Samstagmittag in der Zwischensaison
11. Mai 2013


Es ist kalt, es ist grau. Schnee liegt über Davos, die Gipfel verschwinden in den Wolken, in Richtung Wolfgang hängt der Nebel tief. Unter Monstein hängen die Wolken in der Zügenschlucht. Wie meinte Hans Ambühl, in dessen Haus wir übernachten, treffend? «In Davos schneit es einmal pro Monat. Ausser im Winter.» Der Augustschnee, den Werner und ich vor fünf Jahren erlebt haben, ist im «Zauberberg» von Thomas Mann verewigt worden.

Da es Samstag ist, bereitet Werner am Nachmittag den Gottesdienst vor. Wir verabschieden uns vor dem Kirchgemeindehaus in Davos-Platz voneinander und machen als Treffpunkt nach vier Uhr in der St. Johann Kirche ab. Weder Sarah noch ich möchten ins Migros-Restaurant, wir glauben, ein anderes zu finden, das trotz Zwischensaison geöffnet hat. So spazieren wir die Promenade entlang in Richtung Davos-Platz. Wenigstens wird man nicht in Versuchung geführt, die meisten Geschäfte haben der Zwischensaison wegen geschlossen. Doch nicht nur die Geschäfte, auch die Cafés, Bars und Restaurants sind zu. Samstagnachmittag während der Zwischensaison auf der Promenade in Davos: Wegen zu ist alles geschlossen.

Unser Weg führt uns am geschlossenen Casino vorbei, ich erinnere mich an den Wintersporttag 1995, den ich zusammen mit ein paar Freunden den ganzen Tag darin in der Wärme verbracht habe, ohne gross Geld auszugeben. Es war ein Ort, an dem Jugendliche ungestört herumhängen konnten. Es war auch mein letzter Wintersporttag gewesen, 1993 verbachte ich ihn langlaufend und mit Thomas Ambühl, Hans’ Sohn, im folgenden Jahr versuchte man mir vergebenes in Klosters Skifahren beizubringen. 1996 blieb ich in Schiers. Wir kommen weiter zur Schatzalpbahn, passieren das geschlossene Kirchner Museum, irgendwann hinter den Grand Hotels wird die Ortschaft weniger mondän, die Häuser einfacher, die Geschäfte weniger, wir wechseln von Platz nach Dorf. Schliesslich endet die Promenada mit einer halben Umdrehung, wo sie in die die Talstrasse mündet. Eine Stelle, die mich schon als Kind fasziniert hat, weil der hier der Verkehr Tal auswärts über die Promenade geführt wird und die Gegenrichtung von der Talstrasse herkommt.

Wir gehen auf der Bahnhofstrasse zum Bahnhof hinab. Dieser beeindruckt nicht wegen des Standard RhB-Gebäudes, sondern weil er komplett entgleist ist. Wegen der Renovation des Trassees fehlen die Schienen komplett, immerhin leuchtet das Schotterbett bereits hell und neu. Hungrig und frierend fürchten wir bereits, dass wir wieder nach Davos-Platz zurückkehren müssen und es doch das Migros-Restaurant wird, weil auch hier alle Restaurants geschlossen haben. Doch ich entdecke eine Tafel mit dem Hinweis auf ein Restaurant, eine Treppe zwischen Häusern hoch. Mit dem Mut der Verzweifelten folgen wir und werden belohnt, das Restaurant hat geöffnet und gegen 14 Uhr wird auch in der Küche noch gekocht. Die Wirte sind ursprünglich Holländer, Fischernetze, Modellleuchttürme und Schiffchen sowie Tischdeko mit Sand und Muscheln schmücken den sonst trostlosen Innenraum. Auf der Papierserviette ist ein Anker abgedruckt.

Während wir auf das Essen warten, frage ich mich, wo denn die Handwerker während der Zwischensaison essen, wenn jedes Restaurant geschlossen hat. Dass Samstag ist, habe ich vergessen. Dafür erinnere mich an eine Zeile aus «Reportage», den ich während der schriftlichen Deutschprüfung bei der Lehrabschlussprüfung als Kaufmann als Aufsatz bzw. Bildbeschreibung verfasst habe: «(…) doch die Croisette ist zwischen dem Festival und den grossen Ferien so spannend wie Davos in der Zwischensaison.» Nach der heutigen Erfahrung korrigiere ich mich: Cannes zur Zwischensaison ist bestimmt spannender als Davos, dort gibt sicher ein Bistrot, in dem man einen Pastis trinken kann.

Links:
Blog zum Augustschnee: Seilbahn zum Himmel – 14. August 2008
Blog zum Augustschnee: Ischalp – 14. August 2008
Short Story: Reportage




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Steinzeitkunst – 10. Mai
in der Viamala – 10. Mai
an der Klimazonen-Grenze – 9. Mai

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alte Plakate und ebensolche Erinnerungen – 11. Mai
Vom Aufgang der Sonne in St. Johann – 11. Mai
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