von Liverpool nach New Orleans und zurück

27. Mai 1975
Mehrheitlich in New Orleans eingespielt, überzeugt «Venus And Mars» mit seiner musikalischen Vielfalt. Mit dem Album konnte Paul McCartney sich und die Wings fünf Jahre nach dem Ende der Beatles als Künstler etablieren.
Bewertung: * * * * * 1/2


Links zu den Kapiteln:
Ringen um die richtige Bandbesetzung
Nashville und New Orleans
die Geister des alten Ägyptens
Paradigmenwechsel bei den Singles
die Archive Collection Wiederveröffentlichung
Rezeption und Statistik


Mit «Venus And Mars» hat Paul der Versuchung wiederstanden, das überaus erfolgreiche, beatleseque Vorgängeralbum «Band On The Run» zu kopieren. Zwischen der Veröffentlichung von «Band On The Run» Ende 1973 und «Venus And Mars» im Frühsommer 1975 lagen für die damalige Zeit lange anderthalb Jahre. Der Nachfolger «Wings At The Speed Of Sound» sollte bereits nach zehn Monaten folgen. Dennoch mussten die McCartneyfans 1974 nicht auf neue Musik verzichten. Aus «Band On The Run» wurden drei Singles ausgekoppelt, teils mit Non-Album-Tracks auf den B-Seiten. Im Herbst 1974 folgten die in Nashville eingespielte Single «Junior's Farm» und die unter dem Nom de Plume The Country Hams veröffentlichte Single «Walking In The Park With Eloise».

Ringen um die richtige Bandbesetzung
Die relativ lange Pause zwischen «Band On The Run» und «Venus And Mars» mag ihre Ursache auch in der Suche nach der richtigen Bandbesetzung haben. Im August 1973, sprichwörtlich am Abend vor dem Abflug nach Lagos, wo «Band On The Run» eingespielt werden sollte, haben Schlagzeuger Denny Seiwell und Gitarrist Henry McCullough die Wings verlasse. Henry McCoullough wollte mehr als bloss nach Pauls Vorgaben die Songs einspielen. Denny Seiwell verdiente schlussendlich als Sessionmusiker in New York mehr als bei bei den Wings, obwohl McCartney einen guten Lohn bezahlt hatte, der den Salären von mittleren englischen Kadern entsprochen hat. Und so spielten Paul und Linda McCartney mit dem Multiinstrumentalisten Denny Laine das Album als Trio ein.

wings juniors farm venus and mars mccartney britton karate
Paul albert während den Aufnahmen zur Dokumentation «One Hand Clapping» mit seinem Karate verrückten Schlagzeuger Geoff Britton herum. «One Hand Clapping» wurde 2010 im Rahmen des Re-Issue von «Band On The Run» in der Archive Collection erstmals veröffentlicht.


So ging Paul 1974 ohne konkrete Albumpläne an, da er neue Musiker suchten und die Band zu einer Einheit formen wollte. Zunächst wurde mit Geoff Britton ein neuer Schlagzeuger gefunden. Obwohl er nur ein halbes Jahr in der Band verweilen sollte, ist er auf den Songs «Love In Song», «Letting Go» und «Medicine Jar» auf «Venus And Mars» zu hören. Britton hatte neben der Musik Karate als zweite grosse Leidenschaft. Mit der Musik verdiente er sich das Geld für den Karatesport. Allerdings stimmte die Chemie noch nicht in der Band, mit Geoff Britton kam es immer wieder zu Friktionen, vor allem auch zwischen ihm und dem 21 jährigen, neuen Gitarristen Jimmy McCulloch. Ein Biograf schrieb, dass Geoff Britton Paul immer an den Hintern getatscht hatte.

Der ambitionierte Jungspund Jimmy McCulloch hingegen hatte mit seinem Engagement bei den Wings das grosse Los gezogen. Er war 15-jährig, als er von Pete Townshend von The Who entdeckt worden war. Über Thunderclap Newman, The Stone Crows und John Mayalls Bluesbreakers kam er zu den Wings. Mit seinem direkten, harten Gitarrenspiel auf der Gibson SG drückte Jimmy Mitte der 70er-Jahre den Wings einen prägenden Stempel auf.

Leider sollte Jimmy McCulloch sein Ehrgeiz im Weg stehen und er erlag den Versuchungen der Drogen. In den drei Jahren bei den Wings fühlte er sich, wohl auch zurecht, von Paul bemuttert, vor allem während der «Wings Over The World Tour» schaute Paul darauf, dass die Band nicht zuviel von den omnipräsenten Drogen nahm. Obwohl Paul ihn als Songwriter förderte, glaubte Jimmy zu früh, sich selbständig zu machen. 1977 verliess er die Wings, 1979 wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Doch als er im Sommer 1974 bei den Wings einstieg, wussten nur Venus und Mars von seinem Schicksal.

Nashville und New Orleans
Im Juni und Juli 1974 flogen die neuformierten Wings nach Nashville. Während sieben Wochen residierten auf Curly Putman Jrs Farm, was Paul zum Song «Junior's Farm» inspirierte. Die Farm war 133 Acres gross und lag in der Nähe von Lebanon. Putman hat den amerikanischen Standard «Green Grass Of Home» geschrieben. Der Newsletter von Pauls Fanclub berichtete über die Zeit in Nashville: «Die meiste Zeit über übten die Wings und jammten mit lokalen Grössen, darunter Chet Atkins, Pianist Floyd Cramer, Banjo Spieler Bobby Thompson und die Cate Sisters.»

Paul und Linda schlossen mit Chet und Leona Atkins Freundschaft. Eines Abends sprachen Paul und Chet über ihre Väter: Paul erwähnte einen Song, den sein Vater James komponiert hatte: «Walking in the Park with Eloise». Sie vereinbarten eine gemeinsame Session in den von den Wings gebuchten Sound Shop Studios, zu der Chet Atkins Floyd Cramer mitbrachte. Gemeinsam spielte man das schmissige «Walking in the Park with Eloise» und Pauls Komposition «Bridge Over The River Suite» ein. Die Single wurde noch 1974 unter dem Pseudonym The Country Hams – die Landschinken, mit Vegetarier McCartney – veröffentlicht.

Der Rest der Freundschaft zwischen den McCartneys und Atkins lässt sich in der Country Hall Of Fame in Nashville bestaunen. Neben Fotos sind auch Weihnachtskarten und Briefe ausgestellt. Im Herbst 1974 schrieb Linda einen mehrseitigen Brief, worin sie sich für die Gastfreundschaft bedankt und erzählt, dass sich die Band zu Aufnahmen für das nächste, noch unbetitelte Album in London eingefunden hat. Das Studio war die Abbey Road, wo die Wings zuletzt im Frühling 1973 das Album «Red Rose Speedway» eingespielt hatten.


Paul und Linda wohnen als Clowns verkleidet am 11. Februar 1975 dem Mardi Gras Umzug in New Orleans bei.


In Nashville fasste Paul den Entschluss, ein weiteres Album, den Nachfolger von «Band On The Run» einzuspielen. Bei den von Linda erwähnten Aufnahmen in den Abbey Road Studios wurde neben «Love In Song», «Letting Go» und Jimmy McCullochs «Medicine Jar» das bis 2010 unveröffentlichte TV-Special «One Hand Clapping» eingespielt. Dieses zeigt die Wings im Studio alte und neue Songs einspielen.

Anfang Januar 1975 flog die Band nach New Orleans. Mit dabei war noch Geoff Britton. Doch er hatte Probleme in seiner Ehe, seine Frau drohte ihm mit Scheidung, wenn er nicht zurückkehren würde, weshalb er nach kurzer Zeit nach England zurückflog. McCartney musste unvermittelt einen neuen Schlagzeuger engagieren. Tony Dorsey, der Leiter der Bläsersektion der Wings, schlug Joe English vor, der aus derselben Gegend in Georgia stammte wie er. Als Geoff Britton nach einer Woche zurückkehrte, teilte man ihm mit, dass er bei den Wings entlassen worden war. Joe Englisch hingegen bildete mit Jimmy McCulloch den Kern der besten Besetzung der Wings, Wings Mark V, die bis 1977 Bestand haben sollte. Joe English verliess damals die Band nicht, weil er sich von Paul in seiner Entwicklung eingeschränkt gefühlt hatte, sondern weil er in England Heimweh nach den Staaten hatte und lieber Konzerte geben wollte als dauernd im Studio zu arbeiten. Seit 1980 hat Joe English die Joe English Band, die in der Contemporary Christian Music Scene erfolge hat, trotz aller Frömmigkeit gibt er bis heute bei ihren Konzerten von den Wings zum besten.

Die McCartneys wohnten 1975 dem Karneval von New Orleans bei, den Paul bereits zwei Jahre zuvor im Soundtrack zum James Bond Film «Live And Let Die» vertont hatte. Es muss einer der Höhepunkte im Leben Pauls gewesen sein. Ein Bild von Denny Laine und Paul und Linda McCartney, die mit Zylindern am Mardi Gras teilnehmen, war «Venus And Mars» als Poster beigelegt worden. 2001 erzählt Paul in der Dokumentation «Wingspan» über die Verkleidung als Clowns: «Wir fanden es eine gute Idee, uns als Clowns zu verkleiden. So würde uns niemand erkennen. Doch dann grüsste uns jedermann mit hi Paul, hi Linda».

Der Wechsel von Geoff Britton zu Joe English während den Aufnahmen in den Sea Saint Studios in New Orleans ist auf der 2014 erschienenen Wiederveröffentlichung von «Venus And Mars» im Rahmen der Archive Collection hörbar. Im bis dato unveröffentlichten «Going Down To New Orleans», einer frühen Version von «My Carnival» ist Geoff Britton am Schlagzeug hören. Bei der definitiven Version des Songs, die erst 1985 auf einer Single-B-Seite veröffentlicht wurde, spielt Joe English. Wie im Sommer 1974 in Nashville, wurden die Wings auch im Winter1975 in New Orleans von bekannten regionalen Musikern besucht. Auf «Rockshow» spielt Allen Toussaint Klavier und die Congas. Im 21. Jahrhundert nahmen Elvis Costello und Eric Clapton mit Allen Toussaint Alben auf..

die Geister des alten Ägyptens
«‹Venus And Mars› handelt von einem imaginären Freund, der eine Freundin hat, die sich mit Astrologie beschäftigt. Diese Art von Leuten, die dich zuerst nach deinem Sternzeichen fragt, bevor sie hallo sagt», erzählt Paul über den Titelsong. «Es heisst a good friend of mine studies the stars, was zweideutig ist, denn dieser gute Freund könnte auch ein Groupie sein.» Da nach «Venus And Mars» «Rockshow» folgte, deuteten viele den Song als verkappte Ankündigung Pauls, mit den Wings auf Tour zu gehen. Was die Wings im Herbst 1975 dann auch taten. «Ich wusste nicht, dass Venus und Mars die römischen Götter des Krieges und der Liebe sind, und ich hatte beim Schreiben auch nicht das Bild von Botticelli im Kopf», erläutert Paul weiter.

mccarntey wings mccullogh mixing venus and mars 1975 linda
Paul mit Zigarette, Jimmy McCulloch und Linda McCartney, beim Abmischen von Venus And Mars, 1975.


«Venus And Mars» eröffnet jeweils eine Seite des ursprünglichen Vinyl-Albums. Als Album Opener beginnt der Song zunächst mit einer akkustischen Gitarre. Es ist ein Folksong, bei dem immer eine Instrumentalsschicht mehr darübergelegt wird, bis dass die elektrische Gitarre eine Brücke von D-Dur nach A-Dur legt und als Tutti die Band mit «Rockshow» einsetzt. In der Reprise von «Venus And Mars» öffnet Paul das Feld für weitere Inspirationsquellen: «Ich habe eine Menge Science Fiction gelesen, beispielsweise ‹Foundation› von (Isaac) Asimov. Ich mag den Spielraum, die Vision daran, weil du alles schreiben kannst.» Sinnigerweise hatte Paul den Songteil «Venus And Mars Reprise» als erstes geschrieben.

1974 waren McCartney und Asimov auch zusammengetroffen. Sie besprachen die Idee eines Videos, doch die verlief im Sand. Paul verfolgte den Science Fiction Gedanken weiter und besprach sich 1976 mit Gene Roddenbury, dem Vater von Star Trek. Sie entwarfen ein Science Fiction Musical, in welchem die Wings auftreten sollten. Doch nach einer Presseankündigung von Ende 1976 versandete auch dieses Projekt.

Auf «Love In Song», bei dem Paul und Linda als Autoren angegeben sind, spielte Paul Bill Blacks Kontrabass, der diesen bei der Aufnahme von Elvis Presleys «Heartbreak Hotel» gespielt hatte. Es ist eine akkustische Ballade, die in Pauls Katalog mit Meisterwerken wie «I Will», «Blackbird» oder «Calico Skies» einen schweren Stand hat. Neben Elvis' Bass sind die Marvel Comics weitere amerikanische Kulturgüter, die Paul zu neuen Songs inspirierten. «Als wir in Jamaica in den Ferien waren, gingen wir jeden Samstag in den Supermarkt, weil dort eine neue Lieferung mit Comics ankam. Ich habe keine Comics mehr gelesen seit ich 11-jährig war. Ich glaubte, dass ich aus dem Alter raus wäre», erklärt Paul den Hintergrund von «Magneto And Titanium Man». Während den Konzerten auf der Tour wurden während des Songs die entsprechenden Marvel-Figuren projiziert.

Das swingende «You Gave Me The Answer» ist sowohl auf dem Album wie während der Tour, dokumentiert auf «Wings Over America», eine willkommene Gelegenheit für die Bläsersektion der Wings, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Die Bläser der Wings wurden von Tony Dorsey geleitet und von Howie Casey, Steve Howard und Thaddeus Richard ergänzt. Beim Schreiben hatte Paul die Vorstellung von Krawatten und Pferdeschwänzen vor Augen. Es war seine Erinnerung an Fred Astaire und «Singing In The Rain». Der zweite nostalgische Ausflug in die Gefilde von Frank Sinatra und Tony Bennet ist «Call Me Back Again». Paul schrieb den Song 1974 in Los Angeles, als er dort John Lennon während dessen Lost Weekend besuchte und die beiden Köpfe der Beatles zum letzten Mal zusammen Musik machten. Das Bläserarrangement arbeitete Paul mit Tony Dorsey aus, eingespielt wurde es in New Orleans.
weihnachtskarte mccarntey 1975 wings chet atkins walking in the park with eloise country hamsWeihnachtskarte der Familie McCartney an Chet und Leona Atkins, die in der Country Hall of Fame ausgestellt ist.


Bei «Spirits Of Ancient Egypt» hat Denny Laine die Leadvocals. Der Song scheint für ihn massgeschneidert zu sein. Paul setzt erst beim Refrain ein: «Spirits of ancient Egypt / shadows of ancient Rome / Spirits of ancient Egypt hung on the telephone». Der Text wird von den wohlwollenden Kritikern als psychodelisch bezeichnet. Er passt sicher in die bekifften Zeiten von damals. Er gilt auch als Muster dafür, dass Paul mehr an der Musik als an den Texten interessiert ist, und auch Worte ihres Klanges wegen einsetzt. In Bezug auf «Spirits Of Ancient Egypt» hingegen sieht er das völlig anders: «Kürzlich las ich ein Buch über Ägypten und etwas davon ist auf das neue Album eingegangen. Es stellte sich heraus, dass ein Mass, beinahe exakt wie ein Inch, bei der Konstruktion der Pyramiden verwendet wurde.» Danach lässt sich Paul über die offenbar von der heutigen EU verordneten Umstellung auf das metrische und Zehnersystem aus.

Das Album klingt mit dem Medley «Treat Her Gently - Lonely Old People» aus, ehe das Thema der englischen TV-Serie «Crossroads» den Schlusspunkt bildet. «Crossroads» ist nicht identisch mit dem Song von Robert Johnson, der zum Markenzeichen von Eric Clapton wurde. Obwohl «Treat Her Gently» und «Lonely Old People» zwei Songs sind, entstanden sie in derselben Session. «Die beiden Songs kamen einfach zugleich», erzählt Paul.

Paradigmenwechsel bei den Singles
In den 60er-Jahren waren die Singles das prägende Format. Deshalb wurden viele der grössten Hits der Beatles, wie «She Loves You», «All You Need Is Love», «Lady Madonna» oder «Hey Jude» ursprünglich gar nicht auf einem Album veröffentlicht. Das Album diente als Sammlung für die Singles mit Füllmaterial. Es waren die Beatles, die von 1965 an mit «Rubber Soul» den Paradigmenwechsel einleiteten und das Album zur Kunstform erhoben. In den 70er-Jahren wurden vermehrt nur noch Singles aus den Alben ausgekoppelt. Bei den Beatles war dies erstmals bei «Abbey Road» (1969) der Fall, McCartney folgte diesem Trend bei «Venus And Mars» und «Wings At The Speed Of Sound». Heute werden kaum noch Singles ohne dazugehöriges Album veröffentlicht.

mccartney wings venus and mars poster new orleans mardi gras 1975Noch einmal New Orleans: Denny (verdeckt), Linda und Paul mit Zylindern. Dieses Foto von Sylvia de Swaan lag der Erstveröffentlichung als Poster bei.


Dieser Umstand mag erklären, dass «Venus And Mars» als Album ein Millionenseller wurde, die Singles aber keine Chartrenner. Obwohl die Beatles bereits in den 60er-Jahren Videoclips drehten, und Paul dies auch während den 70er-Jahren tat (MTV ging erst 1982 auf Sendung), wurde erst zur dritten Single, dem Medley «Venus And Mars/Rockshow», ein Video gedreht, das zum Song die Wings auf der Bühne während ihrer Welttour zeigt. Allerdings fehlt das Video auf der DVD der Archive Collection Wiederveröffentlichung.

Als erste Single wurde «Listen To What The Man Said» ausgekoppelt. Der Song wurde in New Orleans eingespielt, doch Paul war nicht zufrieden damit. Für das Solo, das Paul vorschwebte, suchten sie einen überragenden Saxofonisten. Jemand schlug Tom Scott vor, der in Los Angeles lebte. Paul rief ihn an und Scott schaute im Studio vorbei. «Seine ersten paar Noten, die der Toningeniuer zufällig mitschnitt, behielten wir bei. Er versuchte noch einige Aufnahmen, aber sie waren einfach nicht so gut wie beim ersten Mal». erzählt Paul. Wer mit the man gemeint ist, lässt Paul offen. Hinweise, dass Gott damit gemeint ist, gibt es genug. Aber wie bei «The Man» auf «Pipes Of Peace» oder «Hosanna» auf «New», bezieht McCartney öffentlich nicht eindeutig Stellung zu Gott, da er Fans aus verschiedenen Kulturen hat.

Die zweite Single war «Letting Go», ein Blues, der durchaus auch als Hardrocksong, wie ihn die Wings live spielten, interpretiert werden konnte. Die gängige Meinung ist, dass Paul hier seine Ehe mit Linda thematisiert, die für ihn ihre Karriere als Fotografin aufgab, als sie seiner Band beitrat, und nun mehr Freiraum in ihrer Beziehung benötigte. Ganz abzuweisen ist diese Interpretation nicht, denn Paul erzählt die Geschichte von jemand, der zum Star wird, wenn man ihn loslassen kann. Während «Listen To What The Man Said» 1987 auf «All The Best!» und 2001 «auf Wingspan – Hits and History» verwendet wurde, hat «Letting Go» sein Potenzial bis heute nicht ausgeschöpft. Als Single eierte er in den Charts herum, und Paul spielte ihn nach der Wings Welttour lediglich 2010 während der «Up And Coming Tour».

Beide Singles waren im Liveprogram während der Welttour der Wings 19785/1976. Bei beiden wurden Album Tracks als B-Seiten verwendet, «Love In Song» bei «Listen To What The Man Said», «You Gave Me The Answer» bei «Letting Go». Für die Single wurde «Letting Go» um eine Minute gekürzt. Die dritte Single, «Venus And Mars / Rockshow» wurde von über sechs Minuten auf drei Minuten gekürzt. Das mag ein Grund sein, dass die Singles nicht wirklich erfolgreich gewesen sind. Als B-Seite von «Venus And Mars» wurde «Magneto And Titanium Man» verwendet.

die Archive Collection Wiederveröffentlichung
Die dümmeren Exemplare unter den Kritikerkollegen bemängeln an «Venus And Mars» die musikalische Vielfalt McCartneys, die von Blues, über Hard Rock und 50er-Jahre Rock'n'Roll zu akkustischen Balladen reicht. Als wäre sich Paul dieser Kritiken bewusst gewesen, hatte er in den 70er-Jahren die Veröffentlichungen entweder gestaffelt, unter einem Pseudonym veröffentlicht oder sie erblickten erst 2014, rund vier Jahrzehnte nach den Aufnahmen, offiziell das Licht der Welt.

Die erste CD der Deluxe Version enthält das digital restaurierte Originalalbum. Die Bonus CD ist eine Schatztruhe, finden sich auf ihr nicht nur «Junior's Farm» und die Singleversionen von «Letting Go» und «Venus And Mars / Rockshow», sondern auch «Walking In The Park With Eloise», das 1987 bei der ersten Veröffentlichung auf CD als Bonustrack von «Wings At The Speed Of Sound» veröffentlicht wurde.

Die B-Seiten sind eine Fundgrube, von «Sally G.», der munteren Countrynummer von «Junior's Farm», über «Zoo Gang» und «Lunch Box / Odd Sox». «Zoo Gang» war das von den Wings eingespielte Thema der gleichnamigen TV-Serie, es war 1974 die B-Seite der Single «Band On The Run». «Lunch Box / Odd Sox», erblickte erst 1980 als zweiter Song auf der B-Seite von «Coming Up» das Licht der Welt. Es ist ein instrumentales Klavierstück, das vom synkopisierten Rhythmus lebt. «My Carnival» wurde 1985 als B-Seite von «Spies Like Us» veröffentlicht.

mccartney 1975 wings venus and mars mojave
Clive Arrowsmith fotografierte die Wings in der Mojave Wüste. Fotos aus der Session wurden für das Titelbild der Single «Listen To What The Man Said» und das Innencover von «Venus And Mars» verwendet. Hier posiert Paul auf einem bisher unveröffentlichten Foto.

Mit «Soily», auch wenn es die Version aus «One Hand Clapping» ist, ist nun erstmals eine Studioversion des Songs, der das Livealbum «Wings Over America» beschliesst, erhältlich. «Soily» gehörte 1972 zum Liveprogramm der Wings und war damals der Reduktion von «Red Rose Speedway» von einem Doppelalbum zu einem normalem Album zum Opfer gefallen. «Soily» ist einer der härteren Rocksongs in Pauls Katalog. Ebenfalls von «One Hand Clapping» ist das beschwingte «Babyface». Der aus den «RAM»-Sessions übrig gebliebene Dixon Van Winkle Mix von «Hey Diddle» wurde von Ernie Winfrey mit zusätzlichen Country-Fiedeln ergänzt. Doch Paul war mit dem Song noch immer nicht zufrieden und er blieb unveröffentlicht.

«Let's Love» hatte Paul 1974 für Peggy Lee geschrieben. In «One Hand Clapping» erzählt er, dass er ihre Musik aus seiner Kindheit kannte. Als er hörte, dass sie nach London käme, hat er sie zum Nachtessen eingeladen. Doch statt eines teuren Dinners spendierte er ihr diesen Song. In der Archive Collection ist erstmals die Version von den Wings veröffentlicht. In guter Qualität, denn der Song kursierte bereits auf mehreren Bootlegs. Mit «4th of July» hat Paul einen unveröffentlichten Song aus seinem Archiv geholt, was auch für den Song «Going Down To New Orleans», einer frühen Version von «My Carnival», gilt.

Auf der DVD finden sich zwei Dokumentationen, «Making of My Carnival» und «Bon Voyageur», die sich mit dem New Orleans Aufenthalt der Wings beschäftigen. «Wings At Elstree» ist eine Dokumentation über die Proben der Band zur anstehenden Tour. Der TV Spot für das Album, den Paul schon vor der Wiederveröffentlichung auf You Tube gestellt hat, zeigt die Wings beim Billardspiel.

Leider ist die physische Veröffentlichung nicht ganz komplett: die Remixversion von «My Carnival», der ebenfalls 1985 als B-Seite der Remixsingle von «Spies Like Us» erschien fehlt. Bei der digitalen Erstveröffentlichung im iTunes-Store 2007 war der Party Mix von «My Carnival» als Bonustrack dem Album hinzugefügt worden. Auf den physischen Formaten fehlen aber auch die gratis Downloads von paulmccartney.com (einfach E-Mail-Adresse eingeben und das Captcha richtig ausfüllen und schon hat man den Song gratis). Es ist möglich, dass der Remix von «My Carnival» erst aus den 80er-Jahren stammt, aber die Downloads wären zwingend für die physischen Ausgaben des Albums gewesen, vor allem, wenn man bedenkt, dass beim Re-Issue von «McCartney II» 2011 die ungekürzten Songversionen auf einer dritten CD veröffentlicht wurden.

mccartney wings perth venus and mars over australia
Mit einem erfolgreichen Album haben die Wings gut lachen: Denny Laine, Paul und Linda McCartney und Jimmy McCullogh im Herbst 1975 in Perth.


Die nur via Download erhältliche Extended Version von «Letting Go» zeigt die Wings in bester Bluesmanier jammend. Der Song ist über weite Teile identisch mit der Albumversion, ausser dass die Bläser fehlen. «Love My Baby» ist Paul, der sich am Klavier begleitet, es ist das Demo eines bis anhin unveröffentlichten Songs. Die Aufnahme stammt aus dem Abspann von «One Hand Clapping». Die dritte Version von «Rock Show», die sogenannte New Version, schliesst Brücke von der «Old Version» auf der Bonus Disc zur Albumversion, auch wenn sie sich noch mehr an Glamrock denn an der harten Stadionrockversion von «Wings Over America» orientiert. Bereits vorhanden ist eine frühe Fassung der swingenden Coda der Album-Version.

Im Rahmen der Promotionsaktivitäten zur Wiederveröffentlichung wurde «Call Me Back Again» als Single für den amerikanischen Record Store Day Ende November 2014 als neue Single ausgewählt. Von den Beatles wurde für den gleichen Anlass «Long Tall Sally» verwendet. Bereits am 23. September 2014 erschien bei iTunes eine Gratissingle mit dem Namen «4», die vier Solosongs der Beatles verwendete. Von Paul wurde «Call Me Back Again» verwendet.

Rezeption und Statistik
mccartney wings venus and mars 1975 charts international
Für eine grössere Auflösung auf die Illustration klicken. – Bild: Yves Baer, VzfB


Anderthalb Millionen Vorbestellungen lagen vor, «Venus And Mars» verkaufte sich 10 Millionen Mal. Das Album war weltweit ein Chartstürmer. Die Spitze erreichte es in England, den USA, Kanada, Frankreich, Spanien, Neuseeland und Norwegen. In Australien und Schweden erreichte es Platz 2. Den 5. Platz in Holland, der 6. Rang aus den Schweizer Musikmarktcharts und der 9. aus Japan sind die weiteren Topten Rangierungen, die «Venus And Mars» in der BRD und in Italien mit Rang 11 nur knapp verpasste.

«Listen To What The Man Said» eroberte in den USA die Chartspitze und erhielt für eine Million verkaufter Exemplare Gold, in England verpasste sie mit dem 6. Platz die Top 5 knapp. In Norwegen kam sie auf Platz 3, in Neuseeland auf Rang 7. In Holland kletterte sie auf Rang 18 und in der BRD auf Platz 42. «Letting Go» konnte sich nur in den USA und England in den mittleren Regionen klassieren, Platz 39 in den USA und 41 in England. «Venus And Mars/Rockshow» hingegen kam in den USA auf Rang 12, während sie sich in England nicht platzieren konnte. In der Schweiz konnte sich keine der drei Singleauskoppelungen in der Hitparade platzieren.

Die Wiederveröffentlichung innerhalb der Archive Collection stiess auf grosses Interesse und erreichte in den Billboard Charts die Nummer 1 bei den Classic Rock Alben. Und die ausschliesslich über paulmccartney.com erhältliche Single «Rockshow (New Version)» wurde an ihrem Veröffentlichungstag 2014 über 27 000 Mal gratis heruntergeladen.

Links zu den mit dem Album korrelierenden Aufnahmen
Juniors Farm, Nashville, Single von 1974
Walking In The Park With Eloise mit Chet Atkins, Single 1975
One Hand Clapping, TV-Doku, erstmals veröffentlicht 2010

mccartney wings venus and mars juniors farm nashville
Linda McCartney fotografierte ihren Ehemann. Im Buch «Wingspan» von 2001 steht als Bildlegende: eine coole Katze, die 1974 durch Nashville kreuzt. 1994 widmete das Fun Club Magazin «Club Sandwich» die Titelgeschichte der Nashville Cat.




Tracklist Originalalbum
Venus And Mars
Rockshow
Love In Song
You Gave Me The Answer
Magneto and Titanium Man
Letting Go

Venus And Mars Reprise
Spirits Of Ancient Egypt
Medicine Jar
Listen To What The Man Said
Treat Her Gently – Lonely Old People
Crossroads

Bonus Track
CD-Release 1987 und
McCartney Collection
Remaster 1993:



Zoo Gang
Lunch Box/Odd Sox
My Carnival


Bonus Tracks
iTunes Release 2007:

Zoo Gang
Lunch Box/Odd Sox
My Carnival
My Carnival (Party Mix)


Archive Collection,
Remaster 2014
:



CD1: Original-Album

CD 2: Bonus Audio
Junior’s Farm
Sally G.
Walking In The Park With Eloise
Bridge Over The River Suite
My Carnival
Going Down To New Orleans (My Carnival)
Hey Diddle (Ernie Winfrey Mix)
Let’s Love
Soily (from One Hand Clapping)
Baby Face (from One Hand Clapping)
Lunch Box / Odd Sox
4th Of July
Rock Show (Old Version)
Letting Go (Single Edit)



Bonus DVD, Archive Collection, 2014
Recording My Carnival
Bon Voyageur
Wings At Elstree
Venus And Mars TV Ad

gratis Downloads, 2014
paulmccartney.com



Letting Go (Extended Version)


Love My Baby (from One Hand Clapping)


Rock Show (New Version)


Bonustracks CDs 1987/1993
Zoo Gang
Lunch Box / Odd Sox
My Carnival


iTunes Bonustracks 2007
Zoo Gang
Lunch Box / Odd Sox
My Carnival
My Carnival 12" Party Mix

Singles 1975
Listen To What The Man Said



Listen To What The Man Said
Love In Song

Letting Go

Letting Go
You Gave Me The Answer

Venus And Mars / Rock Show

Venus And Mars
Rock Show
Magneto And Titanium Man

alternative Covers

Letting Go aus Deutschland.


Venus And Mars / Rockshow, ebenfalls aus Deutschland (oben) mit dem Hinweis, dass die Single ein Hit in den USA ist, bei der zweiten Single (unten) findet sich derselbe Hinweis mit England.


Deluxe Version Archive Collection, 2014

 

Promotionen 1975mccartney wings venus and mars promo poster

Promoposter für Plattenläden aus den USA (oben), das für die grossen Tonbandspulen wirbt. Unten ein ganzseitiges Inserat aus dem amerikanischen Billboard Magazine im Juni 1975.

wings mccartney venus and mars 1975 billboard ad

wings mccartney venus and mars single billboard ad 1975

Inserat aus dem amerikanischen Billboard Magazine für die Single Venus And Mars / Rock Show aus dem Herbst 1975.

linda mccartney venus and mars jupe live 1975

Linda McCartney während der Wings Over Australia Tour im Herbst 1975. Sie trägt einen Venus And Mars Rock.

Promotionen 2014
cover itunes beatles mccartney four john paul george ringo

Tracklist:
Love
Call Me Back Again
Let It Down
Walk With You

Die gratis iTunes-Single Four (oben) und die für den amerikanischen Record Store Day aufgelegte Spezial-Edition von «Call Me Back Again».




«Walking In The Park With Eloise
»Wings At The Speed Of Sound



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