Hamanns Klon


Dieter Hamann parkte seine dunkelblaue Limousine auf dem Besucherparkplatz des Universitätsspitales in Zürich. Statt sich zum ehrwürdigen Altbau zu begeben, wandte er sich in die Gegenrichtung und überquerte kurz darauf die Gloriastrasse. Er hielt auf den Eingang eines monumentalen Glasbaus zu, der vor rund zwanzig Jahren auf den Sportplätzen der Kantonsschule Rämibühl errichtet worden war. Das Hochhaus beherbergte das Humangenetische Zentrum Zürich, das eine Unterabteilung des Unispitals war. Die ehemalige Sportanlage war als Turnhalle im Untergeschoss des gläsernen Prunkbaus integriert worden. Der Volksmund nannte den Glaspalast Teufelskathedrale. Hamann betrat das Gebäude durch die automatische Drehtüre und fand sich in einer hellen, nach seinem Geschmack überdimensionierten Halle wieder. Ihr einziger Zweck schien Raumverschwendung zu sein. An deren Rückwand befand sich der Empfang, der mehr einer Hotelrezeption glich. Über dem Desk hingen riesige Flachbildschirme, auf denen die TV-Spots der Humangenetischen Gesellschaft Schweiz liefen. Hinter den Hostessen am Empfang, die allesamt eine rote Uniform trugen, stand ein runder fünfzehn Quadratmeter grosser Schreibtisch, aus dessen Mitte eine bis zur Decke reichende Appartur mit unzähligen kleinen Bildschirmen hervorwuchs, auf denen die Bilder der Überwachungskameras oder in einem grafischen Schema die Korridore des Hauses zu sehen waren. Die Schemata erinnerten an Fotografien eines Nervensystems.

Als Hamann sich beim Empfang anstellte, erkundigte sich eine freundlich lächelnde Brünette, ob sie ihm behilflich sein könne. Ihr Namensschild wies sie als Sibylle aus. Er murmelte etwas, was bejahend sein sollte und nestelte in seiner Jackentasche herum. Nach einem ihm endlos erscheinenden Moment fand er eine rote Plastikkarte. Sie sah einer Kreditkarte zum Verwechseln ähnlich, da sie einen Chip und auf ihrer Rückseite einen Magnetstreifen hatte. Anders als die Zahlungskarten enthielt der Chip kein Geld, sondern die gesammelten Informationen über ihren Karteninhaber. Die Karte diente zugleich als Schlüssel zu den Räumen innerhalb des Humangenetischen Zentrums. Hamann reichte Sibylle seine Plastikkarte und folgte mit seinem Blick ihrer schmucklosen Hand. Sie führte die Karte in ein Lesegerät, das neben einem Computer stand, dessen Monitor ein wenig über den Rand des Desks schaute. Hamann konnte nicht sehen, was auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Es interessierte ihn auch nicht sonderlich, denn er hatte bei seinem ersten Besuch das elektronische Formular ausgefüllt und darin über seine Absichten Auskunft gegeben. Bereits nach wenigen Minuten hatte er dann diese rote Karte erhalten. Er hörte Sibylles flinke Finger über die Tastatur flitzen, als sie einige wenige Befehle eingab.
«Sie werden gleich in Trakt A geführt, Herr Hamann», sprach sie, als sie ihm die Karte wieder retournierte. Er steckte sie wieder ein und atmete tief durch. Als er um den Millenniumswechsel noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte er nicht einmal im entferntesten davon geträumt, eines Tages seinen eigenen Klon abzuholen. Erst recht nicht, als mit Dolly das erste geklonte Schaf an Arthrose gestorben war und er als ABC-Schütze mit dem Ausdruck Klonschaf einen neuen Begriff lernte, den er damals noch nicht verstanden hatte. Doch nun, ein knappes halbes Jahrhundert später, wusste er ziemlich viel über das Klonen.

* * *

Während Hamann auf die Person der Sicherheitsfirma wartete, die ihn in Abteilung A führen würde, erinnerte er sich an seinen ersten Besuch im Humangenetischen Zentrum. Zusammen mit neun anderen Menschen, welche die Absicht gehabt hatten, sich klonen zu lassen, war er in einen Multimedia Raum geführt worden, worin ihnen eine Präsentation über die Geschichte des Klonen von Menschen gezeigt worden war: Anfangs des zweiten Viertels des 21. Jahrhunderts war es zwei amerikanischen und einem chinesischen Forschungsteam gelungen, Menschen zu klonen. Damals wurde die embrionale Stammzellenforschung seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich betrieben. Es hatte zuvor immer wieder Versuche von zwielichtigen Forschern und Sekten gegeben, die einen erwachsenen Menschen reproduzieren wollten. Doch was an einem Frühsommertag im Jahre 2027 mit einer Videoschaltung gleichzeitig aus New York und Shanghai der Weltöffentlichkeit präsentiert worden war, erschreckte die Menschheit. Und liess sie zugleich träumen: die Schaffung einer identischen Kopie eines Menschen. Nach einer ersten Welle der Empörung setzte sich schon bald die Überzeugung durch, dass der zweifelhafte Fortschritt nicht mehr aufhaltbar war und man sich wohl besser mit ihm arrangieren würde. Das neue Klonverfahren beruhte auf einer Kombination der Reproduktion von Stammzellen und der Invitro-Fertilisation, die seit dem 20. Jahrhundert in der Viehzucht angewendet wurde. Wollte sich ein Mann klonen lassen, benötigte man sein Sperma, bei einer Frau entnahm man Gewebe aus ihren Eierstöcken. Als es Anfang der Dreissigerjahre dem an der Stanford Universtity lehrenden Schweizer Biologen Armin Hiltbrunner gelungen war, Klone jeglichen Alters herzustellen, hatte der Fortschrittsglaube einen Dämpfer erhalten. Es kam weltweit zu gewaltsamen Ausschreitungen, die an die Antiglobalisierungs-Demonstrationen zu Beginn des Jahrhunderts erinnert haben.

Während in den grösseren Städten der Welt noch die Proteste gegen das Kopieren von Menschen wüteten, hatten sich im ehemaligen Hotel Schweizerhof in Bern Vertreter des Staates und der fünfzehn grössten Schweizer Chemie- und Biotechfirmen zusammengefunden, um die Humangenetische Gesellschaft Schweiz zu gründen, deren alleiniger Zweck es war, das Klonen von Menschen und die damit verbundene Industrie zu beaufsichtigen und regelmässig der Öffentlichkeit Bericht zu erstatten. Die grosse Mehrheit der Politiker war sich einig, dass man aus sicherheitspolitischen Überlegungen eine solche Technologie nicht dem Ausland überlassen durfte. Man wollte die Fehler nicht wiederholen, die man ein Jahrhundert zuvor bei der Kernspaltung gemacht hatte. Und man setzte, was für die Schweiz überraschend war, auf internationale Kooperation. Zwei Jahre später hatte das Schweizer Modell Schule gemacht: Genf wurde Sitz der Europäischen Genagentur EuGen. Im selben Jahr hatte die UNO die Gründung des Weltethikrates UNEC bekannt gegeben, dessen Sitz ebenfalls in Genf war. Die internationalen Kommissionen nahmen untereinander Einsitz in ihren Gremien. Fünf Jahre nach seiner bahnbrechenden Entdeckung war Armin Hiltbrunner mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Ein Jahrzehnt nach der Präsentation der ersten menschlichen Klone hatte sich die Bevölkerung der Nordhalbkugel um ein Drittel vergrössert. Alleinige Ursache für diesen Boom war die industrielle Klonproduktion. Kein vernünftiger Mensch hatte Anfang der Dreissigerjahre der kommerziellen Klonproduktion grosse Chancen eingeräumt. Auch Ökonomen hatten abgewiegelt und auf die regulierenden Kräfte des Marktes verwiesen. Es liessen sich zunächst auch nur exzentrische Milliadäre, die sich für die Nachwelt erhalten wollten, klonen. Sie waren die einzigen, die das teure Verfahren bezahlen konnten. Doch Armin Hiltbrunners Methode war äusserst erfolgreich: Die Klone hielten es wie ihre biologischen Vettern, sie hatten dieselben Marotten, weshalb sie sich dieselben Güter kauften. Luxusmarken wie Rolls Royce konnten ihre Umsätze binnen dreier Jahre verdoppeln. Böse Zungen begannen von Absprachen zwischen den Konzernen zu munkeln, denn in den selben zehn Jahren waren die Preise für Klone auf den Preis eines Mittelklasseautos gesunken. Doch erst als eine amerikanische Bank Leasingkredite für Arbeitsklone lanciert hatte und danach ein US-Industriekonglomerat seine besten Arbeiter klonen liess und alle anderen auf die Strasse gestellt hatte, war der Damm gebrochen worden. Der Markt hatte es in der Tat gerichtet.

Hamann kümmerten weder die Profite der Industrie noch die Schicksale der abertausend Arbeitslosen. Als seine Frau bei einem Verkehrsunfall getötet worden war, hatte er sich nichts Weiteres als einen Klon von ihr gewünscht, mit dem er hätte weiterleben können. Doch damals, vor sieben Jahren, waren Klone noch so teuer wie Ferien in einer Club Lunaire Siedlung auf dem Mond. Sechs Jahre hatte Hamann auf alles verzichtet, was das Leben lebenswert macht: Er war nicht mehr in Urlaub gefahren, hatte keine Theatervorführungen mehr besucht und sich keine Filme mehr im Kino angesehen. Nach sechseinhalb Jahren hatte er genug gespart, um sich einen Klon leisten zu können. Mangels Liebster wollte er sich zuerst selbst reproduzieren lassen. Vor einem halben Jahr hatte er das erste Mal das Humangenetische Zentrum betreten. Er war damals in einen klinisch nüchternen Raum geführt worden. Doch die Aufregung und die sterile Atmosphäre hatten sich als Lustkiller erwiesen. Erst die Zuhilfenahme einer Tablette gegen Erektionstörungen hatte zum Erfolg geführt, die halbjährige Wartezeit auf seinen Klon hatte begonnen.

* * *

All seine Mühen und Entbehrungen waren vergessen, als Hamann an diesem Septembertag des Jahres 2043 von einem Wachmann in ein Wartezimmer geführt wurde. Er war nervös, schwitzte und hatte Handschweiss. Ein Makel, unter dem er schon lange gelitten hatte und den er seinem Klon nicht weitergeben wollte, obwohl dieser aus demselben Erbgut stammte. Der Raum mit seinen weissen Wänden und der Glasfassade, die bei schönem Wetter hellblau und bei schlechtem grau schien, war ebenso steril, wie die Kammer, in der Hamann vor einem halben Jahr unter Mühen sein Erbgut in ein Reagenzglas getropft hatte. Eine Türe öffnete sich und ein etwa vierzigjähriger Arzt betrat den Raum. Hamann war irgendwie erleichtert, dass er noch nicht seinem geklonten Spiegelbild gegenüber stand.
«Herr Hamann?»
«Der bin ich.» Die Männer gaben einander die Hand.
«Ich bin Doktor Mertens. Sie haben die Instruktionen gelesen?» Hamann nickte.
«Wichtig ist mir, dass ihnen bewusst ist, dass ihr Klon in den ersten Tagen wie ein kleines Kind ist, obwohl er so aussieht wie sie. Weil ihm die Erfahrungen fehlen, die sie ihr Leben hindurch gemacht haben, ist das Reproduzieren von Erwachsenen aufwändiger als die Reproduktion von Kindern.»
«Ja, ich werde ein Auge auf ihn haben.»
«Basics wie die heisse Herdplatte haben wir ihm hier vermittelt.»
«Schliesslisch musste ich auch ein halbes Jahr auf ihn warten.»
«Aber alles, was ihr persönliches Umfeld ist, müssen sie ihm beibringen. Deshalb wird ihr Klon am Anfang ein erhöhtes Schlafbedürfnis haben, weil er im Schlaf die auf seiner Biofestplatte gesammelten Eindrücke ans Gehirn weiterleitet werden.»
«Das wollte ich sie nochmals fragen, wozu dient diese Biofestplatte schon wieder?»
«Sie ist ein Daumen grosser Chip, der zwischen den Schulterblättern eingepflanzt ist. Hier werden alle wichtigen Informationen über unsere Umwelt und Basics wie die von Ihnen gesprochenen Sprachen gespeichert.»
«Heisst das, dass mein Klon besser deutsch kann als ich?»
«Nur in den ersten paar Wochen, während denen ein Programm abläuft, das ihn alle ihre persönlichen Merkmale wie ihren Gang, Dialekt oder ähnliches adaptieren lässt. Während den Schlafphasen wird das gespeichterte Wissen von Biofestplatte über elektromagnetische Impulse über das Rückenmark ins Gehirn übertragen. In spätestens einem halben Jahr wird dieser Prozess abgeschlossen sein und der Chip wird sich selbst zersetzen. Wenn Sie zu dieser Zeit eine Blutuntersuchung machen lassen, wird im Blut ihres Klones ein erhöhter Metallspiegel nachweisbar sein. Doch das ist völlig ungefährlich, denn für Kinder verwenden wir dieselben Chips.»
«Und mein Klon bleibt dann nicht in den Sicherheitsschleusen der Warenhäuser hängen?»
«Nein, Geschichten von heulenden Alarmanlagen wenn eine Klonin shoppen geht, sind moderne urban legends. Auf Metallzähne, künstliche Hüftgelenke und Eheringe reagieren die Metalldetektoren schliesslich auch nicht.»
«Kann ich meinen Klon morgen an einen Kongress senden und ihn mein Referat über Statik von Hochhäusern halten lassen?»
«Nein. Das würde ihn noch überfordern. Ihr Klon benötigt genauso eine Einarbeitungszeit am Arbeitsplatz wie jeder biologische Mensch.»
«Das heisst, obwohl er mein Ebenbild ist, muss er noch als Dieter Hamann angelehrt werden.»
«In etwa so könnte man es sagen.» Hamann nickte bedächtig. Doktor Mertens überreichte ihm einen Kommunikator, der die Grösse eines Fünf-Euro-Scheines hatte, worauf die Logos der Humangenetischen Gesellschaft der Schweiz und der Europäischen Genagentur gedruckt waren. Auf den fragenden Blick Hamanns antwortete der Arzt, dass in diesem Gerät alle wichtigen Adressen gespeichert wären.
«Welche Adressen?»
«Nun ja, hier drin sind weltweit alle Telefonnummern und die Öffnungszeiten der Beratungsstellen für Humanoiden gespeichert. Sie erhalten die regelmässigen Updates über Satelliten. Durch seinen Mikroreaktor müssen sie ihren Kommunikator nie aufladen. So sind sie immer on.» Einen Augenblick lang herrschte Stille. «Wie ich ihrem Blick entnehme, können sie mit meinen Erläuterungen nichts anfangen.»
«Nein, nicht wirklich.»
«Ein Klon ist eine Konfrontation mit seinem alter Ego, mit dem viele Menschen nicht umgehen können. Sie können darüber unbesorgt sein, das ist etwas völlig Natürliches. Viele Menschen können auch nicht damit umgehen, dass sie Eltern geworden sind.»
«Das heisst, wenn ich mit Hamann zwei auf Geschäftsreise in Mumbai bin und es treten irgendwelche Probleme auf, kann ich mich an die UNEC-Geschäftsstelle Mumbai wenden?»
«Genau. Oder wenn sie ihren Klon anstelle von ihnen an einen Kongress nach Frankfurt senden, dann hat er eine Anlaufstelle. Aber auch die Behörden dort. Die Berichte über aufgetretene Probleme müssen sie nicht allzu ernst nehmen. Die Medien übertreiben, wie immer.» Hamann grinste ob dieser Bemerkung.
«Etwas wollte ich ihnen noch mit auf den Weg geben. Obwohl wir in Zürich leben und hier die Akzeptanz von Humanoiden grösser ist als anderenorts, kann es durchaus vorkommen, dass man sie scheel anschaut, wenn sie mit ihrem Klon durch die Stadt flanieren.»
«Ich habe gedacht, dass seit dem päpstlichen Erlass Klone wie biologisch Neugeborene zu betrachten wären, und seit sich die politische Linke das Motto Mensch ist Mensch, egal welcher Rasse, Sexualität oder Zeugungsart er ist auf die Fahne geschrieben hat, die Akzeptanz von Klonen gestiegen wäre. Aber wenn sie meinen…» Hamann war besorgter als er klang. Während den Klonunruhen vor zwanzig Jahren waren in Rom, Mailand, Madrid, Hamburg, Wien, Budapest, Seattle oder Rio de Janeiro der Notstand verhängt worden. Und die Massnahmen fanatischer Klongegner waren so radikal wie diejenigen fantatischer Abtreibungsgegner in den USA. Und auch in der Schweiz soll es einen Pool von Fundamentalisten geben.
«Seien sie unbesorgt. Sie mögen sich doch sicher noch gut daran erinnern, wie Sie als Junge verwirrt gewesen waren, als Sie zum ersten Mal bewusst zwei Männer oder zwei Frauen sich küssen gesehen haben, obwohl sie gewusst haben, dass es Homosexualität gibt.»
«Na gut, als wir jung waren, lebten die Leute noch in den Wertvorstellungen des 20. Jahrhunderts.»

Im Hintergrund begann «Freude schöner Götterfunken» aus Beethovens 9. Symphonie zu spielen. Die Tür, durch die vor wenigen Momenten Doktor Mertens den Raum betreten hatte, öffnete sich erneut. Hamann drehte sich in ihre Richtung um und erblickte sich, wie er von einer vollbusigen schwarzen Krankenschwester begleitet ins Zimmer schritt. Sie erschien ihm wie eine Amme. Hamanns Klon blickte noch etwas scheu. Doch als er sein Original sah, begann er zu lächeln. Hamann betrachtete sein lebendig gewordenes Spiegelbild eingehend: Sein dunkles Haupthaar hatte Hamann Zwo rechts gescheitelt, die Brille hatte ein silbernes Titangestell, die Gläser waren schon relativ dick. Einen Moment lang fragte Hamann sich, ob es nötig gewesen war, seine Sehschwäche zu klonen. Doch die Wissenschaftler schienen ihre Gründe hierfür zu haben. Der hellgraue Massanzug und das blassrosa Hemd sassen perfekt, schliesslich hatte Hamann bei seinem letzten Besuch Kleider mitbringen müssen. Hamann nickte zufrieden und lächelte sein Ebenbild an.
«Guten Tag, ich bin Herr Hamann», grüsste der Klon und streckte Hamann seine Hand entgegen. Der wusste, dass er nun die Hand ergreifen und diese ganz normal drücken musste. Dies war die einzige Möglichkeit, seinen Händedruck zu programmieren.
«Salü, ich heisse auch Hamann. Komm wir sagen uns du. Ich bin Dieter», sprach Hamann und drückte seinem Gegenüber die Hand.
«Ich heisse auch Dieter», antwortete der Klon.
«Das ist ein schöner Name. Weisst du was? Ich nenne dich Didi. Ich bin Dieter und du bist Didi.»
«Du bist Dieter und ich bin Didi. Ich heisse Didi. Didi Hamann. Ich arbeite als Baustatiker, habe einen eidgenössischen Ingenieurstitel, bin 53-jährig und verwitwet.» Während Didi sprach, fiel Hamann auf, dass dieser die Krawatte nicht richtig gebunden hatte.
«Du gestattest?», fragte er, griff nach der Krawatte und begann den Knopf neu zu binden. «So, das haben wir gleich. Keine Angst, mit der Zeit lernst du das auch noch.» sprach er aufmunternd zu Didi.

Zuhause angekommen, führte Hamann Didi durch seine Wohnung. Wie der Fernseher oder das Radio funktionierten, brauchte man ihm nicht zu erklären, auch mit der Funktionsweise des Computers kannte sich Didi bestens aus. Was man von den Küchengeräten nicht behaupten konnte. Im Humangenetischen Zentrum hatte Didi seine Mahlzeiten im eigens für die Klone gebauten Speisesaal serviert erhalten. Wo das Essen herkam und wie es zubereitet wurde, darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht.
«Keine Angst, kochen wirst du schnell lernen. Schliesslich bist du mein Klon, und ich hatte es vor sieben Jahren auch gelernt», sprach Hamann und klopfte Didi auf die Schultern. Nach der Stube und der Küche führte Hamann seinen neuen Mitbewohner in das kleinere der zwei noch übrig bleibenden Zimmer. Mit einem Bett, Bücherregal, Tisch und einem Stuhl war es bescheiden eingerichtet.
«Wir kaufen morgen zusammen deinen Schrank. Schliesslich solltest du dich hier drin wohl fühlen.»
«Das finde ich lieb. Und Kleider müssen wir auch noch einkaufen?»
«Das werden wir ebenso tun, wie du auch deine eigenen Schuhe erhältst.»
«Und wo schläfst du?» fragte Didi.
«Gleich nebenan», antwortete Hamann und führte Didi in sein Schlafzimmer.

Nach der Führung durch die Wohnung tranken sie zusammen Kaffee. Während Didi Biskuits ass und an seiner Tasse nippte, holte Hamann eine sportliche Jacke zum Anprobieren.
«Gefällt sie dir?» erkundigte er sich. Didi nickte. Hamann streckte sie ihm entgegen und nickte ihm zu. Noch etwas scheu griff der Klon nach dem Kleidungsstück.
«Das ist ein angenehmer Stoff», meinte er, als er mit der Hand darüber strich. Bevor er in die Jacke schlüpfte, roch er daran, was Hamann ein wenig irritierte. Doch, so überlegte er sich, würde Didi wohl lernen, was Baumwolle sei. Wie schon der Anzug, den er bis anhin getragen hatte, sass auch die Jacke wie angegossen. Hamann freute sich, dass Didi ihm bis ins kleinste Detail glich. Er hatte schon Geschichten von Leuten gehört, die kahl oder dick geworden waren oder sich sonst in einer Art verändert hatten, die sich in der Folge zu Hause einschlossen und nur noch ihre Klone in die Öffentlichkeit liessen, denn diese hatten den körperlichen Wandel nicht mitgemacht.

Bei Hamanns erstem Besuch im Humangenetischen Zentrum hatte man ihm verschiedene Prospekte zum Thema Zusammenleben mit seinem Klon mitgegeben, die ihn auf sein künftiges Leben vorbereiten sollten. Diese Broschüren waren ihm als Werbeprospekte auf Hochglanzpapier vorgekommen. Darin hatte er gelesen, dass sich die Klone durchaus verschieden von ihren genetischen Originalen entwickeln konnten. Doch man sollte sich keine Gedanken dazu machen: Ein Klon sei nicht als Kind von einem zu betrachten, sondern als eineiiger Zwilling. Eine Frage stellte sich Hamann seither: Würde er, wie das Zwillinge taten, auch fühlen, wenn sein genetischer Bruder erkrankte? Als er sich diese Frage erneut stellte, realisierte er, dass er Didi schon nach wenigen Stunden nicht mehr als simple Kopie seiner selbst betrachtete, sondern so etwas wie brüderliche Gefühle für ihn zu hegen begann.

Befriedigt stellte Hamann fest, dass seine Jacke Didi passte. Er lud Didi zu einer Sightseeing-Tour durch Zürich ein. Wohl hatte er auf seinem Biochip einen Stadtplan und vielleicht auch noch ein paar historische Fakten zur Zürcher Geschichte programmiert erhalten. Doch es konnte Didi nicht schaden, die Original-Schauplätze gesehen zu haben. Nach einer zweistündigen Führung durch die Zürcher Altstadt und einem Besuch im Chinagarten, spazierten die Hamanns dem Seeufer entlang zum ehemaligen Lake Side Restaurant am Zürichhorn. Hamannn wollte den Abend im noblen Restaurant beim Zürichhorn mit Zürcher Spezialitäten, Seesicht, Aussicht auf die nahen Glarner Alpen und einem schönen Glas Wein ausklingen lassen.

Die ersten Wochen waren ganz normal verlaufen. Hamann war froh, dass er wieder Gesellschaft hatte. Und Didi, das erwachsene Kleinkind, lernte äusserst schnell, sich in seiner neuen Umgebung zurecht zu finden. Da Didi sehr strebsam war, konnte ihn Hamann schon bald in die Geheimnisse und Probleme der Bauwissenschaften einführen. Und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er Didi anstelle seiner selbst an die langweiligen Kongresse schicken konnte. Alles in allem konnte sich Hamann wieder auf sein Leben konzentrieren. Zuerst holte er nach, worauf er die letzen sieben Jahre verzichtet hatte. Er genoss das Leben in der Oper, im Kino, im Theater und krönte seine Ausgänge in Nachtclubs. Und während er dem vergangenen Jahrzehnt eine lange Nase machte, wusste Hamann, dass seine Ausschweifungen von moralisierenden Personen verurteilt würden. Und doch gab es ihm eine ungeheure Befriedigung, denn er durfte, was er tat. Klonen war der sexuelle Umgang mit biologischen Menschen verboten. Und dass er es mit dem Klon einer Prostituierten trieb, konnte er sich nicht vorstellen.

* * *

Eines Tages begann Hamann zu vermuteten, dass Didi eine Liebschaft hatte, denn sein Klon verhielt sich gleich wie er, als er verliebt gewesen war. Und so folgte er ihm eines Tages unbemerkt. Didi fuhr mit dem 6er-Tram zur Universität hoch. Von dort aus begab sich er in Richtung des Humangenetischen Zentrums. Doch anstatt das Gebäude zu betreten, ging er daran vorbei und setzte sich auf die Bank, die an der Ecke Freie-/Gloriastrasse stand. Hamann betrat das Humangenetische Zentrum durch die Drehtüre und setzte sich in einen ledernen Le-Corbusier-Sessel in der grossen Empfangshalle. Durch die Glasfassade hindurch konnte er die Ulme und den darunter sitzenden Didi beobachten, ohne von ihm gesehen zu werden.

Eine Zeit lang schaute sich Hamann seinen Klon an: Dort sass es nun, sein lebendig gewordenes Spiegelbild, seine Kopie, sein von ihm gezeugter und künstlich entwickelter Zwilling. Noch einmal ging er die wichtigsten Stationen der vergangenen Jahre durch. Er war sich auf einmal nicht mehr ganz sicher, ob er richtig gehandelt hatte. Doch schnell zerstreute er seine Zweifel. Stattdessen liess er seinen Blick am Hochhaus, welches die Zürcher Schwesternsilo nannten, entlang gleiten. Ob Didi sich in eine Krankenschwester verliebt hatte? Dann blickte Hamann wieder auf die Ulme. Ihr grünes Laub kontrastierte mit den roten Ziegeln des Careums im Hintergrund. Vielleicht war es ja auch eine Ärztin. Und ob Didi auf denselben Typ Frau stand wie er? Sie warteten ungefähr fünf Minuten, dann kamen vom Schwesternsilo her zwei Frauen geschlendert. Die eine war eine grossgewachsene Rothaarige, die andere war eine kleine Schwarzhaarige. Hamann konnte sehen, wie Didi der Schwarzhaarigen nachschaute. Er gratulierte in Gedanken seinem Klon, denn ihm gefiel sie auch besser.

Hamann war etwas beruhigt. Dennoch musste er wissen, ob und was zwischen ihr und Didi lief. Die Situation kam ihm irgendwie absurd vor. Jugendliche klärte man auf, in der Hoffnung, dass sie noch lange keinen Sex haben würden. Klone waren bereits aufgeklärt und man musste es ihnen verbieten. Noch war die Entwicklung von Kindern transhumanoider Paare nicht vollständig wissenschaftlich untersucht. Bis ausgeschlossen werden konnte, dass diese Kinder nicht dieselben Schäden wie Inzestkinder hatten, war es den Klonen untersagt, mit biologischen Menschen zu kopulieren. Es wäre zwar einfacher gewesen, unfruchtbare Klone zu erzeugen, doch das wollte die Gesellschaft aus wirtschaftlichen und ethischen Gründen nicht. Diese Forschungen waren ursprünglich nur ein Detailproblem gewesen, das innert nützlicher Frist hätte gelöst werden sollen. Doch die Forscher arbeiteten seit über einem Jahrzehnt an dieser Frage.

Zuhause stellte Hamann Didi zur Rede, der natürlich in den buntesten Farben von seiner Freundin schwärmte. Helene arbeitete als Assistenzärtzin im Humangenetischen Zentrum. Natürlich würden sie verhüten. Schliesslich wisse er um die Gefahren, doch ob Helene Mensch oder Humonide war, konnte er nicht sagen. Wütend hatte sich Didi in sein Zimmer zurück gezogen. Hamann überlegte sich, wie er vorgehen sollte. Und er hoffte, dass Didi den Ernst der Situation verstanden hatte. Seit diesem Streit hatte sich das Verhältnis zwischen ihnen merklich abgekühlt. Wen wundert’s? Schliesslich reagierten beide genau gleich. Wenn Hamann mit jemanden Streit hatte, mied er diese Person so gut es ging. Und Didi ging ihm aus dem Weg. Ausserdem konnte Hamann jeweils der Versuchung nicht widerstehen, die Person, mit der er zerstritten war, zu ärgern. Und Didi hielt es genau so. Hätte man in Hamanns Wohnung eine Kamera montiert und sein Zusammenleben mit Didi als tägliche Seifenoper ausgestrahlt, man hätte es für eine billige Produktion aus Hollywood gehalten. Didi trug Hamanns Lieblingsschlips, Hamann guckte sich die TV-Serien an, die Didi nicht mochte. Das Fass zum Überlaufen brachte Didis unheilvolle Frage, ob er Helene nach Hause bringen dürfe.
«Wie bitte, was möchtest du?», fragte Hamann.
«Na, Helene nach Hause bringen.»
«Ja, ja, und der Alte geht in den Ausgang…»
«Nein, nein, Dieter! Du bist auch eingeladen.»
«Danke, Didi.» Doch Hamann beschlich ein ungutes Gefühl.
«Sag mal Didi. Treibst du’s mit Helene?» Auf Didis wütenden Blick fügte er an: «Na ja, sie ist ein toller Feger. Und ich bin auch nur ein Mann.» Didi lief rot an, doch er sagte nichts.
«Sie ist eine Humanoide, nicht wahr?»
«Was hat denn das damit zu tun?», fragte Didi gereizt.
«Na was wohl? Du darfst keinen Sex mit Menschen haben! Und wenn du es trotzdem hast, dann nicht in meinem Haus!»
«Du bist ein Spiesser, Dieter!»
«Bin ich nicht! Ich halte mich nur an die Gesetze, die für Menschen, die sich klonen lassen, gelten.»
«Gesetze! Gesetze… Gesetze sind Papier und Druckerschwärze!»
«Sind sie nicht. Sie sind die Richtlinien, nach denen wir zu leben haben.»
«Sagte ich es doch, du bist ein Spiesser!» Hamann kam Didi wie ein rebelliender Jugendlicher vor. Und doch musste er Didi wie einen Teenager zur Vernunft bringen.
«Hör zu, Didi. Ich muss dir nichts über die Gefahren erzählen, wenn es ein Klon und ein biologischer Mensch miteinander machen. Und auch nicht über die Folgen, die es hat, wenn du gegen das Gesetz verstösst. Ich habe nicht sieben Jahre lang gewartet, bis ich wieder Gesellschaft habe. Ich möchte nicht während sieben Jahren jeden Cent zur Seite ge-legt haben, um mir einen Klon leisten zu können. Und der setzt dann leichtfertig seine Existenz und all meine Träume auf Spiel.» Didi schwieg und sah ihn aus leeren Augen an. Hamann hatte das Gefühl, an eine Mauer zu sprechen. Wahrscheinlich konnte sein Klon beim besten Willen seine Beweggründe nicht nachvollziehen. Wie wollte er auch. Didi war ja noch nicht einmal ein Jahr alt. Wie sollte er dann wissen, welch lange Zeit sieben Jahre wären. Wohl wusste der Humanoide, dass er ein geklonter Witwer war und dass der Verlust eines geliebten Menschen schmerzhaft war. Aber Didi wusste das nur in der Theorie. Erlebt hatte er es noch nie. Hamann wusste nicht, ob er nun seinem Klon einen Verlust wünschen sollte oder ob er nicht lieber mit ihm tauschen wollte. Schlussendlich meinte er resigniert:
«Versprich mir, die Disexual-Pillen zu nehmen. Am liebsten gar die doppelte Menge, damit nichts passiert.» Didi nickte. Obwohl Hamann nicht sicher war, ob Didi verstanden hatte, glaubte er, dass sein Klon verständnisvoll reagierte. Die nächsten Wochen über war der Streit zwar nicht vergessen, doch Didi schluckte jeweils sehr demonstrativ die Disexual-Pillen, welche eine künstliche Impotenz erzeugten.

* * *

Es war ein schöner Wintertag. In der Nacht und am Vormittag hatte es geschneit. Hamann kam etwas früher von der Arbeit nach Hause, um nicht im Verkehrschaos hängen zu bleiben. Als er die Wohnung betrat und nach Didi sehen wollte, hörte er aus dessen Zimmer eindeutige Geräusche. Didi war mit Helene zugegen. Hamann setzte sich in der Stube auf das Sofa. Seine Gefühle waren durcheinander. Einerseits war er wütend, weil Didi sein Versprechen gebrochen hatte. Andererseits hatte er Angst vor dem, was folgen würde. Gleichzeitig erinnerte sich an den Kommunikator, den er von Doktor Mertens erhalten hatte. Hamann blieb einen Moment lang sitzen und wägte das Für und Wider seines Handelns oder Nichthandelns ab. Im schlimmsten Fall würden sie kommen und Didi töten. Und vor dem erneuten Verlust hatte er Angst. Und wenn er Didi gewähren liess und Helene schwanger wurde? Ebenso sehr fürchtete er sich davor, Klonkel eines missgebildeten transhumanoiden Kindes zu werden. Die Menschheit konnte zwar auf den Mond fliegen und sich selbst reproduzieren, doch sie konnte noch immer nicht die Folgen ihrer Handlungen abschätzen. Und so erhob sich Hamann schweren Herzens und ging in sein Schlafzimmer, wo er seinen Kommunikator in der Nachttischschublade aufbewahrte. Er setzte sich aufs Bett und nahm mit zitternden Händen das kleine Gerät hervor. Er klickte sich durch die Menüs, bis er beim Punkt Probleme angekommen war. Mit wenigen Klicken war er im Menü transhumanoider Sexualverkehr angelangt. Da er keine allgemeine Fragen zur Thematik hatte, musste er lediglich die Frage, ob er Verdacht habe, dass sein Klon transhumanodien Sexualverkehr habe, bejahen und auf den grünen Knopf drücken. Der Rest würde sich in wenigen Minuten von selbst erledigen.

Die Wartezeit kam Hamann wie eine kleine Ewigkeit vor. Die Geräusche in Didis Zimmer verstummten. Hamann ging in die Stube und nahm eine Zeitung. Er blätterte darin, doch er war zu aufgeregt um zu lesen. Nach wenigen Minuten klingelte es an der Haustür. Hamann sprang auf und öffnete sie. Zwei Polizisten und vier Ärzte stand davor. Was dann geschah, nahm er wie vor dem Fernseher sitzend wahr. Er sah sich die Polizisten in die Wohnung hinein lassen und ihnen den Weg zu Didis Zimmer zeigen. Als die Polizisten das Zimmer betraten, hörte er Helene kreischen und Didi fluchen. Die Ärzte eilten den Polizisten nach. Didis Zimmer war gerangelt voll. Er und Helene lagen auf dem Bett und wurden von drei Ärzten und einem Polizisten auf die Matraze gedrückt, während der zweite Polizist in Helenes Tasche kramte und nach ihrem Ausweis suchte. Hamann stand im Türrahmen und schaute dem vierten Arzt über die Schulter. Nach kurzem Suchen fand der Polizist Helenes Ausweis.
«Sie ist biologisch», stellte der Polizist fest und nickte dem Arzt zu. Dieser entnahm seiner Tasche eine Spritze und zwei Ampullen. Er zog die erste Spritze auf und ging zu Didi hin. Dieser liess den Einstich stoisch über sich ergehen. Schon nach wenigen Augenblicken wurde er müde und tauchte in ein schweres Schwarz ein. Helene schrie, man solle ihn Ruhe lassen. Er hätte nichts getan. Sie sollten doch gnädig sein. Doch ihre Proteste nützten nichts, stattdessen wurde sie angewiesen zu schweigen. Sie begann zu weinen, ehe auch sie eine Spritze verpasst kriegte.
«Phu, das hätten wir geschafft!», sagte der Arzt, nachdem Didi und Helene reglos auf dem Bett lagen.
«Es ist gut, dass sie uns gerufen haben, Herr Hamann.»
«Ich weiss. Er wollte nicht auf mich hören. Aber mussten sie die Frau auch gleich...»
«Keine Angst. Beide sind nur betäubt, wie man Wildtiere auf Safari betäubt. Die Frau wird in der Polyklinik untersucht ob sie schwanger ist. Ist sie es, wird eine Abtreibung vorgenommen.»
«Und Didi? Was machen sie mit ihm?»
«Der Klon kommt ins Humangenetische und wird dort, weil er eine Gefahr für sich und die Menschheit ist, eingeschläfert werden.»
«Aber ist das nicht Mord?», fragte Hamann.
«Nein. Wenn wir schon Liebgott spielen, wenn wir Klone erschaffen, so müssen wir es allenfalls nochmals tun, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen», erklärte der Arzt. Hamann schwieg betroffen und dachte über die Worte nach.
«Wie ein Tier gezüchtet – wie ein Tier geschlachtet», sagte der Polizist, der geklingelt hatte und verliess den Raum. Die Ärzte, die Didi und Helene aufs Bett gedrückt hatten, verliessen das Zimmer und kehrten kurze Zeit später mit zwei Bahren wieder. Sie hoben die leblosen Körper darauf und trugen sie, zuerst Helene danach Didi, hinaus. Hamann folgte ihnen und blieb in der Haustüre stehen. Er blickte der Ambulanz nach. Es schneite wieder. Tiefe Traurigkeit überfiel ihn als er dem immer kleiner werdenen Fahrzeug nachschaute.
Was hatte er getan?
War er ein Mörder?
War er ein Unmensch?
Hatte er ein Monster erschaffen?
War es ein Fehler gewesen, sich klonen zu lassen?
Wäre es nicht einfacher gewesen, eine neue Beziehung einzugehen?
Er wusste keine Antwort auf diese Fragen.

 

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