das Auge Gottes
11. August 2011


Zur Feier unseres Wiedersehens hat Werner Speck, Käse, Kartoffeln und Bratwürste gekauft, damit er seinen Enkeln, die ebenfalls zu Besuch sind, ein echtes Schweizer Znacht bieten kann. Der Authentizität willen ist es dann auch der Schweizer, der gebeten wird, die Rösti zu braten, das Würstebraten lässt sich der Sachse aber nicht nehmen…

Während die Enkel den Abwasch übernehmen, spaziere ich nach dem Abendessen mit Werner zur Kirche Monstein hoch. Haben uns seit bald einem Jahr nicht mehr gesehen. Die Bauern haben das schöne Wetter genutzt, um die Wiesen zu mähen. Auf sämtlichen Matten liegt das Gras zum Trocknen verteilt. Die überfüllten Heutransporter brummen wie Hummeln an uns vorbei. Wir halten vor der Kirche inne und schauen dem fast vollen Mond zu, wie er über der Inneralp aufsteigt.
«Zwei Männer den Mond beobachtend», sagt Werner. Ich stimme ihm zu.
«Kennst du das Bild von Caspar David Friedrich?», fragt er.
«Kann sein», antworte ich ehrlich. Ich habe keine Projektion vor meinem geistigen Auge, was nicht heisst, dass ich es nicht schon gesehen habe. Als ich das erste Mal mit Vater in Dresden war, konnten wir nicht nur eine der drei noch existierenden Maya-Handschriften studieren, sondern auch noch drei oder vier Mappen mit Aquarellen von Friedrich durchblättern.

Werner und ich spazieren noch ein paar Schritte im Mondschein. Als wir zur Kirche zurückkehren, hängt die Mondkugel im blauen Himmel, darüber eine rechteckige, weiss erleuchtete Wolke, darunter die dunkeln Berggipfel, sonst ist bloss noch der klare sternenlose Nachthimmel. Wenn dieses Bild nicht Gottes Auge zeigt, das auf uns beide in Monstein hinabblickt, so ist es doch dessen Piktogramm.


friedrich

Zum 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich veröffentlichte die DDR 1979 eine Sondermarke mit dem Sujet der beiden Mondbetrachter. Bis zur Wiedervereinigung 1990 war die Marke gültig.


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