Zumikon
29. September 2008

Die nächste Ortsgeschichte von Beat Frei nähert sich ihrer Vollendung, Vater durchstreift mit mir zur Illustration derselben Zumikon auf Fotosafari. Nach zwei November ähnlichen Wochen hat sich der September noch einmal entschieden, dort weiterzumachen, wo er sich kurz nach dem August verabschiedet hat, nämlich im Spätsommer. Einzig die Klarheit des Lichtes täuscht nicht darüber hinweg, dass es ein wolkenloser Tag mit Sonne von der anderen Seite des Äquators ist. Zumikon – bis jetzt auf der persönlichen Landkarte Transitort auf dem Weg zur Forch, gefühlter Grenzstein zu Zürich, an der Ampel, die über eine hässliche Kreuzung wacht, beginnt die Autobahn ins Oberland. Zumikon – Gemeinde an der Goldküste ohne Seeanstoss, wo der Zürcher Geldadel wohnt. Wie der Streifzug durch die Gemeinde zeigt, ist es der alte, diskrete Reichtum, man fährt Mercedes oder Audi, allenfalls Jaguar. Understatement ist zwinglianische Pflicht, man tut Gutes und schweigt sich darüber aus, ob karitativ oder als Mäzen. Man ist liberal im alten Sinne, hat in der Armee gedient und verkörpert den untergegangenen staatstragenden Zürcher Freisinn. Die protzigen Offroader werden von den Neureichen gefahren, aber die wählen auch die polternde Volkspartei... Marschiert man mit Kamera durch eine Gemeinde und fotografiert die Häuser, Gärten und was dazugehört, kann man sicher sein, dass irgend jemand kommt und wissen möchte, was man fotografiert. Nicht so in Zumikon, hier werden auch zwei Fotografen diskret übersehen. Einzig Béatrice Tschanz, Pressesprecherin der verblichenen Swissair, tritt auf die Strasse, doch auch sie spricht uns nicht an, sondern verschwindet nach einem kurzen Zögern in der Garage. Für einen Montagmorgen sind wenig Leute unterwegs, auch auf dem Golfplatz trainieren bloss drei oder vier Rentner ihre Abschläge.

Erst am Nachmittag, nach dem letzten Foto im Dorf und einigen Ergänzungsbildern rundherum, fährt beim Schwimmbadparkplatz ein Rentner im Schritttempo in seinem grünen Opel Senator neben mir her und erkundigt sich, ob wir die Kondensstreifen fotografieren würden. «Wie bitte?» Heute seien sie wieder unterwegs, ob wir die Kondensstreifen fotografieren würden, hakt er nach. Der Blick zum Himmel bestätigt, dass sich einige Kondensstreifen kreuzen. Ich verneine erklärend, dass im nächsten Jahr eine Ortsgeschichte erscheinen werde. Über die Antwort enttäuscht, fragt er, ob wir denn wirklich nicht auch den Himmel fotografieren würden. Wen interessiere schon ein Buch über die Geschichte der Gemeinde, wenn man darin nicht auch über Kondensstreifen schreiben würde? Heute wären sie wieder unterwegs, man könne die Chemtrails mit blossem Auge unterscheiden. Mit Nachdruck in der Stimme fordert er, dass wir unbedingt den Himmel fotografieren und ins Buch nehmen sollten. Dann würden die da oben endlich wahrnehmen, dass sich die Leute zu wehren begännen. Er wünscht mir einen schönen Tag und fährt davon.

Beasty me grinst sich einen ab. Wer über Zürich seine giftigen Chemiecocktails in die Atmosphäre sprühen soll, hat mir der Rentner verschwiegen. Leider bin ich auch nicht dazugekommen, ihm zu erklären, dass sich die Kreuzung der europäischen Lufthauptstrassen über unseren Köpfen befindet und die Kondensstreifen quasi die Reifenspuren auf der himmlischen Strassenkreuzung wären. Die Theorie, dass die Bush-Administration über die CIA Chemikalien in die Atmosphäre versprühen lässt, damit der von ihr negierte Klimawandel aufgehalten wird, sind mir bekannt. – Zeit, dass mit Barack Obama in fünf Wochen die hoffentlich geerdeten Demokraten die Wahlen gewinnen werden.


 

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