in der Eisenbahn
1. August 2009


Ein Stau hat etwas Mediatives und Fliessendes. Wenn man selber drin steckt, empfindet man den Verkehrsfluss als zähflüssig, so wie der von Auge nicht erkennbare und dennoch vorhandene stetige Fluss eines Gletschers. Die wenigsten im Stau steckenden Automobilisten werden diesen als meditativ empfinden, derweil er den Bahnreisenden regelmässig ein zufriedenes, wenn nicht gar schadenfrohes Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn sie im Taktfahrplan daran vorbeifahren, bevor die Gespräche vom Thema Stau zu erzählen beginnen. Der Intercity von Zürich nach Chur rauscht in der Linthebene über den Bahndamm. In einiger Entfernung dazu verläuft als graues Band die Autobahn. Zwischen 1973 und 1987, bevor das Autobahnteilstück zwischen Bilten und Walenstadt eröffnet wurde, gehörte der Stau beim Walensee obligatorisch zum Arrangement der Ferien im Bündnerland. Selber mehrmals pro Jahr vor und nach den Familienferien in Trin Mulin erlitten, waren wir mit Gepäck im Kofferraum von Vaters Citroën CX und Hund und Katz bei Alain und mir auf und vor der Rückbank glücklich, wenn der Walensee in einer Viertelstunde und nicht in einer Stunde Stau passiert werden konnte.

Heute beginnt sich auf der Höhe von Tuggen, wo in der Regel der Nebel einsetzt, der Verkehr zu stauen. Nach der Verzweigung Uznach wird es statt besser nur noch schlimmer. Wie an einer Schnur aufgereihte bunte Perlen steht Fahrzeug hinter Fahrzeug. Kurz nach der Verzweigung fällt eine Massierung silberner Fahrzeuge an einem Punkt auf, es handelt sich um gefühlte zwei Dutzend Autos auf beiden Spuren. Danach beginnt der Vekehr wieder zu fliessen, zumindest auf der Überholspur. Wissenschaftliche Erklärungen zum Stauphänomen gibt es, doch die überzeugen nicht wirklich. Die Ursache für die aktuelle Stockung auf der Autobahn in Richtung Walensee lässt sich mangels Rettungsfahrzeugen und Baustellen aus dem vorbeifahrenden Zug nicht eruieren. Während mehreren hundert Metern reiht sich Auto an Auto im Stillstand. Danach fahren einige Fahrzeuge relativ langsam. Als ob ihre Lenker der wiedergewonnenen Freiheit nicht trauen, reisst auf einmal reisst eine Lücke von 300 Metern auf, in der sich auf beiden Spuren kein einziges Fahrzeug befindet. Dann beginnt das Spiel in der umgekehrten Reihenfolge: die hinteren Fahrzeuge verlangsamen ihre Fahrt bis ins Schritttempo und exerzieren den stockenden Kolonnenverkehr aus der Verkehrsmeldung und dann ist wieder Stau. Rien ne va plus, définitivement. Stillstand herrscht bis zur Einfahrt in den Kerenzerbergtunnel.

Frage mich, was das eben für eine Lücke gewesen ist? Die Parallelfahrt entlang der Autobahn dauert mehrere Minuten und diente heute der Beobachtung des grundlosen Fliessens und Stockens des Verkehrsflusses. Die Schlussfolgerung, dass der Mensch trotz aller Wissenschaft ein irrationales Wesen geblieben ist, drängt sich angesichts der unerklärlichen Lücke schon beinahe unanständig auf. Denn im Strassenverkehr gilt sonst das Gesetz des Dschungels, der Grössere hat mehr Rechte und jede Lücke wird gnadenlos ausgenützt. Weshalb also ist vorhin der Verkehr ohne ersichtlichen Grund ins Stocken geraten und eine derat grosse Lücke hat sich aufgetan? Haben am Ende jene Stimmen recht, die ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern fordern, weil dies die für den Verkehrsfluss mathematisch optimale Geschwindigkeit ist, die auf den Autobahnen ein stetiges Fliessen des Verkehrs ohne Stau garantieren würde?

 

Nachsatz vom 8. August
Auch wenn oben genannte Frage nicht ganz beantwortet werden kann, gelingt es mir, die Ursache des Staus zu eruieren, die Autobahn A3 wird zwischen Uznach und dem Kerenzerbergtunnel saniert.




stau


 

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Tour de France, 2. Etappe; Monaco-Brignoles – 5. Juli
Spaziergang im Niederdorf (Mario Fehr) – 23. Juni
Nachtrag zum 20. Mai – 25. Mai

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Sonntagmorgen in Davos Monstein – 2. August
über den Flüelapass und das Engadin hoch – 2. August



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