die Landung


Die wissenschaftlichen Daten jahrzehntelanger Forschung belegten das Gegenteil von dem, was nun die Sonden und Kundschafter von ihren Erkundungsflügen und Landungen auf dem Planeten Xunandu berichteten. Ratlos betrachtete Admiral Zorg das animierte Bild eines Amurtigers, das ihm einst sein Vater von einer wissenschaftlichen Expedition mitgebracht hatte. Diese hatte bestätigt, dass Xunandu nicht nur ein Exoplanet in der habitablen Zone seines Sonnensystems war, sondern dass es auf ihm Leben gab – intelligentes Leben. Während Admiral Xandrian Zorg nachdenklich den Amurtiger bei dessen Streifzug durch karge Steppen betrachtete, erinnerte er sich an weitere Bilder, die ihm sein Vater damals mitgebracht hatte: weisse Palmenstrände, endlose Wälder, Sanddünen in Wüsten, ewiger Schnee auf Gebirgsketten, Eisberge in den Polarregionen des Planeten oder der nächtliche Blick durch das xunandische Sternenpanorama vom Landeplatz seines Vaters aus in Richtung Heimat. Er dachte an die eindrücklich bunten Bilder von durch das Wetter verursachten Stimmungen und an Sonnenuntergänge von übernatürlicher Schönheit, aber auch an die Habitate der Bewohner mit spektakulärer Architektur. Aufnahmen xunandischem Tuns wie beispielsweise Tausende von Bewohnern in einer Art Schüssel, die 22 andere Bewohner anfeuerten, die über eine gewisse Zeitspanne einem weissen Ball nacheilten, den sie bis auf zwei Ausnahmen nur mit den Füssen traten… Xandrian Zorg dachte an all die technischen Errungenschaften der Xunandrier wie Autos, Schiffe, Flugzeuge, deren Design ihn bereits als Kind fasziniert haben: Ein teleportierter Bewohner hatte sie seinem Vater gegenüber benannt: Citroën DS, ein John-Deree-Mähdrescher, römische Galeeren, britische Dreimaster, der TGV, Flugzeugträger, die Concorde, der Jumbo Jet, die DC 3 und der urtümlichen Blériot XI, aber auch das Space Shuttle und die Ariane Rakete. Vor allem faszinierte ihn die Kleidung der Bewohner und deren Frisuren, die gestreiften Felle von Tigern und Zebras, die gepunkteten von Dalmatinern und Leoparden, besonders aber hatte es ihm langes Frauenhaar angetan, und über den Sinn und Zweck menschlichem Achsel- und Schamhaares konnte Xandrian Zorg Nächte lang diskutieren… Seit sein Vater ihm und seiner Schwester Xian zum ersten Mal Bilder von seiner Expedition gezeigt hatte, träumten sie davon, auf Xunandu zu landen und sich mit den Bewohnern auszutauschen. Sie wählten in der Folge eine Laufbahn in der insterstellaren Fliegerei. Sie konnten sich nichts Befruchtenders als einen interplanetatischen Austausch zweier Zivilisationen vorstellen.

Xandrian Zorg betrachtete nachdenklich das auf dem Sideboard stehende Modell der xunandischen Raumsonde, die vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert von einer Forschungsmission in den kalten, dunklen Tiefen des Sternenraumes eingefangen worden war. Dies war der erste Kontakt zwischen den beiden Zivilisationen gewesen. «Aggregator, xunandische Musik», dachte er. Umgehend erklang das «2. Brandenburgische Konzert» von Johann Sebastian Bach, das die Bewohner auf einer goldenen Scheibe auf dieser Raumsonde angebracht hatten. Einmal mehr staunte Admiral Zorg über die Harmonien und Klänge: Was für eine wunderbare Zivilisation musste das sein, die solch ein inspirierndes Werk schuf und dieses in einem wahnsinnigen Anfall von Übermut in die Tiefen des Sternenraums sandte? Was ausser purer Schönheit wollte diese Zivilisation mit den Welten hier draussen teilen und ignorierte dabei all die Gefahren? Er schnippte mit den Fingern, augenblicklich erklang eine Aufnahme von Georg Friedrich Händels «Hallelujah» und nach erneutem Fingerschnippen jenes aus Wolfgang Amadeus Mozarts «Exsultate Jubilate». Nach jahrelanger Forschungsarbeit war es den Technikern gelungen, die xunandischen Artefakte, die sein Vater während seiner Mission eingesammelt hatte, zu entschlüsseln, zum Leben zu erwecken und wo nötig noch durch teleportierte Bewohner zu benennen und klassifizieren zu lassen.

Vor Xandrian Zorgs innerem Auge lief eine schwarzweisse Filmaufnahme eines Bewohners namens Elvis Presley ab und imitierte dessen Hüftschwung. Schmunzelnd erinnerte er sich daran, wie er unter seinen Kollegen der Fliegerakademie mit seinem interplanetarischen Hüftschwung der coolste gewesen war, Rekalda jedoch, seine erste Freundin, davon unbeeindruckt blieb und ihn fortan als interstellaren Idioten behandelte. Er schnippte erneut mit den Fingern und der Aggregator spielte «Across the Universe» von den Beatles. Xandrian Zorg sang mit der Musik «Nothing’s gonna change my world» und erinnerte sich an die Bilder kopulierender Paare, menschlich oder tierisch, und an Aufnahmen von charismatischen Sprechern, die von Gott und der Schöpfung predigten. Dachte er an den blauen Planeten mit den sich stets fortpflanzenden Paaren vor dem Fenster seines Raumschiffes und an die Worte der Sprecher von dort, kamen ihm jeweils immer auch die verstörenden Bilder in den Sinn, die verstümmelte Wesen zeigten, zerstörte Landschaften und Bewohner, denen nichts besseres einfiel, als sich gegenseitig zu töten, sei es durch Jagd, furchterregendes Feuer oder unsichtbare Stoffe. Noch immer konnte die Wissenschaft dieses bizarre Verhalten der Bewohner nicht erklären. War das ein abartiger religiöser Kult? Oder ein Fehler in der Programmierung des biochemischen Systems der Bewohner, der schlussendlich zu dem verwüsteten Planeten führte, den seine Expedition vorgefunden hat? Während Admiral Zorg fingerschnippend mit Bildern von der Tour de France, Sumo Ringern, Schweizer Jodlern, in Lack und Leder gekleideten Heavy Metal Bands und animalisch gestikuliernden Rappern in Jugenderinnerungen schwelgte, verspürte er einen pochenden elektrischen Impuls im linken Oberarm. Die Gomi, sein persönlicher Transporter, hatte an seinem Raumschiff angedockt, um ihn in Kürze aufs Mutterschiff zu bringen, wo sich die Anführer der Operation Xunandu 2 zu einer Lagebesprechung einfanden.

Im Eikonum des Mutterschiffs herrschte Aufregung. Ein paar xunandische Gegenstände waren aufgereiht. Sämtliche Flottenadmirale standen um die Tische und betrachteten diese. Es dauerte einen Moment, bis Admiral Zorg die Fundstücke betrachten konnte. Darunter waren kristalline Steine, verschiedene Münzen, bunte Nespresso Kapseln, einige Schreibutensilien, ein rosaroter Büstenhalter, eine Flat-Eric-Puppe, einige tierische Schädel, ein Poster welches das Raumschiff seines Vaters in der Mojavewüste zeigte, ein Schachspiel, ein halbes Legomännchen und ein iPhone. Letzteres sorgte bei den Admiralen für Heiterkeit und spöttische Bemerkungen über die rückständige Technik auf Xunandu. Mit Schrecken beobachte Xandrian Zorg, wie Admiral Grados auf der anderen Seite der Tische einen Revolver in die Hand nahm. Im Gegensatz zu seinem Kameraden wusste er, worum es sich handelte. Doch sollte er etwas sagen? Wie oft war er schon für sein Wissen um die xunandische Kultur gehänselt worden. Nicht nur von Rekalda, auch von seinen Dienstkameraden. Zudem sah es ganz harmlos aus, was Admiral Grados mit dem Revolver machte. Er nahm diesen ehrfürchtig in die eine seiner feingliedrigen Hände und fuhr mit der anderen vorsichtig darüber, er drehte den Revolver, hielt sich den Lauf ans Auge und starrte ins Dunkel der Mündung hinein. Danach lachte er. Ein paar umstehende Admirale stimmten ins Gelächter ein. Nicht gut, doch ungefährlich, und so schwieg Xandrian Zorg, anstatt sich einmal mehr dem Spott seiner Kameraden auszusetzen. Zumal er, wie die anderen Admirale auch, einen weiteren pochenden Impuls im linken Oberarm verspürte, der signalisierte, dass die letzten Sonden von Xunandu abgelegt haben und zum Mutterschiff zurückkehrten. Während Admiral Zorg sich noch fragte, was die letzten Kundschafter noch eingesammelt hätten und ob diese Funde Aufschluss über die Ereignisse auf dem Planeten geben würden, knallte es schrecklich und ein furchterregender Schrei erklang. Im Eikonum herrschte kollektives Erschrecken.

Nach einem gefühlt ewigen Moment der Stille und des Durchatmens vernahm man auf einmal aufgeregte Stimmen und hysterische Telepathie, die sich zu vermehren schienen. Als letztes hörte man Admiral Grados markerschütternden Schrei, ehe er allen telepathierte, dass er nicht verstehe, was eben geschehen war. Admiral Zorg drehte sich zu ihm um. Eine Gruppe weiterer Admirale stand um den unglücklichen, die einen gestikulierten wild, die anderen wandten sich schockiert ab. Admiral Grados war mittlerweile bleich wie das Licht eines neugeborenen Sterns geworden. Noch immer hielt er den Revolver in der Hand, zu seinem Füssen lag Admiral Özgij, in seiner Stirn klafte ein Loch, woraus dunkelgrünes Blut und gräuliche Hirnmasse auf den Boden floss. Admiral Zorg verstand sofort, was geschehen war. «Er ist tot», telepathierte er sachlich. «Tot?», fragte Oberadmiral Weibian. «Wie ist das möglich?» «In dem sich aus dem Artefakt, es ist ein Revolver, ein Schuss löste, der den unglücklichen Admiral Özgij zwischen die Augen traf», antwortete Admiral Zorg und ergänzte: «Die zweibeinigen Bewohner auf Xunandu, die diese wunderbare Musik auf die goldene Scheibe gepresst haben, sind zugleich wahre Meister im sich gegenseitig töten.» «Damit verstossen sie gegen die göttliche Ordnung, dass die am weitest entwickelte Spezies die schwächeren zu schützen hat», entgegnete Subadmiral Kafok erregt, er schien innerlich über den unerhörten Vorfall zu kochen. «Noch nie hat einer… Noch nie hat einer von uns einen anderen getötet…», entgegnete Oberadmiral Weibian. Mit jedem Wort wurde seine Stimme leiser und unsicherer. «Bis jetzt», konstatierte Admiral Xandrian Zorg. Bestürzung breitete sich im Eikonum aus.

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Im Herbst 2016 entdeckten Forscher der Universität Genf den 19. Planeten im Sternsystem Gliese 832, das sechzehn Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Dem irdisch-astronomischen Katalog folgend, wurde im Frühjahr 2017 der neuentdeckte Exoplanet mit dem Namen Gliese 832s als 3595 Exoplanet erfasst und aufgrund der Auswertung der verschiedenen Strahlungsspektren aus seiner Region als 353 erdähnlicher Planet klassifiziert. Nach weiteren fünf Jahren Beobachtung durch globale Teams waren sich im Sommer 2022 die Astronomen sicher, dass auf Gliese 832s Leben möglich wäre. Durch die relative geringe Entfernung ermutigt, startete die NASA 2045 die von globalen, institutionellen und privaten Philantropen finanzierte Expedition Discovery, um zu erforschen, ob es auf diesem Exoplaneten Leben gäbe. Die von Discovery übermittelten Daten belegten nach ihrer Auswertung, dass es auf Gliese 832s tatsächlich Leben gab – intelligentes Leben.

Wer nun geglaubt hatte, dass durch die Bestätigung, dass die Menschheit nicht alleine im Universum war, das Gerüst der Religionen zusammenbrechen würde, sah sich getäuscht. Sowohl die Menschen mit einem biologisch-wissenschaftlichen Weltbild als auch die Frommen, sahen sich in ihren Weltanschauungen bestätigt. Statistiker stellten lediglich fest, dass sich die alttestamentarischen Psalmen, worin von den Himmeln in Mehrzahl die Rede war, einer steigenden Beliebtheit erfreuten. Wenige Jahre nach dieser grundlegenden Entdeckung, Anfang des 22. Jahrhunderts, wurden weltweit Ufos gesichtet und die Berichte über Entführungen durch Aliens nahmen zu. Diese neuerlichen Meldungen liessen sich nicht mehr so einfach wie im 20. Jahrhundert als Hirngespinnst abtun. Schliesslich waren die Lichter über New York, Paris, Dubai, Peking, aber auch Ougadugu, Sydney und Zürich zu sehen. Verschiedentlich gab es Meldungen über Sichtungen ausserirdischer Besucher. Doch diese konnten, im Gegensatz zu den für jedermann sichtbaren Erscheinungen am Himmel, nicht bestätigt werden. Das Foto eines Raumschiffes der Besucher, das in der nächtlichen Mojavewüste gelandet war, wurde eine der beliebtesten Ikonen der späten Menschheit.

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Nachdem vor 68 Jahren die Raumsonde eingefangen worden war, waren sich die Wissenschaftler von Xantia schnell einig, dass sie aus dem Sternbild Xafgot stammen musste, worin die Forscher schon länger Leben vermuteten. Zwar hatten sie dessen Entdeckung eher in der Nähe des Mittelpunktes der gemeinsamen Galaxis erwartet, doch war dessen Auftreten im vier Lichtjahre entfernten kleinen Sternensystem am Rande der Milchstrasse keine wirkliche Überraschung. Die Zivilisation von Xantia war durch ihre Neugier angetrieben, die Umwelt in der sie sich entwickelt hatte, zu verstehen und hat bereits an den unmöglichsten Orten im Sternenraum Lebewesen gefunden. Nach dem ersten Kontakt mit der fremden Kultur wurde im Jahre 58 736 eine erste Expedition nach Xunandu geschickt, die Admiral Zorgs Vater Xyprian befehligte. Die Auswertung der mitgebrachten Forschungsobjekte dauerte drei Jahrzehnte, bis man sie bis ins letzte Detail zu verstanden haben schien. Unterdessen war Xyprians Sohn Xandrian zum Admiral befördert worden. Von kindsbeinen an hatte er die Artefakte zu verstehen versucht und war zu einem Experten der xunandischen Kultur geworden, weshalb er auserwählt worden war, die Expedition Xunandu 2 mit einem eigenen Forschungsraumschiff zu begleiten.

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Während die Menschheit noch über die richtige Antwort auf die Landung von Extraterrestrischen und den sich daraus ergebenden Folgen auf die irdische Flora und Fauna stritt, begannen die Dinge gegen Mitte des 22. Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung grausam schief zu laufen: Der globale Klimawandel konnte trotz den grossen Anstrengungen und anfänglichen Erfolgen im 21. Jahrhundert nicht mehr aufgehalten werden. Als das globale Weltklima durch eine Erwärmung von sieben Grad Celsius gegenüber 1990 vollkommen durcheinander geraten war und verheerende Umweltkatastrophen wie gewaltige Wirbelstürme, Jahre dauernde Dürren, sintflutartige Überschwemmungen oder Vereisungen in ehemals blühenden Landschaften zu globalen Hungersnöten und gigantischen Völkerwanderungen geführt hatten, waren die benötigten öffentlichen Gelder zur Erforschung der ausserirdischen Kontaktaufnahme in die Dämmung der Folgen der Klimakatstrophe umgeleitet worden. Der vollständige Klimakollaps im 23. Jahrhundet führte auf der überbevölkerten Erde zum apokalyptischen dritten Weltkrieg, dessen Auslöser ursprünglich Völker aus verdorrten Landstrichen gewesen waren, die in fruchtbarere Regionen gezogen waren, dort jedoch von xenophoben und futterneidischen Einheimischen militärisch abgewehrt wurden. Als sich Potentaten aus den hungernden Ländern zu Gegenmassnahmen entschlossen und nach der Erbeutung von Atomwaffen diese in ihrem Furor auch eingesetzt hatten, schrieb man den 8. Oktober 2296.

Als am 17. Juli 2347 die Besucher mit ihren Raumschiffen auf der Erde landeten, hätte es ein denkwürdiger Tag sein sollen, denn entgegen allen Voraussagen der humanen Weltuntergangsapologeten waren die Besucher in friedlicher Absicht gekommen. Stattdessen verbreitete sich an Bord der Sternenflotte grosse Ratlosigkeit über den mittlerweile verwüsteten Planeten.

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Zwei Stunden nach dem tragischen Vorfall auf dem Mutterschiff versammelte sich die Admiralität erneut in dessen Eikonum. Die Stimmung war gedrückt und ratlos über den Unfall, aber auch aufgeregt und neugierig, da die letzten Artefakte in den Laderäumen des Mutterschiffes verstaut wurden. Die Admiralität verfolgte über eine grosse Bildwand deren Anlieferung. Die meisten Artekfakte waren die letzten Tage über bereits verstaut worden, nun galt es noch Admiral Zorgs Objekte für den Rückflug bereit zu machen. Xandrian Zorg war nach dem Tod von Admiral Özgij auf sein Raumschiff zurückgekehrt und beobachte das Verladen von dort aus. Zurück auf Xantia wollte er sich mit den xunandischen Fluggeräten befassen. Hierfür hatte er sich in ein Raketenlager teleportieren lassen und mit Wissenschaftlern eine Auswahl der mitzunehmenden Flugkörper getroffen. Da sie auch solche ausgewählt haben, welche die Bewohner eingesetzt hatten, um sich zu töten, wurde der Verladevorgang mit grösster Vorsicht ausgeführt. Die kleineren Raketen waren in sicheren Transportbehältnissen verstaut worden, nun schwebte im Traktorstrahl eine grosse weisse Rakete heran, die sich der Schleusenkammer des Mutterschiffes näherte. Sie war das Prunkstück der xunandischen Artefakte. Aufgeregt beobachtete Admiral Zorg auf der Brücke seines Raumschiffes, wie die Rakete langsam durch das schützende Magnetfeld des Mutterschiffes zu dessen Ladeschleuse glitt, worin starke, gebündelte Lichtstrahlen durch die Luke flimmerten. Mit diesen grellen heissen Strahlen sollten alle biochemischen Keime auf den Artefakten abgetötet werden. Während der Traktorstrahl langsam die Rakete ins Innere des Frachtraums beförderte, tasteten die Lichtstrahlen deren Oberfläche ab und drangen schlussendlich ihrer Stärke wegen in das Geschoss ein. Der darin enthaltene Sprengkopf explodierte ob der Hitze und löste eine Kaskade weiterer Explosionen auf dem Mutterschiff aus, bevor dieses in einem Feuerball zerbarst. Admiral Zorgs Schiff wurde von der Druckwelle erfasst und ins All geschleudert. Wo eben noch das Mutterschiff gewesen war, breitete sich nun eine pilzförmige Wolke aus. Durch die Wucht der Explosion wurden die meisten Schiffe der Expedition in Mitleidenschaft gezogen und stürzten in der Atmosphäre verglühend auf Xunandu ab.

Durch die Detonation brach die Kommunikation zwischen der Expedition und Xantia ab. Da Xunandu 2 bisher nur Erfolgsmeldungen gesendet hat, musste etwas grausam schief gelaufen sein. Nach mehreren Tagen ohne Kontakt berief das Sternenkommando eine Krisenkonferenz ein, um die Situation zu analysieren. Derweil wurden die Sternenraumpioniere von der planetarischen Propagandaabteilung als Helden der Neugier gefeiert, während verzweifelte Angehörige unter der Führung von Xian Zorg mit Demonstrationen und auf juristischem Wege eine vollständige Aufklärung der offenbar tragischen Ereignisse verlangten. Nach eingehender Analyse der übermittelten Daten unter Einbezug neuster wissenschaftlicher Ergebnisse, die eine dramatische Verschlechterung der Atmosphäre von Xunandu belegten, verkündete das Sternenkommando, dass bei der Expedition Xunandu 2 mit dem Schlimmsten zu rechnen sei. Und es entsandte die Mission Xunandu 3 unter der Leitung von Xian Zorg, um die Ursachen für die plötzliche Funkstille der Vorgängermission zu erforschen. Wodurch sie die einmalige Gelegenheit erhielt, den Namen ihrer Familie als einen der glorosesten in die Planetengeschichte einzutragen.

Derweil sammelte Admiral Zorg, der das Inferno mit einigen Kratzern und Beulen überlebt hat, die restlichen Raumschiffe beim Mond von Xunandu. Ohne das Mutterschiff war eine Rückkehr nach Xantia wegen der zu grossen Distanz unmöglich. Admiral Xandrian Zorg erteilte den Befehl, auf Xunandu zu landen und beim Landeplatz seines Vaters in der Mojavewüste eine Kolonie zu gründen. Das Überleben auf dem Planeten mit dem zerstörten Klima würde von ihnen alles abverlangen. Doch er vertraute darauf, dass über kurz oder lang vom fernen Heimatplaneten aus Hilfe kommen würde. •

 

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