Jude» als Dokumentationsstelle für Singles, die nie auf einem Album erschienen sind. Dennoch schreibt er: «Grossartige Songs und passen gut zueinander». Anerkennt aber auch, dass spätestens mit dem Erscheinen von «Past Masters» die Lebensdauer des Albums vorbei war.

«Hey Jude» erreichte in Australien die Chartspitze und in Kanada und den USA den 2. Platz der Billboard Charts. Finnland notierte den 13. Platz. Bis Ende 1970 verkaufte sich das Album in den USA 2 321 796-mal, bis Ende der 1970er-Jahre 3 264 398-mal. In den USA wurde «Hey Jude» mit 3x Platin ausgezeichnet, in Kanada gar vierfach. Die Wiederveröffentlichung auf CD konnte sich 2014 in den USA auf Rang 72 platzieren.

In der Schweiz konnte sich das Album 1970 nicht in den Charts platzieren, da es die Albumhitparade noch nicht gab, 2014 erreichte «Hey Jude» innerhalb des Boxsets «The U.S. Albums» den 99. Platz.

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Das Foto, das auf der Rückseite von «Hey Jude» verwendet wurde, Ringo Starr, Paul McCartney, John Lennon und George Harrison (vlnr).


Tracklist:
Can’t Buy Me Love
I Should Have Known Better
Paperback Writer
Rain
Lady Madonna
Revolution

Hey Jude
Old Brown Shoe
Don't Let Me Down
The Ballad Of John And Yoko

 

 



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