Notlandung
3. Oktober 2012


Stehe nach dem Frühstück im Hotelzimmer am Fenster und schaue über die Dächer in Richtung Waldhaus hinüber. Noch dampft es aus dem Uaul Grond, die am Himmel stehende Sonne scheint die nächtliche Feuchtigkeit aus dem Wald zu saugen, eine Nebelwand verhindert die Sicht auf die Signinagruppe. Die Sonne leuchtet hinter den Wolken hervor und verteilt ihre Strahlen als himmlisches Zelt über die Gegend beim Stenna Tobel, während der Nebel nicht nur über dem Caumasee hängt, sondern auch schon einige Meter vom Hotel talabwärts in Richtung Trin die Kantonsstrasse verschlingt. Auf einmal taucht von dort herkommend ein regenbogenfarbiger, längsgestreifter Ballon aus dem Nebel auf. Es scheint zu viel Thermik zu haben, sodass ihm die Landung auf der Ballonwiese misslingt.

Von Links oben sinkt die Montgolfière in mein Gesichtsfeld, doch es gelingt dem Piloten nicht zu landen. Der Ballon wird von einer Strömung erfasst und vom Landeplatz fortgetragen. Nicht etwa langsam, sondern er beschleunigt. Wenn es dem Piloten nicht gelingt, umittelbar an Höhe zu gewinnen, wird er am Hang zur Ballonwiese zerschellen. In letzter Sekunde steigt der Ballon in die Höhe. Es muss ein erfahrener Pilot sein, denn es gelingt ihm, wenn auch nur knapp, über das Schulhaus und die benachbarten Ferienhäuser zu fliegen und dem Hang entlang hochzugleiten. Jedoch kippt sein Ballon und er steigt in arger Schieflage. Gebannt schaue ich dem Schauspiel zu. Wenn ich in diesem Moment noch etwas denken könnte, würde ich mich wohl fragen, ob auch Heissluftballone kentern können. Keine Ahnung von Hangwinden, aber eine Vorstellung davon habend, glaube ich zu verstehen, was ich nun sehe. Weder kentert der Ballon noch stürtzt er auf den Hang ab, ich sehe das Feuer der Brenner und danach, wie sich der Ballon gleichzeitig stabilisiert und aufsteigt. Die Luftströmung muss immer noch zu stark sein, denn wirklich steigen tut er nicht, sondern er fährt in gebührendem Sicherheitsabstand bis ans Ende des Hangs.

Er überquert vor der Postautohaltestelle Promenada die Kantonsstrasse, da erkenne ich das nächste Problem: er hat genug Höhe, um die Strasse zu überfliegen, ohne an den Laternen hängen zu bleiben, doch er wird ungebremst ins nächste Haus krachen. Was auch immer der Pilot tut, Fluchen oder Beten oder beides zugleich, die beiden Brenner scheinen auf höchster Stufe zu laufen, ihr Fauchen ist bis zum Hotel zu hören. Als ob er ein Rennpferd beim Springreiten wäre, nimmt der Ballon einen Satz über das Hausdach. Ob der Pilot zuvor oder danach die Brenner abgestellt hat, weiss ich nicht. Für einen Moment schwebt der Ballon über dem Haus und sinkt danach dahinter ab. Ich sehe nicht, wie der Korb aufsetzt, doch der Ballon bleibt halb auf dem Hausdach hängen, erneut in ziemlicher Schräglage. Ich brauche einen Moment, um das Gesehene zu verarbeiten. Immerhin haben es die Rettungskräfte nicht weit, so wie ich das von meinem Fenster aus beurteilen kann, muss der Pilot im Garten des Polizeipostens notgelandet sein.




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