Al Gore sei Dank
15. Juli 2008


Das Telefon klingelte um zehn vor zwölf. Am Appart irgend ein Amerikaner mit einem kommerziellen Anliegen. Aus irgend einem Grund landete Meister Baer in einer Datenbank in der er als europäischer Finanzfachmann geführt wird. Keine Ahnung, wer ihm den Liebesdienst mit einem Eintrag erwiesen hat, ob es ein «lieber Freund» gewesen war oder ob die Amerikaner Advertising und Financial Services genauso gut unterscheiden können wie Switzerland und Swasiland. Nein, er wolle mir nichts verkaufen, sagte der Ami, er möchte nur, dass ich ihm fünf Minuten zuhören würde. Da er sich nicht abwimmeln liess, gewährte ich ihm exakt fünf Minuten Zeit. Er begann nochmals von vorne, dass er wisse, dass ich ein vielbeschäftigter Unternehmer wäre und er wirklich nur fünf Minuten meiner Zeit benötigen würde, ich müsse ihm nur zuhören. Er solle nun endlich beginnen, antwortete ich ihm. Also begann er erneut von vorne, dass ich ihm zuhören müsse. Falsch gestartet, antwortete ich ihm, er solle endlich erzählen was er wolle anstatt bloss zu sagen, dass er mir etwas erzählen wolle. Und siehe, er hatte einen zweiten Satz bereit: Ob ich denn, wenn ich die Möglichkeit hätte, mein Geschäft verkaufen würde um mir ein schönes Leben machen zu können. Ich verneinte und fügte an, dass ich das Geschäft schon gar nicht ihm verkaufen würde. Nein, nein, nein, er wolle auch gar nicht mein Geschäft kaufen, sondern nur, dass ich ihm zuhören solle. Ob ich denn nicht daran interessiert wäre, was er mir sagen wolle. Nein ich hätte kein Interesse daran, Finanzanlagen wären mir ziemlich egal. Dafür wäre er ja hier, er hätte ein unglaubliches Angebot, wie ich zu sagenhaften Renditen käme. Aha, er wolle mir also doch etwas verkaufen, unterbrach ich ihm. Nein, er wolle nichts verkaufen, er möchte, dass ich ihm zuhöre. Also gut, bat ich, er soll losschiessen. Er wisse, dass ich ein viel beschäftigter Mann wäre. Ich unterbrach ihn erneut und verlangte von ihm, dass er mir endlich sagen würde worum es ging.

Und so begann er zu erzählen, dass das Research-Team seiner Unternehmung ein Dreivierteljahr den chinesischen Markt analysiert hätte. Ob dies einen seriösen Eindruck mache, fragte er mich. Ich bejahte und begann im Internet zu surfen, während er von den Rechercheanstrengungen zu erzählen begann. China wäre die schnellstwachsende Volkswirtschaft der Erde. Und sein Rechercheteam hätte den Energiemarkt beobachtet. In China gäbe es Bergbaustädte, die grösser sind als – er nannte hier irgend eine europäsiche Stadt – und fragte, ob dies nicht erstaulich wäre. Ich antwortete nichts. Nach einem Moment Schweigen seinerseits erkundigte er sich, ob ich noch am Appart wäre. Ja doch, sagte ich. Das wäre ganz erstaunlich. Seine fünf Minuten wären um, ich müsse nun wirklich an eine Sitzung gehen. Es daure nicht lange, war seine Antwort, es wäre die grosse Gelegenheit. Er wollte schon wieder von vorne beginnen, da sagte ich genervt, er solle mir endlich sagen, was für eine grosse Gelegenheit es wäre. Wie ich schon wisse, habe seine Research-Abteilung ein Dreivierteljahr den chinesischen Markt analysiert. Er habe nun Aktien des zweitgrössten chinesischen Kohleabbauers, er könne mir unglaubliche Wachstumsraten garantieren. Ich erinnerte mich daran, etwas früher am Tag die Nachricht gelesen zu haben, dass ein paar chinesische Kumpels in ihrem Bergwerk oder in ihrer Kohlegrube eingeschlossen wären. Gut getimt. Ich fragte deshalb zurück, ob er mir Kohlenaktien andrehen wolle. Ganz begeistert sagte er ja. –

Ob er denn nicht auch etwas im Bereich der alternativen Energien anzubieten habe, fragte ich ihn. Nein, es wären keine alternativen Energien, es wäre Kohle. China wäre eines der grössten Länder mit Kohlebergbau. Ich sagte, dass wisse ich, ich möchte aber nicht in Kohle investieren, sondern in alternative Energien. Er würde mich verstehen. Es wäre grüne Kohle. Das wäre mir egal, ob die Kohle grün oder schwarz wäre, ich würde nicht in Kohle investieren, ob er denn keine Investments in Solar- und Windkraftanlagen habe. Und ich wollte wissen, ob er Al Gores «An Incovenient Truth» gesehen hätte. Das sass, er schwieg einen Moment ehe er mir antwortete, dass er den Film gesehen hätte. Dann kenne er in diesem Fall die CO2-Problematik und dass Kohle ein Hauptverursacher von CO2 wäre. Und genau deshalb würde ich nur in nachhaltige, zukunftsgerichtete Anlagen wie Solarenergie investieren. «Hören Sie», sagte er darauf gereizt, «ich bin ein vielbeschäftigter Mann, ich würde seine Zeit verschwenden, er hätte noch wichtigeres zu erledigen» und hängte auf.




frühere Einträge:
Flugschule – 6. Juni
mehr Mobiltelefone als Einwohner – 9. Juli
zweiter Streich – 14. Juli

folgende Einträge:
vom Ausfüllen des Kurtaxen Formulars – 17. August
Davos Monstein – 17. August
Seilbahn zum Himmel – 19. August


zurück zur Blogübersicht

 

© 2008 by VzfB. All Rights reserved.